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Emissionen sinken auf niedrigsten Stand seit den 1950er-Jahren

31.01.2024Artikel
Dr. Henrik Meyer
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Im vergangenen Jahr sind die deutschen Treibhausgasemissionen überraschend deutlich um 73 Millionen Tonnen gegenüber 2022 auf 673 Millionen Tonnen gesunken. Damit liegen sie 46 Prozent unter dem Wert des Referenzjahres 1990 – und auf dem niedrigsten Stand seit den 1950er Jahren, wie vorläufige Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende zeigen.

Kohleverstromung stark rückläufig 

Ursächlich für den Rückgang waren im Wesentlichen zwei Entwicklungen: Erstens sank die Kohleverstromung auf den tiefsten Stand seit den 1960er Jahren, wodurch allein 44 Millionen Tonnen CO₂ eingespart wurden. Gründe hierfür waren ein deutlicher Rückgang der Stromnachfrage, vermehrte Stromimporte aus Nachbarländern – rund die Hälfte davon aus Erneuerbaren Energien, ein Viertel aus Kernkraft – sowie im gleichen Umfang gesunkene Stromexporte und eine leicht gestiegene Ökostromerzeugung. Insgesamt erreichten Erneuerbare Energien 2023 erstmals einen Anteil von über 50 Prozent am gesamten Bruttostromverbrauch. 

Deutlicher Einbruch bei Industrieemissionen

Zweitens gingen die Emissionen aus der Industrie deutlich zurück. Verantwortlich hierfür war insbesondere der krisen- und konjunkturbedingte Produktionsrückgang der energieintensiven Unternehmen. Während die gesamtwirtschaftliche Leistung nach vorläufigen Zahlen um 0,3 Prozent schrumpfte, ging die energieintensive Produktion vor allem wegen der hohen Gaspreise 2023 um 11 Prozent zurück. Das führte dazu, dass 17 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase als im Vorjahr ausgestoßen wurden. 

Deswegen ist auch fraglich, wie nachhaltig die Entwicklung ist. Den Agora-Berechnungen zufolge sind nur rund 15 Prozent des CO₂-Rückgangs langfristige Einsparungen, die sich vor allem aus dem Zubau Erneuerbarer Energien, aus Effizienzsteigerungen sowie aus dem Umstieg auf CO₂-ärmere oder klimafreundliche Brennstoffe (beziehungsweise Alternativen) ergeben. Etwa die Hälfte der Emissionsminderungen hingegen gehe auf kurzfristige Effekte zurück, also auf krisenbedingte Produktionsrückgänge und einen geringeren Stromverbrauch. Mit anderen Worten: Emissionen könnten konjunkturbedingt wieder steigen, Teile der Industrieproduktion sich obendrein längerfristig ins Ausland verlagern und dort CO₂ emittieren. 

Zwei Sektoren verfehlen Ziele

Kritisch sieht Agora auch, dass der CO₂-Ausstoß von Gebäuden und Verkehr 2023 nahezu unverändert blieb – die beiden Sektoren überschritten ihre maximal erlaubte Emissionsmenge um acht beziehungsweise zwölf Millionen Tonnen und rissen ihre Klimaziele damit zum vierten beziehungsweise dritten Mal in Folge. Mit den ausbleibenden Emissionsminderungen in diesen zwei Bereichen verfehlt Deutschland voraussichtlich bereits 2024 seine europäisch vereinbarten Klimaziele. Eine solche Zielverfehlung muss die Bundesregierung mit dem Zukauf von Emissionsrechten aus anderen EU-Mitgliedstaaten kompensieren – ansonsten drohen Strafzahlungen.

Die Emissionen aus der Landwirtschaft lagen im Jahr 2023 bei rund 61 Millionen Tonnen CO₂ und unterschritten damit das Klimaziel für den Bereich von 67 Millionen Tonnen CO₂. Die im Vergleich zum Jahr 2022 um etwa eine Million Tonnen CO₂ verminderten Treibhausgasemissionen ergeben sich vor allem aus dem Rückgang der Schweine- und Rinderbestände sowie einer verringerten Stickstoffdüngung.

Trotz der Minderungen gegenüber 2022 klafft zum Erreichen der Klimaziele 2030 weiterhin eine deutliche Lücke. Zur Erinnerung: Bis 2030 strebt die Bundesregierung eine Minderung um 65 Prozent an. Um dieses Ziel erreichen zu können, werden noch große Investitionen in klimaschonende Technologien notwendig sein.