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Punktesystem für Fachkräftezuzug

28.02.2023Artikel
Dr. Henrik Meyer
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Mehr ausländische Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen ist das ausdrückliche Ziel der Bundesregierung und ein wichtiger Baustein in ihrem Bemühen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Folgen des demografischen Wandels für die Altersvorsorge abzumildern. In einem ersten Schritt wird der Zugang für ausländische Arbeitskräfte, die bereits einen Arbeitsvertrag mit einem deutschen Arbeitgeber fest in Aussicht haben, deutlich erleichtert. Nun ist der nächste Schritt in Arbeit: die Einführung eines Punktesystems als neue „zweite Säule“ im Fachkräfteeinwanderungsrecht. Das Bundesinnen- und das Arbeitsministerium haben dazu einen Gesetzentwurf ausgearbeitet. 

Sinn und Zweck des Punktesystems: Auch Interessenten, die vom Ausland aus noch keine Verhandlungen mit hiesigen Arbeitgebern geführt oder gar eine Jobzusage erhalten haben, soll der Zugang zu einer Art Probezeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Damit diese Interessenten auch tatsächlich nach Deutschland kommen dürfen, müssen sie im geplanten Punktesystem die Mindestzahl von sechs Punkten erreichen. Haben sie diese erlangt, würden sie ohne weitere Anforderungen eine „Chancenkarte“ als rechtmäßigen Aufenthaltstitel bekommen.

Wofür es Punkte gibt

Doch was ist mit sechs Punkten gemeint? Wer erlangt diese Punktzahl durch welche Kriterien? Von zentraler Bedeutung ist die berufliche Qualifikation: Drei Punkte erhalten beispielsweise jene Bewerberinnen und Bewerber, die über mindestens drei Jahre Berufserfahrung verfügen. Wer einen Berufsabschluss mitbringt, der auch nach dem hiesigen Recht mindestens teilweise anerkennungsfähig ist, erhält dafür sogar vier Punkte. Überhaupt keine Punkte sammeln müssen jene Bewerber, die mit einem hierzulande voll anerkannten Abschluss ins Rennen gehen – sie erhalten die Chancenkarte auf direktem Wege.

Neben der beruflichen Qualifikation spielen auch der „Deutschlandbezug“ und das Alter eine Rolle. Der Deutschlandbezug betrifft vor allem die Sprachkenntnisse: Wer schon über gute Kenntnisse auf dem Niveau B2 der EU-Klassifizierung verfügt, erhält zwei Punkte. Für fortgeschrittene Grundkenntnisse (B1) gibt es einen Punkt. Auch wer in den vorangegangenen fünf Jahren schon mindestens sechs Monate rechtmäßig in Deutschland gelebt hat, erwirbt einen Punkt. Ebenfalls einen Zusatzpunkt gibt es für Bewerber, die hierzulande einen „Paten“ haben, welcher sie erklärtermaßen auf dem Weg in Arbeit unterstützen will.

Schließlich das Lebensalter – hier lautet das Credo: je jünger, desto besser. Wer unter 35 Jahre alt ist, erhält zwei Punkte gutgeschrieben; für unter 40-Jährige gibt es noch einen Punkt. Begründet wird es damit, dass sich Jüngere meist leichter damit tun, noch dazuzulernen und sich anzupassen. Und auch mit Blick auf die Rentenkasse sind jüngere Arbeitnehmer, sofern sie länger oder dauerhaft bleiben, von Vorteil. 

Befristung für ein Jahr

Die Chancenkarte ist zunächst für ein Jahr befristet – wer in dieser Zeit erfolgreich eine Stelle findet, kann damit rechtmäßig länger in Deutschland bleiben, sonst nicht. Ihren Lebensunterhalt sollen die Inhaber der Chancenkarte auf jeden Fall selbstständig bestreiten, ohne den deutschen Sozialstaat in Anspruch zu nehmen.  

Nach Einschätzung der Bundesregierung könne die Einwanderung qualifizierter Drittstaatsangehöriger durch das neue Punktesystem um jährlich 50 .000 Personen erhöht werden. Zusammen mit weiteren Reformen der Regeln und Verfahren für Fachkräfte soll es einen spürbaren Beitrag zur Entschärfung des Arbeitskräftemangels hierzulande leisten. Die Bundesagentur für Arbeit erwartet, dass Deutschland bald jährlich netto 400. 000 Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigt, um die Lücken zu füllen, die mit dem Renteneintritt der „Babyboomer“ entstehen werden.