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Aufbruch wagen!

26.04.2021Positionspapier
Dr. Christian Ossig
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Positionen des Bankenverbandes zur Bundestagswahl 

Die Weichen richtig stellen
Was jetzt für einen Aufbruch nötig ist
Aufbruch in ein Jahrzehnt des nachhaltigen und langfristigen Wachstums

1. Investitionsoffensive und Unternehmensfinanzierung 
1.1 Ohne Banken keine Finanzierung der Wirtschaft 
1.2 Mehr Gründung durch mehr Eigenkapital ermöglichen
1.3 Nachhaltige, digitale Transformation durch zielgenaue Förderpolitik vorantreiben
1.4 Außenhandelsfinanzierung wettbewerbsfähiger gestalten

2. Bankenregulierung
2.1 Aufsichtsrecht krisenfest machen
2.2 Handlungsmöglichkeiten der BaFin nutzen 
2.3 Regulierung von Banken und Technologieunternehmen: Same services, same risks, same rules 
2.4 Basel IV europäisch umsetzen
2.5 Rechtsrahmen für Sanierung einheitlich anwenden 
2.6 Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausbauen 
2.7 Refinanzierung in Krisenzeiten sichern 
2.8 Effizienz bei Datenmeldungen erhöhen
2.9 Proportionalität weiter im Blick halten 

3. Kapitalmarkt
3.1 Finanzstandort Deutschland verbessern 
3.2 Weitere Schritte zur Kapitalmarktunion gehen
3.3 Elektronische Wertpapiere konsequent einführen 

4. Steuerpolitik 
4.1 Wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung herstellen 
4.2 Niedrigzins im Steuerrecht berücksichtigen
4.3 Abgeltungssteuer erhalten, steuerliche Anreize für mehr Aktienkultur schaffen 
4.4 Keine neuen steuerlichen Belastungen einführen 
4.5 Umsatzbesteuerung reformieren 

5. Nachhaltigkeit 
5.1 Verbindliche und klare Transformationspfade zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem schaffen
5.2 Mit Nachhaltigkeitsrisiken angemessen umgehe
5.3 Anreize für nachhaltige Finanzierungen durch Eigenkapitalerleichterungen schaffen 
5.4 Level-Playing-Field in der EU gewährleisten
5.5 Datenqualität zur Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten verbessern 
5.6 Austausch und Dialog mit der Finanzwirtschaft stärken 

6. Digitalisierung und Zahlungsverkehr 
6.1 Innovationsfähigkeit im Banken- und Finanzmarkt stärken
6.2 Neues Wettbewerbsrecht schaffen 
6.3 Datenökonomie durch Schaffung eines branchenübergreifenden Datenrahmens fördern
6.4 Digitalen Identitäten zum Durchbruch verhelfen
6.5 Rechtlichen Rahmen digitalisieren 
6.6 Cybersicherheit erhöhen und europäische Aufsicht stärken
6.7 Ausbau von Cloud-Services unterstützen 
6.8 Zahlungsverkehr in die digitale Zukunft führen 
6.9 Programmierbaren Euro sachgerecht einführen 

7. Private Kunden, Verbraucherschutz und Finanzbildung 
7.1 Verbraucherpolitik am Leitbild des selbstbestimmten Verbrauchers ausrichten - auch in der digitalen Welt 
7.2 Produktvielfalt sichern – keine marktfeindliche Preisregulierung
7.3 Kapitalgedeckte Altersvorsorge und private Vermögensbildung stärker fördern 
7.4 Einen ausgewogenen Verbraucherschutz für ganz Europa schaffen 
7.5 Finanzbildung ausbauen 

8. Europa und Internationales 
8.1 Auf europäische Lösungen setzen 
8.2 Europäischen Finanzbinnenmarkt vollenden 
8.3 Souveränität Europas stärken 
8.4 EU-Sanktionspolitik verbessern
8.5 Ein gutes Verhältnis zum Vereinigten Königreich schaffen 
8.6 Globalisierung neu ausrichten 

Die Weichen richtig stellen

Die Bundestagswahl am 26. September 2021 findet unter ganz besonderen Vorzeichen statt. Sie markiert eine Zäsur: Die amtierende Bundeskanzlerin tritt nach über 16 Jahren im Amt nicht mehr zur Wahl an. Vor allem aber findet die Wahl (hoffentlich) am Ende einer über ein Jahr anhaltenden Krise statt, die unser Land dauerhaft verändert hat.

Die Pandemie hat erhebliche Opfer gefordert und den Bürgerinnen und Bürgern viel abverlangt: Es sind nicht nur Tote und Langzeitkranke zu beklagen, Deutschland hat einen harten Wirtschaftseinbruch und wochen- bzw. monatelange Lockdowns mit immensen menschlichen und wirtschaftlichen Belastungen hinter sich. Die Staatsverschuldung hat sich binnen eines Jahres um mehr als zehn Prozentpunkte erhöht. Der Staat steigt großflächig in Wirtschaftsunternehmen ein und stellt Kredite und Zuschüsse in dreistelliger Milliardenhöhe zur Verfügung. Die Krise scheint die Europäische Zentralbank für lange Zeit auf negative Zinsen und eine lockere Geldpolitik festzulegen.

Gleichzeitig hat die Pandemie aber auch Entwicklungskräfte freigesetzt und vieles aufgebrochen, was in Stein gemeißelt schien: Mit dem Wiederaufbau-Fonds beschreitet Europa neue,solidarische Wege, die vor 15 Monaten so noch nicht möglich gewesen wären. Die Pandemie hat einen Digitalisierungsschub gebracht und wird nicht nur unsere Art zu arbeiten nachhaltig prägen. Die Politik in Deutschland wie in Europa hat – bei mancher berechtigten Kritik im Einzelnen– eine große Leistung vollbracht.

Im Guten wie im Schlechten: Vieles hat die Pandemie verändert, manches ist nicht mehr wie vorher und manche Auswirkungen sind noch nicht absehbar. Daneben wirken langfristige Entwicklungen wie der Klimawandel und seine Folgen oder die sich verschärfende Großmächterivalität fort. Europa sucht hier noch seine Rolle. Auf Deutschland kommt es hierbei an. Die Bundestagswahl am 26. September 2021 ist damit eine Richtungswahl – wir entscheiden über die grundsätzliche Richtung, die unser Land gehen will: Mehr oder weniger Wachstum? Mehr oder weniger Europa? Was sind die besten Wege zu mehr Nachhaltigkeit und mehr Digitalisierung?

Die privaten Banken und der Bankenverband engagieren sich in dieser Zeit – als Unternehmen, die sich in die Gesellschaft aktiv einbringen. Seit dem Ausbruch der Pandemie haben sich die privaten Banken als Teil der Lösung erwiesen und blicken mit Stolz und Selbstvertrauen auf das für die Kundschaft Erreichte des letzten Jahres zurück. Denn eines hat die Pandemie gezeigt: Damit die Wirtschaft die Herausforderungen der vergangenen Monate annehmen konnte, brauchte sie verlässliche Finanzierungen. Die sind nur mit leistungsfähigen Banken und gut regulierten Banken- und Kapitalmärkten möglich. In diesem Sinne setzen wir uns für politische Lösungen ein, die Deutschland und Europa voranbringen – in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages und mit der neuen Bundesregierung.

Was jetzt für einen Aufbruch nötig ist

Die Finanzierung der Wirtschaft durch Banken und Kapitalmarkt stärken

Die Pandemie und ihre Folgen verschärfen den ohnehin dramatischen Strukturwandel. Die Antwort darauf kann nur eine Investitionsoffensive sein, die zu einem Jahrzehnt des nachhaltigen Wachstums führt. Die Finanzierung dieser Investitionsoffensive gelingt nur mit leistungsfähigen, gut regulierten Banken und einem ausgebauten Kapitalmarkt.

Den Finanzstandort Deutschland attraktiver gestalten

Deutschland muss der führende Finanzstandort eines immer weiter integrierten europäischen Finanzbinnenmarktes bleiben. Zugleich ist dieser Finanzstandort Deutschland nur erfolgreich, wenn er international eingebunden und offen ist. Ein so europäisch wie international verankerter, leistungsfähiger Finanzstandort stellt alle notwendigen Finanzdienstleistungen für institutionelle wie private Kunden und Unternehmen bereit. Er ist ein attraktiver und international wettbewerbsfähiger Marktplatz für europäische und internationale Marktteilnehmer. Intensiver Wettbewerb sichert zudem ein optimales Angebot. Für den Bankenwie den Kapitalmarkt gilt: Eine gute Regulierung und eine leistungsfähige Aufsicht sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg.

Den europäischen Finanzbinnenmarkt vollenden

Starke, wettbewerbsfähige und profitable pan-europäische Banken brauchen einen einheitlichen europäischen Finanzbinnenmarkt. Mit diesem „Heimatmarkt Europa“ im Rücken sind sie in der Lage, die europäische und deutsche Wirtschaft zu unterstützen. Gleichzeitig können sie europäische Wertvorstellungen in einem globalen Umfeld wahren. Verbraucher und Wirtschaft profitieren in einem einheitlichen Finanzbinnenmarkt: durch verbesserten Zugang zu europäischen Finanzprodukten und durch eine bessere Kreditversorgung, da mehr Kapital und Liquidität zur Verfügung steht.

Private Vermögensbildung und Altersvorsorge ausbauen

Eine angemessene Teilhabe aller am Vermögen und eine gute Altersversorgung sind wesentlich für den Zusammenhalt und das Gerechtigkeitsempfinden in einer Gesellschaft. Mehr direktes und indirektes Aktieneigentum ist der Schlüssel, um die private Vermögensbildung und die Altersvorsorge zu sichern und auszubauen. In diese Richtung sollten die staatlichen Förderinstrumente überarbeitet werden.

Eine umfassende Unternehmensteuerreform verwirklichen

Ein Schlüssel zur globalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ist eine umfassende Steuerreform. Nach mehr als zehn Jahren ohne durchgreifende Verbesserungen im Steuerrecht wird es Zeit. Andere europäische und internationale Standorte ziehen bereits an Deutschland vorbei. Die Steuerbelastung der Unternehmen muss auf insgesamt nicht mehr als 25 Prozent abgesenkt werden – neue Belastungen müssen unterbleiben.

Digitalisierung in allen Bereichen konsequent vorantreiben

Die Pandemie hat entscheidende Anstöße für mehr Nutzung der und Zustimmung zur Digitalisierung in der gesamten Gesellschaft gegeben. Gleichzeitig wurde in vielen Bereichen der digitale Rückstand Deutschlands offenbar. Künftig muss Politik konsequent digital denken. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen digitale Geschäftsmodelle unterstützen und Aufsichtsrecht und Aufsichtspraxis auf die digitalen Anforderungen und Möglichkeiten ausgerichtet werden.

Banken als Schlüssel zur Nachhaltigkeit nutzen

Der Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft braucht hohe Investitionen und entsprechend umfangreiche Finanzierungen. Der Finanzsektor hat hier eine Schlüsselrolle. Banken brauchen Planungssicherheit auf Basis klarer, wissenschaftsbasierter Transformationspfade insbesondere bei der CO2-Bepreisung. Finanzierungen, die Nachhaltigkeitskriterien entsprechen,
sollten niedrigeren Kapitalanforderungen unterliegen.

Souveränität der Europäischen Union stärken

Die weltweiten Spannungen haben weiter zugenommen. Die EU muss in der Lage sein, ihre gemeinsamen Werte und ihre Interessen auch global wirksam zu vertreten. Dazu muss sie ihre außen- und wirtschaftspolitische Strategie- und Handlungsfähigkeit stärken. Erforderliche Infrastrukturen und Daten dürfen nicht von Dritten dominiert werden – auch digital muss Europa souveräner werden. Der Finanzbinnenmarkt muss vertieft werden. Nur dann kann der Euro eine internationale Leitwährung bleiben.

Aufbruch in ein Jahrzehnt des nachhaltigen und langfristigen Wachstums

Die Pandemie bedeutet eine Zäsur in Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre Auswirkungen sind noch lange nicht absehbar. Ganze Branchen mussten ihre Geschäftsmodelle umstellen oder doch zumindest einen langen Zeitraum erheblicher Umsatzeinbußen durchstehen. Die erforderlichen staatlichen Aktivitäten drehen die Konsolidierungserfolge der vergangenen Jahre nicht nur zurück, sondern erhöhen die Staatsverschuldung weltweit dramatisch.

Die Pandemie trifft auf einen scharfen Strukturwandel: Der Klimawandel fordert eine ganz andere Art des Wirtschaftens mit einem erheblichen Umbaubedarf in für Deutschland wichtigen Branchen. Die Großmachtrivalität zwischen den USA und dem Westen einerseits und China andererseits verschärft sich – mit weitreichenden Folgen für die Globalisierung, für die internationale Zusammenarbeit und für regionale Konflikte. Die Digitalisierung der Wirtschaft schreitet – auch durch die Pandemie – schneller und weiter voran; mit allen Konsequenzen für etablierte Geschäftsmodelle. Auch mit Blick auf den demografischen Wandel und den damit verbundenen Rückgang des Arbeitskräfteangebots brauchen wir langfristiges, dauerhaftes Wachstum.

Aufgabe der Wirtschaftspolitik kann und darf nicht der Versuch sein, diesen Wandel zu verhindern – dies wäre zum Scheitern verurteilt. Kluge Wirtschaftspolitik muss aufbrechen, konkret: die Herausforderungen (er-)kennen und den ohnehin stattfindenden Wandel gestalten. Das bedeutet, den Strukturwandel aktiv durch eine Investitionsoffensive zu fördern, Härten abzumildern und potenziellen Verlierern des Strukturwandels neue Chancen aufzuzeigen. Vor allem muss dafür die (öffentliche wie private) Investitionsschwäche in Deutschland beendet und mehr – vor allem zielgerichteter – für Forschung, Bildung und Innovation ausgeben werden.
Gleichzeitig gilt es, die Verschuldung im Blick zu behalten, denn auch wenn die Zinsen für Bund und Länder aktuell negativ sind: Eine dauerhafte und stetig steigende Verschuldung ist eine langfristig nicht tragfähige Politik. Um die Innovationsoffensive in Deutschland mitzugestalten, müssen daher auch Unternehmen über Anreize zu höheren und zielgerichteten Investitionen bewegt werden.

Deutschland muss mit einer Strategie für ein Jahrzehnt des langfristigen Wachstums aus der Pandemie kommen. Dies bedeutet zunächst, Produktivitätswachstum durch gute Rahmenbedingungen für eine Innovationsoffensive, ein schnelleres Diffundieren des technischen Fortschritts innerhalb der Wirtschaft (aber auch zwischen Forschung, Wissenschaft und Wirtschaft)sowie die Verbreitung technischen Wissens in den Unternehmen zu fördern.

Zum Zweiten muss sich Deutschland aktiv an der Neujustierung des Globalisierungsprozesses beteiligen: Die geopolitischen Spannungen nehmen zu und internationale Wertschöpfungsprozesse werden überprüft. Dies macht vor allem Anstrengungen für eine stärkere internationale Kooperation in der Klima- und Umweltpolitik, der internationale Steuerpolitik, der Handelspolitik und der Regulierung der Finanzmärkte erforderlich. Dabei muss es eine enge Zusammenarbeit auf europäischer Ebene geben. Nur so kann Europa stark und geeint seine Interessen weltweit bestmöglich vertreten.

Drittens muss ein besserer Rahmen für die digitale Transformation der Wirtschaft geschaffen werden: Dazu braucht es die Förderung von Investitionen in immaterielle Vermögenswerte, Experimentierräume für neue Geschäftsmodelle zum Beispiel durch regulatorische "Sandkästen" oder die Einführung und Verbreitung digitaler Ausstattung insbesondere bei KMUs.

Wachstum und Transformation benötigen Investitionen. In Deutschland wie in Europa vertraut die Mehrzahl der Unternehmen auf die Finanzierung durch Banken. Investitionen sind nur mit leistungsfähigen Banken und gut regulierten Banken- und Kapitalmärkten finanzierbar.

Die Pandemie hat gezeigt, dass manche der während oder nach der Finanzmarktkrise getroffenen Regulierungen kontraproduktiv waren. Aus diesen Erfahrungen müssen wir lernen, damit Banken in der Lage bleiben, ihren Kundinnen und Kunden zu dienen. Das Aufsichtsrecht muss krisenfest werden, damit die Banken privater Kundschaft und Unternehmen zur Seite stehen können! Leistungsfähigkeit und Stabilität von Banken und Finanzmärkten müssen gleichberechtigte Ziele der Aufsicht werden.

Leistungsfähige Banken müssen profitabel sein, um insbesondere im internationalen Wettbewerb nicht weiter zurückzufallen. Der Regulierungsrahmen muss diese Profitabilität ermöglichen und darf sie nicht verhindern. Unnötige bürokratische Belastungen oder die gesetzliche Beschneidung von Ertragsmöglichkeiten müssen der Vergangenheit angehören. Gleichzeitig darf der Regulierungsrahmen das Entstehen neuer, vor allem digitaler Geschäftsmodelle nicht verhindern. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Negativzinsphase ist dies umso dringlicher.

Jede deutsche Wachstumsstrategie muss eingebettet sein in eine gesamteuropäische Strategie, die die europäische Zusammenarbeit weiter vertieft. Europa ist unser Heimatmarkt und nur als Europäer werden wir globale Prozesse mitgestalten können. Dies macht zum einen politische Fortschritte erforderlich: Die Souveränität Europas bei der Vertretung seiner Interessen muss erhöht, ein wirksamer Rahmen für die Finanzpolitik auf europäischer Ebene geschaffen werden. Ein Rahmen, der den Stabilitäts- und Wachstumspakt sinnvoll weiterentwickelt. Die europäischen Institutionen müssen gestärkt und Fortschritte in Richtung einer tieferen politischen und finanzpolitischen Integration erzielt werden. Nur dann sind die Voraussetzung dafür gegeben, dass die EZB die Last der Krisenintervention künftig nicht mehr allein stemmen muss. Dies wird helfen, den Weg aus der ultraexpansiven Geldpolitik der letzten zehn Jahre zu finden.

Die deutsche Wirtschaft profitiert wie keine andere in Europa von der wirtschaftlichen Integration. Dies gilt für den Güter- und Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt, aber auch für die Vollendung des Finanzbinnenmarktes. Diese muss in den nächsten Jahren auf der wirtschaftspolitischen Agenda ganz oben stehen.

1. Investitionsoffensive und Unternehmensfinanzierung

1.1 Ohne Banken keine Finanzierung der Wirtschaft

Unternehmen benötigen eine moderne, verlässliche und kostengünstige Finanzierung. Zugleich sind für den nachhaltigen und digitalen Umbau der Wirtschaft große Investitionen erforderlich, die sich seit dem letzten Jahr pandemiebedingt enorm angestaut haben. Banken spielen als Kreditgeber, als Begleiter am Kapitalmarkt wie auch als Vermittler staatlicher Fördermittel eine zentrale Rolle.

Private Banken finanzieren etwa 90 Prozent des deutschen Außenhandels und rund zwei Drittel aller Hidden Champions. Sie vergeben ein Drittel aller Kredite an Unternehmen und Selbstständige. Der Weg eines Unternehmens zum Kapitalmarkt erfolgt in 95 Prozent der Fälle über eine private Bank. Dies gilt auch für die Emission von nachhaltigen Anleihen (green bonds).

Die Regulierung der vergangenen zehn Jahre hat den Banken jedoch deutlich engere Grenzen bei der Finanzierung höherer Risiken gesetzt. Die Corona-Pandemie ist die erste Krise, in der die strengere Finanzmarktregulierung auf die Probe gestellt wurde – nicht nur in Hinblick auf die Stabilität, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit des Bankensystems in der Unternehmensfinanzierung.
Umso wichtiger ist es, dass der Rechtsrahmen für Banken zukünftig verlässlich und berechenbar bleibt, Regelsetzer und Aufsicht flexibel und pragmatisch handeln und dabei die Rolle der Banken in der Unternehmensfinanzierung stärken und nicht schwächen.
Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft braucht leistungs- und wettbewerbsfähige Banken, die innovativ, effizient und ertragsstark sind.

1.2 Mehr Gründung durch mehr Eigenkapital ermöglichen

Gründende (Start-ups) benötigen Wagniskapital. Um die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit Deutschlands weiter gewährleisten zu können, müssen innovative Gründungen gezielter unterstützt und gefördert werden. Existierende Finanzierungsinstrumente gilt es daher passgenau auszubauen: Neben den Förderdarlehen sind dies insbesondere Venture Capital-/Wagniskapitalfonds und Programme für Nachrangkapital und stille Beteiligungen (Mezzanine-Kapital).

Gerade das spätere Wachstum von erfolgreichen Gründungen sowie innovative Umbaumaßnahmen in etablierten Unternehmen erfordern den Einsatz von Eigenkapital. Um innovative Sprünge und exponentielles Wachstum zu finanzieren, ist ein deutlich größeres Angebot an Eigenkapital notwendig – neben der Begleitung durch eine Bank und der Unterstützung mit Fremdkapital. Hier sollte die neue Bundesregierung bereits bestehende öffentliche Instrumente (Venture Capital, Beteiligungen) zügig weiterentwickeln und auch für größere Projekte und Unternehmen öffnen. Die Kapitalmarktunion muss endlich vorangebracht werden, um das europaweit Angebot an marktgetriebenen Finanzierungen für Gründerinnen und Gründer zu verbessern.

1.3 Nachhaltige, digitale Transformation durch zielgenaue Förderpolitik vorantreiben

Private Banken spielen – in Krisen wie auch in „normalen“ Zeiten – bei der Durchleitung von Förderkrediten eine wichtige Rolle. Sie stehen Unternehmen als Finanzierungspartner der KfW bzw. der Förderinstitute der Bundesländer verlässlich zur Seite. Das Hausbankprinzip gewährleistet dabei die Qualität der Kreditvergabe im Fördergeschäft: Einerseits kann damit auf länger bestehende Kunde-Bank-Beziehungen aufgebaut werden, andererseits übernehmen die Geschäftsbanken überwiegend das Risiko und managen es. Wichtig ist, dass Förderinstrumente den klassischen Bankkredit ergänzen, nicht ersetzen. Aus den umfangreichen Anwendungserfahrungen der letzten Monate sowie dem deutlich flexibilisierten beihilferechtlichen Rahmen lässt sich festhalten, dass sowohl die enge Zusammenarbeit von Politik, Förder- und Hausbanken als auch die Vereinfachung von Prozessen sehr gut funktioniert hat und diese Mechanismen auch in der Post-Corona-Zeit beibehalten werden sollten.

Mit einem absehbaren Ende der Pandemie und dem Ende der wirtschaftlichen und sozialen Beschränkungen werden die strukturellen Herausforderungen der deutschen und europäischen Wirtschaft wieder verstärkt in den Fokus rücken: der Umbau der deutschen Wirtschaft in eine nachhaltige, digitale und weiterhin wettbewerbsfähige Zukunft.

Eine zielgenaue Förderpolitik, die privates und öffentliches Kapital sinnvoll kombiniert, um die (Umbau-)Investitionen der Unternehmen zu fördern, sollte einerseits marktwirtschaftliches Engagement nicht erdrücken, andererseits aber durch ein gutes Maß an Risikoteilung im Sinne einer partiellen Haftungsfreistellung risikobehaftete, transformatorische Projekte ermöglichen bzw. beschleunigen. Auch sollten bestehende Anreizstrukturen wie Zinsvergünstigungen, staatliche Zuschüsse oder Haftungs- und Risikoteilung gestärkt und in den künftigen Förderprogrammen fest verankert sein. Um gerade im Bereich der Nachhaltigkeit bzw. Klimaneutralität den Erwartungen von Kunden, Lieferanten und Investoren zu entsprechen, könnte beispielsweise der Umfang der zur Verfügung stehenden Fördermittel bzw. Zuschüsse an die Einhaltung der ESG-Kriterien geknüpft werden. Sinnvoll erscheint zudem, dass die bestehende Förderprogrammvielfalt gebündelt und neu ausgerichtet wird, sodass entlang diverser Größen und Risikoklassen Finanzierungsangebote existieren und gleichsam ein starker Fokus auf Zukunftsbranchen wie beispielsweise Grüner Wasserstoff, Autonomes Fahren oder Künstliche Intelligenz gelegt werden kann. Dieser Schritt weg von dem „Gießkannenprinzip“ bedeutet gleichwohl, dass Bemühungen notwendig sind, den davon betroffenen Branchen entsprechende Angebote und Finanzierungsmöglichkeiten zur Transition zu unterbreiten.

Auch sollten – neben klassischen Finanzierungswegen, wie die Emission von Aktien und Anleihen – alternative  Finanzierungsmöglichkeiten ausgeweitet werden, die das bestehende Kreditangebot ergänzen können: Venture Capital, Abdeckung fehlender Sicherheiten über Bürgschaften im Bereich Gründungsfinanzierung und Nachfolge, Programme mit höheren Volumina oder Verstetigung der Instrumente zur Gründungsfinanzierung.

Auf europäischer Ebene sollten die verschiedenen Programme zur Krisenbewältigung evaluiert und gebündelt werden, um passgenaue Förderungen in Zukunftsinvestitionen gewährleisten zu können. Gleichzeitig können damit Wettbewerbsverzerrungen aufgrund unterschiedlicher Förderprogramme unterbunden werden. Zudem müssen die Förderprogramme auf Ebene der EU- und Mitgliedsstaaten besser aufeinander abgestimmt sein und der Beihilferahmen überarbeitet bzw. verstetigt werden.

1.4 Außenhandelsfinanzierung wettbewerbsfähiger gestalten

Der wirtschaftliche Wohlstand sowie die Lage am Arbeitsmarkt hängen stark vom Außenhandel ab. Deutschlands Erfolge sind hier nicht zuletzt Ergebnis der Exportstärke der deutschen Wirtschaft. Die Banken begleiten deutsche Unternehmen bei ihren Exporten, indem sie die internationalen Zahlungsströme abwickeln, wirtschaftliche und politische Risiken absichern sowie maßgeschneiderte Finanzierungen bereitstellen.

Die Außenwirtschaftspolitik muss darauf ausgerichtet sein, dass die Exportwirtschaft durch gute Finanzierungsbedingungen den internationalen Wettbewerb erfolgreich bestreiten und neue Märkte, insbesondere den afrikanischen Markt, erschließen kann. Gleichzeitig sollte sie der digitalen und nachhaltigen Transformation gerecht werden. 

Die Möglichkeit, attraktive Finanzierungen anzubieten, ist in der weltweiten Konkurrenz mit Unternehmen aus den OECD-Staaten und zunehmend auch aus Nicht-OECD-Staaten immer mehr zu einem Erfolgsfaktor geworden. In vielen Ländern ist die staatliche Exportkreditversicherung flexibler und die Außenwirtschaftsförderung wird, beispielsweise in China, zunehmend über Entwicklungsbanken betrieben. Dies birgt entsprechende Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen und die sie begleitenden Banken. Konkret sollten künftig Fremdwährungsrisiken unter dem Deckungsinstrumentarium von Euler Hermes abgesichert werden, um dem Finanzierungsbedarf in Lokalwährung gerecht zu werden. Um Projekte im strategischen Interesse Deutschlands gesichert finanzieren zu können, bedarf es einer Ausweitung des maximal deckungsfähigen Finanzierungsanteils eines ungebundenen Finanzkredits sowie der Ausdehnung der Garantien für ungebundene Finanzkredite auf Vorhaben mit strategischer Relevanz.
Auch sollten die Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit mit denen der Außenhandelsfinanzierung besser aufeinander abgestimmt werden. Um die Exportwirtschaft in neuen Zielmärkten (Afrika) begleiten zu können, bedarf es insbesondere einer Deckungserleichterung für Sammeldeckungen und dem Verzicht auf das obligatorische Erfordernis von dinglichen Sicherheiten bei Transaktionen mit staatlichen Kreditnehmern in Entwicklungsländern. 

Zudem braucht die Außenhandelsfinanzierung diese erweiterten Instrumente, um ihren Beitrag für eine nachhaltige Wirtschaft leisten zu können. Dazu müssen die Kriterien der Deckungspolitik der Bundesregierung kongruent zu der Refinanzierungspolitik der KfW laufen. Für die Instrumente der Exportfinanzierung darf es angesichts der technologischen Entwicklungen darüber hinaus keinen Unterschied machen, ob Geschäfte digital, dienstleistungsorientiert oder produktbasiert stattfinden. 

Letztlich wurden bislang die Auswirkungen der umfassenden Bankenregulierung auf die Exportwirtschaft und ihre Belange in Finanzierungsfragen zu wenig berücksichtigt. Das heißt, auch Regulierungsansätze müssen an der Zielsetzung gemessen werden, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Außenwirtschaft in einem schwierigen Umfeld zu gewährleisten. Erhöhte regulatorische Anforderungen – wie zum Beispiel regulative Vorgaben an das Risikomanagement und an die Identifizierung von Kundinnen und Kunden – treiben die Kosten der Exportfinanzierung signifikant in die Höhe, komplexe sowie klein volumige Transaktionen werden dadurch unwirtschaftlich.

2. Bankenregulierung

2.1 Aufsichtsrecht krisenfest machen

Die Corona-Pandemie hat sehr deutlich gezeigt, von welch großer Bedeutung dauerhaft stabile Banken gerade in Zeiten wie diesen sind. Banken haben heute eine deutlich höhere Kapital und Liquiditätsausstattung als noch vor zehn Jahren, auch infolge aufsichtlicher Regeländerungen im Zuge der Finanzkrise. Dies ermöglichte es den Banken in der aktuellen Krise, an der Seite der Wirtschaft zu stehen und den vermehrten Liquiditätsbedarf der Unternehmen zu decken.

Allerdings hat die Corona-Pandemie auch deutliche Schwächen des aufsichtlichen Rahmenwerks sichtbar gemacht. Denn die Aufsichtsbehörden konnten unerwünschte prozyklische Effekte in der Rechnungslegung und Regulierung (vgl. etwa das Zusammenspiel von IFRS 9 und der regulatorischen Ausfalldefinition) nur dadurch vermeiden, dass sie kurzfristig Regeln klargestellt und angepasst haben. Das schnelle und flexible Handeln der Aufsicht hat so negative Auswirkungen auf die Konsum- und Unternehmensfinanzierung verhindert.

Darüber hinaus hat sich das aufsichtliche Konzept für Kapital- und Liquiditätspuffer in der Krise als nicht funktionsfähig und daher wenig sinnvoll erwiesen. Die Puffer wurden zwar grundsätzlich von den Aufsichtsbehörden zur Nutzung freigegeben. Doch sowohl die unklaren Anforderungen für deren Wiederaufstockung als auch die Unsicherheit darüber, wie der Markt eine Puffernutzung bewertet, haben die Banken von einer Nutzung der Puffer abgehalten.

Es ist deshalb essenziell, dass sich die neue Bundesregierung nachdrücklich dafür einsetzt, das Aufsichtsrecht stabiler und krisenfester zu machen. Dies bedeutet im Kern, dass es zum Beispiel durch Abbau starrer Auslöser für regulatorische Konsequenzen flexibler auf geänderte Umstände ausgerichtet wird. Damit wird eine oftmals mechanistische Anwendung von Regeln vermieden. Dadurch wird zudem gewährleistet, dass die Banken ihren Aufgaben auch im Falle weiterer Krisen nachkommen können. Nur so können sie dann auch einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung bei der Krisenbewältigung leisten.

2.2 Handlungsmöglichkeiten der BaFin nutzen

Regulierungsdichte und Regulierungsgeschwindigkeit sind in den letzten Jahren auf einem hohen Niveau geblieben. Kleine wie große Banken spüren die verschärften regulatorischen Anforderungen. Die neue Bundesregierung muss folglich nicht nur darauf hinwirken, dass das Bankgeschäft auch in Zukunft für kleinere Banken möglich bleibt. Sondern sie sollte auch im Blick behalten, dass große Banken im europäischen und internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben. Um den regulatorischen Rahmen angemessen auszugestalten, sollten europäische Vorgaben auf nationaler Ebene ohne zusätzliche nationale Verschärfungen umgesetzt werden. Um Kreditinstitute in Deutschland nicht zu benachteiligen, muss ein Goldplating unterbleiben. Stattdessen sollten die bereits vorhandenen nationalen Regeln überprüft werden, ob sie übermäßige Verschärfungen enthalten und entsprechend an die europäischen Vorgaben angepasst werden.

Die Anforderungen der deutschen Aufsicht zu den MaRisk sind in den letzten Jahren weiter ergänzt worden. Der Detaillierungsgrad hat infolgedessen stetig zugenommen, was nicht zuletzt auf die europäischen Vorgaben zurückzuführen ist. Dabei geraten die Ziele der Methodenfreiheit und Prinzipienorientierung immer mehr ins Hintertreffen. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die MaRisk insgesamt zu überprüfen. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass der notwendige europäische Spielraum dafür geschaffen wird.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass eine starke BaFin für Kundinnen und Kunden, wettbewerbsfähige Banken und ein stabiles Finanzsystem unabdingbar ist. Wir unterstützen die Zielsetzung der Bundesregierung, dass die Finanzaufsicht verbessert werden soll. Dabei sollten die dadurch entstehenden Kosten grundsätzlich verursachergerecht verteilt werden. In diesem Zusammenhang muss grundsätzlich über eine Rückkehr zur Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der BaFin nachgedacht werden. Die Tätigkeit der BaFin ist auch eine staatliche Aufgabe und sollte entsprechend (mit-)finanziert werden.

2.3 Regulierung von Banken und Technologieunternehmen: Same services, same risks, same rules

Grundsätzlich sollten Regulierung und Aufsicht aktivitätsbezogen und damit risikobasiert erfolgen. Die Bankenregulierung richtet sich grundsätzlich gesamthaft an zugelassene Kreditinstitute und erfolgt demnach institutsbasiert. Soweit ein Konzern hauptsächlich Finanzgeschäfte (über 50 Prozent der Aktivitäten) erbringt, ist der Konzern als Finanzholding für die Einhaltung der Bankenregulierung im Konzern verantwortlich. Technologieunternehmen erbringen typischerweise nur in untergeordneten Geschäftsbereichen Finanzgeschäfte, welche weniger als 50 Prozent der Gesamtaktivitäten des Konzerns ausmachen. Daher unterliegt nur der erlaubnispflichtige Geschäftsbereich isoliert der jeweiligen Regulierung und Aufsicht.

Dies erschwert es Banken im Vergleich zu Technologieunternehmen, Technologieentwicklung als eine Aktivität innerhalb des Konzerns zu betreiben oder neue Geschäftsmodelle fernab des klassischen Bankgeschäfts in anderen Konzernbereichen zu etablieren. Die Kooperation mit und die Akquisition von FinTech-Start-Ups wird erschwert, da viele akquirierte Unternehmen mit sofortiger Wirkung unter die umfassende Regulierung des Gesamtkonzerns fallen. Aus diesem Grund ziehen Banken in einigen Fällen strategische Partnerschaften einer Direktakquisition in den Konzern vor. Dies kann negative Folgen für die Entwicklung neuer Geschäftsmodell (z. B. Plattformökonomie) und das Eingehen neuer Kooperationen (z. B. mit FinTech-Start-Ups) haben und die weitere Digitalisierung der Banken und somit des Finanzsektors verhindern. Die vorher genannten Schwierigkeiten werden vermieden, wenn der Grundsatz „same service, same risk, same rules“ bei der Regulierung von Banken und Technologieunternehmen eingehalten wird. Konzerneinheiten in Banken, die keine Bankgeschäfte erbringen, sollten nur der jeweiligen spezifischen Regulierung unterfallen und von der weitgehenden Bankenregulierung ausgenommen werden, um die Technologieentwicklung für Banken innerhalb des Konzern zu vereinfachen („Dekonsolidierung von einzelnen Geschäftsbereichen von Banken“). Darüber hinaus sollten „Innovation Hubs“ oder „Regulatory Sandboxes“ für die Finanzindustrie ermöglicht werden.

2.4 Basel IV europäisch umsetzen

Für die Kreditbereitstellung für die deutschen und europäischen Unternehmen ist die Eigenkapitalregulierung der Banken eine existentielle Grundlage, die die neue Bundesregierung scharf im Auge behalten muss. Im Zuge der Finanzmarktkrise wurde die Baseler Rahmenvereinbarung zur Eigenkapitalunterlegung seit dem Jahre 2010 kontinuierlich verändert. Der Prozes wurde mit der Veröffentlichung von „Basel III: Finalising post-crisis reforms“ (gemeinhin bekannt als „Basel IV“) beendet. Die Umsetzung dieser Empfehlung steht in Europa bislang noch aus und wird in den kommenden Jahren ein Schwerpunktthema der europäischen Finanzmarktregulierung sein.

Ein zentrales Element der Reform ist der sogenannte Output Floor, der die Standardisierung der aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen zu Lasten der Risikosensitivität erhöht. Die stärkere Standardisierung führt dazu, dass insbesondere Länder mit geringen Risiken im Bankensektor mit stark steigenden Eigenkapitalanforderungen zu rechnen haben. Verschiedene aufsichtliche Proberechnungen haben für Deutschland einen Mehrbedarf an Eigenkapital von 35 bis 40 Prozent errechnet.

Der Mehrbedarf an Kapital wird insbesondere negative Folgen für die Finanzierung von Unternehmen ohne externe Bonitätsbeurteilung (Rating) und für die Immobilienfinanzierung haben. Denn mit den neuen Regeln werden die internen Risikobewertungen von Banken nur noch begrenzt genutzt werden dürfen, um aufsichtliche Mindestkapitalanforderungen zu bestimmen. Dann können allerdings Kredite nicht mehr so bepreist werden, dass sie das tatsächliche Risiko abbilden. Denn für die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in Europa, insbesondere für die mittelständischen Unternehmen in Deutschland, liegen bisher keine externen Ratings vor. Zudem dürften Immobiliensicherheiten auch nicht mehr in vollem Umfang angerechnet werden. Die Kosten der Finanzierung werden entsprechend im Schnitt für alle Beteiligten steigen. In Kombination mit den Folgen der Pandemie könnte dies die wirtschaftliche Erholung beeinträchtigen und die europäische Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern.

Aus diesem Grund muss sich die neue Bundesregierung dafür einsetzen, wirtschaftlich herausragende europäische Besonderheiten wie das breite, mittelständische Unternehmertum und die langfristige Immobilienfinanzierung bei der Umsetzung von Basel IV angemessen zu berücksichtigen. Zweckdienlich ist zum einen eine Umsetzung des Output Floors, ohne rein europäische Kapitalaufschläge einzubeziehen. Zum anderen müssen Eigenkapitalanforderungen möglichst risikoadäquat ausgestaltet werden, wenn diese Forderungen an bonitätsstarke Unternehmen ohne externes Rating oder auch Immobilienfinanzierungen mit niedrigem Risiko betreffen.

2.5 Rechtsrahmen für Sanierung einheitlich anwenden

Um die Bankenunion weiter zu vertiefen, muss das vorgesehene Krisenmanagement nicht runderneuert werden. Wichtiger ist es, dass sich die neue Bundesregierung dafür einsetzt, dass die vereinbarten Regeln für die Bankensanierung konsequent angewendet werden. Wenn die Europäische Kommission – wie angekündigt – den Rechtsrahmen überarbeitet, sollten daher nationale Optionen und Ermessensspielräume reduziert werden. Nur so lassen sich gleiche Wettbewerbsbedingungen im gesamten Binnenmarkt schaffen und Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Nationale Sonderwege wären so versperrt, ein weiterer Schritt zu einem wirklichen Binnenmarkt getan. Die derzeit noch zu verzeichnende Fragmentierung des Binnenmarktes behindert letztlich auch eine (grenzüberschreitende) Konsolidierung des Bankenmarktes.

Kritisch zu sehen sind Ansätze, die darauf hinauslaufen, eine zentrale europäische Behörde mit umfangreichen Kompetenzen in den Bereichen der Bankenabwicklung und Einlagensicherung zu schaffen. Wir brauchen keine neue europäische Superabwicklungsbehörde. Vielmehr sollten den bereits vorhandenen Einlagensicherungssystemen endlich die Instrumente für präventive und alternative Maßnahmen an die Hand gegeben werden, die in der Einlagensicherungsrichtlinie bereits vorgesehen sind. So ließe sich die Krise von kleinen und mittelgroßen Banken bereits auf nationaler Ebene bewältigen. Zudem würde die dezentrale Struktur die Gefahr von Ansteckungseffekten verringern.

2.6 Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausbauen

Kreditinstitute unterliegen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vielfältigen Pflichten. Nicht nur in Deutschland stehen die hieraus resultierenden Maßnahmen zunehmend in einem Missverhältnis zu den Ergebnissen im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität und den Terrorismus. Es bedarf einer grundsätzlichen Neuorientierung, auch um die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen.

Erforderlich ist zunächst eine europaweit einheitliche Regulierung. Diese muss durch den Erlass einer möglichst umfassenden, direkt geltenden Verordnung gewährleistet werden. Der bestehende Flickenteppich nationaler Regeln und die Möglichkeit einer Regulierungsarbitrage muss beendet werden. Nationales Goldplating wie es aktuell beim „Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetzes Geldwäsche“ betrieben wird, hilft der Geldwäschebekämpfung nicht. Die neue Bundesregierung sollte aus diesem Grund bei zukünftigen europäischen Vorgaben darauf verzichten.

Insbesondere im Hinblick auf die formalen Pflichten (Identifizierung von Kundinnen und Kunden und wirtschaftlich Berechtigten) sind eindeutige Anforderungen essenziell wichtig. Entsprechendes gilt für die Funktion der Transparenzregister. Diese können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die erheblichen bürokratischen Lasten der Geldwäschebekämpfung für den Finanzsektor und seine Kundschaft zu reduzieren.

Maßstab für neue Regelungen muss sein, ob diese die Kriminalitätsbekämpfung wirklich verbessern. Hierfür ist die Erweiterung des Informationsaustauschs unter den Verpflichteten ebenso wie mit den zuständigen Behörden von entscheidender Bedeutung, insbesondere beim sogenannten Transaktionsmonitoring und bei der Zusammenarbeit bei der Kundenidentifizierung.
Hierfür müssen geeignete Rechtsgrundlagen geschaffen und Kooperationsprojekte unterstützt werden. Bundesregierung und Bundestag müssen – wo erforderlich – den Weg hierfür frei machen. Dabei sollten auch Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz geschaffen werden.

Um eine konsistente, einheitliche Anwendung des harmonisierten Rechts sicherzustellen, ist mittelfristig die Schaffung einer europäischen Aufsichtsbehörde sinnvoll. Das Know-how der bislang zuständigen nationalen Institutionen (z. B. BaFin, Kammern, etc.) ist einzubinden. Doppelzuständigkeiten sind in jedem Fall zu verhindern.

Auch in der Unternehmensfinanzierung und im Außenhandelsgeschäft ist der Aufwand für die Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sehr beträchtlich. Im Hinblick auf international einheitliche Wettbewerbsbedingungen muss darauf geachtet werden, dass diese Maßnahmen und Pflichten weitgehend global vereinheitlicht werden.

Neben dem wettbewerbsrechtlich geprägten Digital Markets Act (siehe hierzu Punkt 7.3) wird in der EU zusätzlich der Digital Services Act diskutiert. Dieser Gesetzesvorschlag befasst sich mit verschiedenen Pflichten von Plattformunternehmen. Für diese soll ab einer bestimmten Größe eine staatliche Beaufsichtigung eingeführt werden. Über die auf den Schutz der Nutzerinnen und Nutzer abzielenden Regeln hinaus sollte auch das Potenzial der Plattformen für die Kriminalprävention ausgelotet werden. So könnte die Einführung einer Pflicht der Anbieter zur Identifizierung der Nutzerinnen und Nutzer einen wesentlichen Beitrag zur raschen Ermittlung von Missbräuchen der Plattformen leisten und zudem generalpräventiv wirken.

Weiterhin ist die Digitalisierung in Richtung neuer Identifizierungslösungen voranzutreiben. Das Konzept zur Verbreitung und Nutzbarkeit von digitalen Identitäten ist vom Gesetzgeber regulatorisch zu sichern und zu fördern.

2.7 Refinanzierung in Krisenzeiten sichern

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass schwere Krisen immer wieder auftreten und schnell einen deutlich erhöhten Liquiditätsbedarf der Unternehmen verursachen. Auch wenn eine Krise fast vorbei scheint, steigt der Liquiditätsbedarf nochmals, um das dann mögliche Wachstum zu finanzieren. Für die Banken gilt es, möglichst viele Unternehmen mit grundsätzlich gesundem Geschäftsmodell umfassend und mutig durch Krisen zu begleiten.

Die Pandemie hat außerdem gezeigt, dass Banken jederzeit auch Betroffene einer Krise sein können. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Investierende auf breiter Front ihre Mittel abziehen und gleichzeitig die Ratings der kreditnehmenden Unternehmen sukzessive unter Druck geraten. Letzteres schließt Kredite an diese Unternehmen bislang grundsätzlich von einer Refinanzierung bei der Deutschen Bundesbank aus und macht sie damit schwierig und teuer.

Die EZB hat mit dem sogenannten Additional Credit Claims-Programm auf europäischer Ebene beherzt einen Rahmen geschaffen, mit dem die Refinanzierungssituation der Banken mit gezielten Maßnahmen verbessert werden kann. Leider hat die Deutsche Bundesbank diesen Rahmen bislang nur minimal genutzt. Die Bundesbank ist hier aufgefordert, dass die möglichen Instrumente zur Unterstützung der Finanzierungsmöglichkeiten der Wirtschaft mutig umgesetzt werden. In der Abwägung sollten die damit verbundenen möglichen Risiken bewusst eingegangen werden.

2.8 Effizienz bei Datenmeldungen erhöhen

Die Belastungen durch regulatorische Anforderungen für die Kreditwirtschaft sind kontinuierlich gestiegen und steigen weiter. Ein wesentlicher Teil entsteht durch überbordende Datenanforderungen verschiedener Aufsichtsbehörden und anderer Stellen. Es steht außer Zweifel, dass die Bankenaufsicht detaillierte, qualitätsgesicherte und zeitnahe Daten braucht, um ihrer Aufsichtstätigkeit nachkommen zu können. Dass ähnliche Daten zu verschiedenen Zeitpunkten von unterschiedlichen Behörden (SSM, nationale Aufsicht, SRB) angefordert werden, ist allerdings nicht nachvollziehbar. Generell sollten Kosten-/Nutzenerwägungen bei der Definition von Meldeanforderungen eine größere Bedeutung beigemessen werden. Mit Blick auf die Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland muss die Bundesregierung darauf hinarbeiten, dass die einzelnen Behörden bei der Datenabfrage zur Zusammenarbeit und zum Austausch der Daten verpflichtet werden. Gegebenenfalls sind hierfür die bestehenden Datenschutzgesetze
anzupassen.

2.9 Proportionalität weiter im Blick halten

Die mit der Vielzahl an Regulierung verbundenen Lasten drohen vor allem die kleineren Institute zu überfordern. Ihre durchschnittlichen Regulierungskosten liegen bezogen auf die Bilanzsumme um ein Vielfaches höher als bei großen Instituten. Wie die Finanzmarktkrise gezeigt hat, trägt eine entsprechende Vielfalt im Bankenmarkt dazu bei, die Finanzstabilität zu sichern. Daher leistet die Vielfalt von kleinen und mittleren Banken in den Mitgliedsstaaten einen wichtigen Beitrag zur Solidität des europäischen Finanzsystems. 

Das 2019 verabschiedete Bankenpaket trägt dieser Vielfalt dadurch Rechnung, dass nunmehr das Prinzip der Proportionalität deutlich stärker in der europäischen Regulierung verankert ist als zuvor. Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem jedoch noch weitere folgen müssen. Bei der nächsten Überarbeitung der CRR/CRD, die die finalen Baseler Regeln umsetzt, sollte die neue Bundesregierung sich deshalb dafür einsetzen, die Regulierung von kleinen und mittleren Banken noch proportionaler, noch angemessener zu gestalten. So sollte unter anderem die Definition eines „kleinen nicht-komplexen Instituts“ weniger restriktiv ausgestaltet sein – insbesondere hinsichtlich der Anforderungen eines kleinen Handelsbuchs und geringen Derivatvolumens. Zudem sollten kleine Banken vollständig von den Regelungen zur Vergütung ausgenommen werden.

Banken müssen nach dem Gesetz zur Sanierung und Abwicklung einen Sanierungsplan erstellen und der Aufsicht vorlegen. Die Aufsicht kann für kleinere Banken richtigerweise vereinfachte Anforderungen festlegen und hat bei der praktischen Umsetzung ein vereinfachtes Verfahren entwickelt. Dennoch steht der Aufwand für kleinere Banken, die einen Sanierungsplan erstellen müssen, in keinem Verhältnis zum zusätzlichen Erkenntnisgewinn, welche Maßnahmen ergriffen werden, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten auftauchen sollten. Denn diese Informationen liegen bereits durch die MaRisk und die Sorgfaltspflicht der Geschäftsführung vor.
Und: Da die Banken regelmäßig ihre aufsichtlichen Kennzahlen berichten müssen, hat die Aufsicht einen sicheren Überblick über die Verhältnisse jeder einzelnen Bank. Der Sanierungsplan für kleine Banken sollte daher abgeschafft werden, um Bürokratie zu reduzieren. Auf eine entsprechende Änderung der europäischen Vorgaben sollte hingewirkt werden.

3. Kapitalmarkt

3.1 Finanzstandort Deutschland verbessern

Deutschland muss der führende Finanzstandort eines immer weiter integrierten europäischen Finanzbinnenmarktes bleiben. Zugleich muss der Finanzstandort Deutschland international eingebunden und offen sein. Beide Stoßrichtungen müssen hohe und gleiche politische Priorität genießen – gerade in der Post-Brexit-Zeit: Die neue Bundesregierung muss sowohl die Standortbedingungen in Deutschland verbessern als auch die Integration des europäischen Finanzbinnenmarktes vorantreiben.

Ein so leistungsfähiger Finanzstandort sichert den Kapitalbedarf der deutschen Wirtschaft und stellt alle notwendigen Finanzdienstleistungen für die inländischen privaten und professionellen Kundinnen und Kunden und Unternehmen bereit. Er ist ein attraktiver und international wettbewerbsfähiger Marktplatz für europäische und internationale Kapitalmarktteilnehmer und stellt so durch einen intensiven Wettbewerb ein optimales Angebot bereit.

Während der Bankenmarkt sowohl wettbewerbsintensiv als auch weitgehend effizient ist, besteht bei der Gestaltung des deutschen Kapitalmarktes Nachholbedarf. Wir brauchen einen Rechtsrahmen, der nicht dazu führt, dass wir weiter zurückfallen. Für den Banken- wie den Kapitalmarkt gilt: Eine gute Regulierung und eine leistungsfähige Aufsicht sind Grundvoraussetzungen für den Erfolg.

Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht bei den deutschen aufsichtlichen Rahmenbedingungen für grenzüberschreitende Kapitalmarktgeschäfte zwischen institutionellen Kapitalmarktteilnehmern. Diese sind auch im innereuropäischen Vergleich ausgesprochen komplex und rigide. Wenn die neue Bundesregierung hier Verbesserungen erzielt, kann das direkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Rechts- und Emissionsstandortes Deutschland stärken. Angesetzt werden kann über eine Einschränkung der AGB-Inhaltskontrolle bei Geschäften unter qualifizierten Kapitalmarktteilnehmer bzw. bei Anleihebedingungen. Hinzu kommen müssen ein wettbewerbsfähiges Steuerrecht, die Einführung eines befreienden IFRS-Einzelabschlusses, die Förderung der Attraktivität für inländische und ausländische Beschäftigte, eine Verbesserung der Finanzbildung, eine spürbare Senkung der Bürokratiekosten und die Einführung eines dauerhaften Finanzmarktdialogs.

Ein starker Finanzplatz ist eine Voraussetzung dafür, dass die deutschen und europäischen Banken ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und damit den Rückstand zu insbesondere den US-Banken aufholen können.

3.2 Weitere Schritte zur Kapitalmarktunion gehen

Die zentrale Rolle der Kapitalmarktunion wird in seiner Bedeutung von der Politik immer noch unterschätzt. So ist ein effizienter und europaweiter Kapitalmarkt unverzichtbar, um die Transformation der europäischen Wirtschaft zu finanzieren, die Finanzstabilität in der EU zu stärken und die Souveränität Europas im globalen Wettbewerb zu unterstützen. Mit Blick auf den nach dem Brexit verkleinerten EU-Kapitalmarkt und auf die Folgen der Pandemie sind Fortschritte für eine Kapitalmarktunion noch dringlicher geworden.

Banken sind – seit jeher – wichtige und bewährte Mittler und zentrale Servicedienstleister im Kapitalmarkt. Anleger/Investoren und Emittenten gehören zu den Kundinnen und Kunden der Banken. Banken haben daher ein Interesse daran, dass die Bedürfnisse beider Seiten gewahrt werden, d. h. dass der strukturell bestehende Konflikt zwischen den Schutzbedürfnissen der Anlagesuchenden und den Finanzierungszielen von Emittierenden ausbalanciert bleibt.

Ziel aller diesbezüglichen politischen Maßnahmen – auch der neuen Bundesregierung – muss es sein, einen EU-weit einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen, in dem die Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer diejenigen Lösungen und Produkte entwickeln, die dem Bedarf der Wirtschaft entsprechen. Hierdurch würde auch – und gerade – der Finanzplatz Deutschland in der EU gefördert. Mit Blick auf den neuen CMU-Aktionsplan sollten folgende Maßnahmen Priorität erhalten: Der European Single Access Point sollte vorangetrieben werden, um einen erleichterten Zugang zu Unternehmensinformationen, die für eine Investitionsentscheidung dienlich sind, zu gewährleisten. Die Vorschriften für die Interaktion von Anlegern, Intermediären und Emittenten sollten im grenzübergreifenden Kontext harmonisiert werden. Das Verbriefungsrahmenwerk sollte überarbeitet, das Insolvenzrecht wie das Steuerrecht und Steuerverfahren gezielt harmonisiert werden. Auch die grenzüberschreitende Wertpapierabwicklung sollte verbessert und der Anlegerschutz überarbeitet werden. Last but not least sollten private Vermögensbildung, Aktienkultur und private Altersvorsorge gefördert werden.

3.3 Elektronische Wertpapiere konsequent einführen

Die Digitalisierung schreitet – nicht zuletzt aufgrund der Auswirkungen der Pandemie – in allen Bereichen voran und macht auch nicht vor den Kapitalmärkten halt. Nach deutschem Recht ist bei der Emission von Wertpapieren jedoch immer noch Voraussetzung, dass sie mittels Papierurkunde entstehen und durch Übergabe übertragen werden. Dabei wirken hierfür in der Praxis schon lange Depotbanken als Dienstleister mit und wickeln Kapitalmarkttransaktionen mithilfe von Depotbuchungen ab. Neue technologische Entwicklungen wie zum Beispiel DLT haben das Potenzial, diese Abläufe grundlegend zu verändern und noch effizienter zu machen.

Die längst fällige Einführung elektronischer Wertpapiere nimmt durch den neuen gesetzlichen Rahmen für elektronische Wertpapiere erste konkrete Gestalt an. Dabei wird sogar die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen durch Anwendung der DLT möglich gemacht. Auch auf EU-Ebene soll der operative Betrieb von bestimmten Kapitalmarktinfrastrukturen auf Basis der DLT getestet und später der regulatorische Rahmen angepasst werden. Allerdings beschränkt sich die Öffnung national zunächst nur auf Inhaberschuldverschreibungen.

Damit Deutschland international mithalten kann, müssen auch weitere Wertpapiergattungen wie Aktien in elektronischer Form möglich sein. Auch Fondsanteilsscheine sollten mittels DLT registriert werden können. Wenn die Registerführung für Banken geöffnet würde, wäre das ein weiterer Digitalisierungsschub für den Kapitalmarkt. Und das, ohne beim Anlegerschutz Abstriche machen zu müssen.

Auf EU-Ebene sollte sich die neue Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Möglichkeiten zum Wertpapierhandel breit getestet werden und bei der Handelsabwicklung auch Banken einbezogen werden. Eine Einengung auf den multilateralen Handel würde das Innovationspotential nicht ausreichend berücksichtigen. Auch der bilaterale Handel sowie neue Wege der Handelsabwicklung müssen daher einbezogen werden.

4. Steuerpolitik

4.1 Wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung herstellen

Für mehr Rückenwind bei der Erholung von einer der schwersten Wirtschaftskrisen seit Bestehen der Bundesrepublik braucht Deutschland endlich eine Unternehmensteuerreform, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu bleiben. Dazu sollte die Steuerbelastung der Unternehmen auf insgesamt nicht mehr als 25 Prozent (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) abgesenkt werden. Ferner sollten die ausufernden gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen eingegrenzt werden. Auch sollten EU-rechtliche Vorgaben eins zu eins umgesetzt werden. Dabei gilt es „Goldplating“ zu vermeiden.

Die letzte große Unternehmensteuerreform liegt mehr als zehn Jahre zurück. Unternehmen und Banken befinden sich zunehmend im globalen Standortwettbewerb. Länder wie z. B. die USA, aber auch viele europäische Staaten haben ihre Unternehmenssteuern reformiert und ihre Standorte steuerlich attraktiver gemacht oder werden diesbezügliche Anpassungen demnächst vornehmen. Deutschland hinkt hinterher. Die Ertragsteuerbelastung der Unternehmen in Deutschland ist demgegenüber gestiegen. Deutschland gilt damit im europäischen und weltweiten Vergleich als Hochsteuerland. Attraktive Rahmenbedingungen hingegen sind eine wichtige Grundvoraussetzung für Investitionen.

Neue Belastungen von Unternehmen (und Bürgerinnen und Bürgern) durch Einführung neuer Steuern (Finanztransaktionsteuer, Digitalsteuer, Vermögensteuer) müssen unterbleiben. Dies wäre ein falsches Signal für die Post-Pandemie-Zeit: Unternehmen und ihre Finanzkraft müssen gestärkt und nicht durch zusätzliche Steuern geschwächt werden.

4.2 Niedrigzins im Steuerrecht berücksichtigen

Die anhaltende Niedrigzinsphase entlastet die öffentlichen Haushalte seit 2007 um ca. 436 Mrd. € und führt aufgrund fehlender Anpassungen im Steuerrecht zu steuersystematisch nicht gerechtfertigten Belastungen für die Unternehmen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der in der Abgabenordnung geregelten Zinssätze für Steuernachzahlungen als auch für die bei der steuerlichen Gewinnermittlung nach dem Einkommensteuergesetz zu berücksichtigenden Sätze für vorgeschriebene Abzinsungen. Diese Zinssätze blieben seit Jahrzehnten unangepasst bei 5,5 bzw. 6 Prozent.

Vor diesem Hintergrund sollten die in der Abgabenordnung geregelten Zinssätze für Steuernachzahlungen (und -erstattungen) endlich abgesenkt werden. Gleiches gilt für die in §§ 6 und 6a des Einkommensteuergesetzes festgelegten Abzinsungssätze. Letztere sollten an die handelsrechtlichen Bestimmungen angepasst werden. Dies wäre zudem ein wesentlicher Beitrag, um die Steuerbürokratie einzudämmen.

4.3 Abgeltungssteuer erhalten, steuerliche Anreize für mehr Aktienkultur schaffen

Die Abgeltungsteuer ist etabliert und funktioniert. Das vor gut zehn Jahren unter sehr hohem Aufwand implementierte System hat sich bewährt und muss erhalten bleiben. Die Abgeltungsteuer entlastet Bürgerinnen und Bürger einerseits und die Finanzverwaltung andererseits. Durch die grundsätzlich abgeltende Besteuerung im Steuerabzugsverfahren auf Ebene der Kreditinstitute entfallen für viele Anlegerinnen und Anleger aufwendige Steuererklärungspflichten. Ein Systemwechsel würde erheblichen Umstellungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger, Finanzverwaltung und Kreditwirtschaft bedeuten.

Der Steuersatz von 25 Prozent ist sachlich begründet. Es gibt keine Gerechtigkeitslücke beispielsweise gegenüber der Besteuerung von Arbeitseinkommen. Bei Dividenden und Aktienveräußerungsgewinnen ergibt sich (wegen der Vorbelastung mit Körperschaft- und Gewerbesteuer auf Unternehmensebene) sogar eine Gesamtbelastung von 47,5 Prozent. Bei Zinsen ist eine Gerechtigkeitslücke schon angesichts der andauernden Niedrig- und Negativzinsphase nicht erkennbar. Derzeitige Zinserträge gleichen noch nicht einmal die Inflationsrate aus.

Eine (auch nur teilweise) Abschaffung der Abgeltungsteuer hätte zur Folge, dass dann ein vollständiger Werbungskostenabzug (einschließlich der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Negativzinsen) zugelassen und die bis 2008 geltenden Regeln für die Besteuerung von Gewinnen aus Veräußerungs- und Termingeschäften wieder eingeführt werden müssten. Auch der inzwischen praktizierte internationale automatische Informationsaustausch ist kein Grund, um die Abgeltungsteuer abzuschaffen. Vielmehr ergänzen sich eine effizientere Erfassung ausländischer Kapitalanlagen und eine einfache und gleichmäßige Besteuerung durch eine nationale Abgeltungsteuer.

Zwar hat das Jahr 2020 einen Schub bei der Aktienanlage durch Private gebracht – dennoch muss die Aktienkultur weiter gestärkt werden. Das geht nur mit flankierenden steuerlichen Maßnahmen. Der seit seiner Einführung 2009 unveränderte Sparer-Pauschbetrag, der laufende Erträge, Veräußerungsgewinne und Gewinne aus Termingeschäften erfasst, sollte großzügig angehoben werden. Veräußerungsgewinne aus langfristig zur Altersvorsorge oder als Rücklage für Investitionen gehaltenen Aktien sollten nach einer längeren Haltedauer gar nicht besteuert werden, Dividenden nur mit einem reduzierten Steuersatz – z. B. 15 Prozent.

4.4 Keine neuen steuerlichen Belastungen einführen

Die Einführung einer FTT würde zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten und zu Verlagerungen an andere Finanzplätze oder in andere Finanzprodukte führen. Europa und speziell Deutschland würde im globalen Wettbewerb der Finanzmärkte zurückfallen. Das Vorhaben sollte endlich aufgegeben werden. Die aktuellen Diskussionen, die FTT auf Aktien zu beschränken, ist vor dem Hintergrund der Notwendigkeit zur privaten Altersvorsorge noch unverständlicher.

Eine Digitalsteuer in der nunmehr diskutierten Form würde nicht nur die so genannten BigTechs erfassen, sondern auch andere Unternehmen, die digitale Dienstleistungen anbieten. Daneben entspräche die Steuer nicht den geltenden Prinzipien, um international tätige Unternehmen zu besteuern. Vielmehr würde sie als zusätzliche Steuer zu weiteren Belastungen der Unternehmen führen.

Regelungen zur Besteuerung digitaler Dienstleistungen, wie sie derzeit auf OECD-Ebene erarbeitet werden, können möglicherweise eine Lösung sein. Denn gemeinsame, möglichst weltweit einheitliche steuerliche Rahmenbedingungen führen zu geringeren Steuerbefolgungskosten für alle. Um zu gewährleisten, dass Einnahmen aus digitalen Geschäftsmodellen, bei denen keine physische Präsenz mehr gegeben ist, gerecht besteuert werden, ist ein grundlegendes Umdenken erforderlich: So müssen die in internationalen Steuerabkommen eingebetteten Grundsätze der internationalen Besteuerung neu gestaltet werden. Ansonsten droht die Gefahr einer doppelten Besteuerung. Von diesen neuen Regelungen sollte zudem der Finanzsektor ausgenommen werden, um das deutsche Steueraufkommen zu sichern, wie dies vom Ifo-Institut vorgeschlagen wird.

Eine Vermögensteuer oder Vermögensabgabe ist investitionsfeindlich. Sie gefährdet wegen der damit verbundenen wachstumshemmenden Wirkungen Arbeitsplätze – bereits bestehende und neu zu schaffende. Diese schädlichen Konsequenzen ergeben sich nicht nur im Hinblick auf eine Vermögensbesteuerung von Personenunternehmen, sondern auch für  Kapitalgesellschaften. Eine Vermögensteuer würde zusammen mit den bereits ohnehin hohen Ertragsteuersätzen auf Ebene der Unternehmen und der Unternehmerinnen und Unternehmer eine noch größere Steuerbelastung auslösen und dadurch auch die Innovationsfähigkeit der deutschen Unternehmen langanhaltend schädigen.

4.5 Umsatzbesteuerung reformieren

Die umsatzsteuerliche Organschaft muss durch Einführung eines Antragsverfahrens rechtssicher ausgestaltet werden. Ein solches Antragsverfahren beseitigt Rechtsunsicherheiten für Unternehmen und schafft Transparenz für Unternehmen und die Finanzverwaltung, Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft würden dadurch beseitigt. Auch die Mehrwertsteuer-Expertengruppe der Europäischen Kommission empfiehlt die Einführung eines solchen Bestätigungsverfahrens zur Schaffung von Rechtssicherheit für Unternehmen und Finanzverwaltung.

Die neue Bundesregierung sollte die Europäische Kommission dabei unterstützen, die Vorschriften über die mehrwertsteuerliche Behandlung von Finanzdienstleistungen zu reformieren. Die geltenden Vorschriften der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie stammen aus dem Jahr 1977, sind seither nicht geändert worden und werden von den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt. Die Reform ist notwendig, um einheitliche Rahmenbedingungen für die in Europa tätigen Kreditinstitute zu schaffen und um die Neutralität der Umsatzsteuer im Bereich der Kreditinstitute herzustellen, für die die Umsatzsteuer auf Grund der mit den in diesem Bereich existierenden weitgehenden Steuerbefreiungen einhergehenden Einschränkungen beim Vorsteuerabzug einen Kostenfaktor darstellt („versteckte Umsatzsteuer“). 

5. Nachhaltigkeit

5.1 Verbindliche und klare Transformationspfade zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem schaffen

Die Ziele des EU Green-Deals und der Bundesregierung zum Klimaschutz sind ambitioniert, aber richtig. Der Finanzsektor hat eine Schlüsselrolle, um den Umbau zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem zu finanzieren. Banken entwickeln Produkte und Dienstleitungen für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Sie sind wichtige Partner für die deutsche Wirtschaft.

Um ihre Kundinnen und Kunden noch besser bei der Transformation begleiten zu können, brauchen Banken Planungssicherheit. Zum einen braucht es eine klare und stabile Definition von Nachhaltigkeit und zum anderen auch praxisgerechte Vorgaben. Deutschland hat mit der Nachhaltigkeitsstrategie und den Ambitionen, führender Sustainable Finance Standort in Europa zu werden, bereits einige Erfolge zu verzeichnen bzw. Wegmarken gesteckt. Es besteht jedoch weiterhin Handlungsbedarf für Bundesregierung und Bundestag. 

Deutschland ist in Europa ein wichtiger Akteur im Klimaschutz. Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung sieht vor, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Basisjahr 1990 schrittweise zu mindern, bis zum Zieljahr 2030 um mindestens 55 Prozent. Das Brennstoffemissionshandelsgesetz enthält die Grundlagen für den Handel mit Emissionszertifikaten und sorgt damit für eine Bepreisung der Brennstoffemissionen, soweit sie nicht vom EU-ETS erfasst sind. Dieser grundsätzlich richtige Ansatz zur CO2-Reduktion muss jedoch mittelfristig auf die europäische Ebene gehoben und hier in ein vom EU-ETS getrenntes EU-weites europäisches Handelssystem für Verkehr und Wärme eingebunden werden.

Zur Planungssicherheit bedarf es klarer wissenschaftsbasierter Transformationspfade, eines angemessenen CO2-Preises, der einen wirksamen Lenkungsmechanismus in Kraft setzt, sowie der langfristigen Einbeziehung bisher noch nicht in das EU-ETS-System eingebundener Sektoren, ggf. zunächst über ein separates System.

5.2 Mit Nachhaltigkeitsrisiken angemessen umgehen

Zum Umgang mit so genannten ESG-Risiken haben sowohl BaFin als auch die EZB Leitfäden veröffentlicht und damit wichtige Impulse gesetzt. Die EBA setzt 2021 ihre Arbeiten in diesem Themengebiet fort, die sicher auch Einfluss auf die kommende Überarbeitung der CRD und die bestehenden Regelwerke der EBA haben werden.

ESG-Risiken können für viele Banken einen wesentlichen Risikotreiber darstellen. Die Integration von ESG-Risiken in das bestehende Risikomanagement ist jedoch alles andere als trivial. Herausfordernd sind zum Beispiel bei Klimarisiken der lange Zeithorizont und das hohe Maß an Unsicherheit bezüglich des Zeitpunktes und des konkreten Ausmaßes dieser Risiken. Allzu schnell ist die Forderung nach höheren Kapitalanforderungen in der internen Risikosteuerung als auch im SREP erhoben. Der Ruf nach mehr Kapital ist hier jedoch keine gute Lösung. Vielmehr sollte eine qualitative Betrachtung im Fokus stehen, die beispielsweise für die strategisch Ausrichtung eines Institutes einen wertvollen Beitrag leisten kann.

Die neue Bundesregierung sollte sich sowohl auf EU-Ebene als auch gegenüber den relevanten Aufsichtsbehörden dafür einsetzen, dass die Regeln zur Behandlung von ESG-Risiken angemessen und proportional ausgestaltet werden.

5.3 Anreize für nachhaltige Finanzierungen durch Eigenkapitalerleichterungen schaffen

Die ambitionierten Ziele der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 treibhausgasneutral zu sein, erfordern hohe Investitionen und entsprechend umfangreiche Finanzierungen. Notwendig sind in diesem Zusammenhang geeignete Anreize sowohl in der Realwirtschaft als auch im Finanzsektor, um schnell mehr Kapital in die Transformation der Wirtschaft zu lenken. Deshalb bedarf es eines starken politischen Signales für die Stärkung von Anreizen für die Finanzierung nachhaltiger Investitionen und eines nachhaltigen Konsums.

Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die Regeln zur Eigenkapitalausstattung in der CRR nachhaltige Finanzierungen privilegieren. Finanzierungen, die bestimmten Nachhaltigkeitskriterien wie z. B. der EU-Taxonomie entsprechen, sollten im Kreditrisikostandardansatz pauschal niedrigeren Kapitalanforderungen unterliegen.

Niedrigere Eigenkapitalanforderungen erzeugen niedrigere Eigenkapitalkosten. Da diese ein Bestandteil der Kreditkosten sind, erhöht sich so die Profitabilität von nachhaltigen Investitionen. Die Anreize lenken damit den Fokus einer Bank auf nachhaltige Finanzierungen, da eine höhere Marge diese Kredite im Wettbewerb um Kapital attraktiver macht. Sie helfen, die massiven Auswirkungen durch Basel IV zu reduzieren und somit Kapital, das für nachhaltigen Umbau der Wirtschaft dringend gebraucht wird, nicht unnötig zu binden. Vielmehr wird es frei, um unter anderem den Green Deal umsetzen zu können.

Aufsichtsbehörden weltweit erachten Nachhaltigkeitsrisiken mittlerweile als einen potenziell bedeutenden Risikotreiber in den verschiedenen Risikoarten der Banken. Demensprechend treiben sie den Prozess voran, um Nachhaltigkeitsrisiken wirksam im Risikomanagement zu berücksichtigen. Da nachhaltige Finanzierungen grundsätzlich geringere Nachhaltigkeitsrisiken aufweisen dürften, scheint eine Vorzugsbehandlung auch aus Risikosicht hier gerechtfertigt.

5.4 Level-Playing-Field in der EU gewährleisten

Die EU bringt das Thema Sustainable Finance im globalen Vergleich maßgeblich voran. Aktuell gibt es in diesem Bereich eine Vielzahl von Initiativen auf EU-Ebene: Gesetzgeber, Regulatoren, Standardsetzer, Fachgruppen, Wirtschaftsprüfende und viele weitere wichtige Stakeholder bringen sich in den Dialog um ein nachhaltiges Finanzwesen ein.

Die EU ist insgesamt auf einem guten und ambitionierten Weg. Die Bundesregierung muss sich noch stärker dafür einsetzen, die Regulierungen besser aufeinander abzustimmen. Vorgaben müssen klar, verlässlich und angemessen ausgestaltet sein. Sie sollten in Einklang mit nationalen Gesetzen stehen bzw. die unterschiedlichen nationalen Systeme berücksichtigen.

Dazu gehören z. B. die Systematiken der Energieausweise in verschiedenen europäischen Ländern innerhalb der EU-Taxonomie. Die Regulierung sollte hinreichend Spielräume lassen, den Raum für gute Lösungen zu entwickeln und umsetzen. 

Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die einzelnen Maßnahmen im Sustainable Finance-Aktionsplan bzw. in der Sustainable Finance-Strategie konsistent ausgestaltet werden, dass der gemeinsame Klassifikationsrahmen für nachhaltige ökologische wirtschaftliche Aktivitäten (Taxonomie) weiterentwickelt wird, und dass mit Blick auf die zahlreichen regulatorischen Maßnahmen auf EU-Ebene auch zukünftig am Grundsatz der Eins-zu-eins-Umsetzung von europäischem Recht in der nationalen Gesetzgebung festgehalten wird.

5.5 Datenqualität zur Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten verbessern

Banken sind bei der Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten auf verlässliche und aussagekräftige Daten aus der Realwirtschaft – vor allem aus CO2-intensiven Branchen – angewiesen. Nur so können sie zum Beispiel den Beitrag von Krediten zur Reduktion von CO2-Emissionen, aber auch die Risiken dieser Kredite richtig einschätzen. Die dafür benötigten Daten liegen jedoch oft noch nicht oder nicht in ausreichender Qualität vor.

Für die Transformation in eine nachhaltige und klimaneutrale Wirtschaft ist eine verbesserte Datenlage unabdingbar. Der Aufbau zentraler Datenregister mit nachhaltigkeitsrelevanten Daten muss deshalb mit Unterstützung der Bundesregierung vorangetrieben und entsprechende Vorhaben auf europäischer Ebene unterstützt werden. Insbesondere Daten zur Energieeffizienz (Energieausweise) und zu physischen Risiken (Überschwemmungs-, Dürregebiete etc.) sollten zentral in einem Register gesammelt und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Aus Wettbewerbsgründen ist ein zentrales Datenregister auf EU-Ebene gegenüber nationalen Lösungen vorzugswürdig. Die Pflicht zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten sollte auf einen größeren Kreis von Unternehmen ausgedehnt werden. Proportionalität und die Vermeidung übermäßiger administrativer Lasten sollten dabei leitende Grundsätze sein.

5.6 Austausch und Dialog mit der Finanzwirtschaft stärken

Die Finanzwirtschaft unterstützt das Engagement Deutschlands, die Sustainable Finance Agenda voranzubringen. Banken bringen sich bereits jetzt in vielfältiger Weise in aktuelle Gremien und Diskussionen ein und verdeutlichen zum einen, welchen Hebel sie in der Hand haben, um die wirtschaftliche Transformation zu unterstützen.

Die Bundesregierung soll eine nationale Plattform zu Austausch über das Thema Sustainable Finance schaffen. Hier soll ein intensiver Dialog zu den internen Möglichkeiten und Herausforderungen der Umsetzung stattfinden, vor denen die Institute stehen. Verschiedene Initiativen sind z. T. nicht aufeinander abgestimmt und berücksichtigen nicht in ausreichendem Maße den Blick von Praktikerinnen und Praktikern, die die konkrete Umsetzung in den Häusern zu verantworten haben. Damit die durch den Gesetzgeber intendierte Wirkung praktisch erreicht werden kann, muss der Austausch vertieft werden: zur Anschlussfähigkeit konkreter Regulierungsvorschläge an bestehende Prozesse etwa in der Datenerfassung, Kreditvergabe, Beratung der Kundschaft oder im Bereich IT. Der Finanzsektor und die kreditgebenden Verbände müssen hier eine stärkere Stimme erhalten.

6. Digitalisierung und Zahlungsverkehr

6.1 Innovationsfähigkeit im Banken- und Finanzmarkt stärken

Die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen während der Pandemie war auch deswegen unproblematisch, weil die Digitalisierung des Bankgeschäfts bereits weit vorangeschritten war. Die Pandemie hat die Digitalisierungsdynamik noch einmal erhöht. Die Nachfrage in Bankfilialen hat über alle Kundengruppen hinweg noch einmal drastisch abgenommen. Im Zahlungsverkehr setzen Kundinnen und Kunden inzwischen wesentlich häufiger Karten oder mobile Bezahlverfahren ein, als dies bislang der Fall war. Gleichzeitig werden Zahlungen weit öfter als bisher direkt in den Systemen von Online-Händlern generiert. Im Bereich des Wertpapiergeschäfts boomen Angebote sog. Neobroker. Daneben verzeichnen auch die Anbieter digitaler Identifizierungslösungen höhere Nutzungszahlen ihrer Services. Ebenso ist ein wahrer Boom bei etablierten und neuen Online Brokern zu verzeichnen.

Insgesamt profitieren seit der Pandemie verstärkt all jene Anbieter, die bereits über attraktive digitale Angebote verfügen. Sie konnten die Zufriedenheit ihrer bisherigen Kundschaft weiter steigern und neue Kundschaft hinzugewinnen. Die digitale Transformation und die signifikante Anpassung von Geschäftsmodellen an (digitale) Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden werden für die Banken ein zunehmend großer Wettbewerbsfaktor. 

Die Zusammenarbeit mit FinTechs wirkt dabei als Katalysator. Durch ihre schlanke Organisation, ihr agiles Methoden-Setup und ihr innovativ-digitales Mindset können FinTechs technologische Lösungen häufig schnell und pragmatisch entwickeln und den Banken zur Verfügung stellen. Dies können auch Angebotserweiterungen um innovative Services sein, die nicht dem primären Bankgeschäft entsprechen, aber den exklusiven Zugang von Kundinnen und Kunden der Bank so sicherstellen. Jedoch besteht eine große Herausforderung für die erfolgreiche Kooperation zwischen Banken und FinTechs in den hohen Anforderungen, welche bereits bei Beginn der Kooperation aufgrund aufsichtsrechtlicher Hürden von der Bank an das FinTech gestellt werden und ein junges Start-Up damit oftmals überfordern. Die neue Bundesregierung sollte die erfolgreiche Arbeit im und mit dem FinTech-Rat fortführen und ausbauen.

Die Zusammenarbeit zwischen Banken und FinTechs insgesamt beschleunigt die digitale Transformation im Finanzsektor, macht diesen damit wettbewerbsfähiger und ist für die Kundschaft effizienz- und nutzensteigernd. Aber auch in Themenfeldern wie Datennutzung, Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder Operationalisierung von Cloud-Kooperationen stehen Finanzdienstleister im Vergleich zu anderen Industrien vor größeren Herausforderungen, was zu deutlich geringerer Wettbewerbsfähigkeit – insbesondere gegenüber den BigTechs – führt.

6.2 Neues Wettbewerbsrecht schaffen

Notwendig sind faire, wettbewerbsfähige und wettbewerbsintensive Märkte. Denn Wettbewerb fördert Innovationen und kommt so den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugute. Wettbewerb steigert die Innovationsfreude der Unternehmen. Ein funktionierender Wettbewerb verhindert gleichzeitig, dass zu starke gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Machtpositionen entstehen. Von einem wettbewerblich organisierten Markt profitieren insbesondere die Verbraucherinnen und Verbraucher, weil sie sich aus einer breiten und transparenten Angebotspalette diejenigen Güter und Leistungen auswählen können, die am ehesten ihren Vorstellungen hinsichtlich Qualität und Preis entsprechen.

Gesetzliche Wettbewerbsinstrumente müssen im Anwendungsbereich klar begrenzt sein und dürfen nur angewendet werden, wenn zuvor ein Verstoß gegen Wettbewerbsregeln festgestellt wurde. Allein der Umstand, dass ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich und groß ist, darf kein hinreichender Grund sein, um hier als Wettbewerbsbehörde einzugreifen. Staatliche Interventionen dürfen nicht auf eine bestimmte Vorstellung von Marktstruktur abgestellt werden, weil hierfür (unsichere) Prognosen für eine künftige Marktentwicklung notwendig sind, sondern auf Marktmacht bzw. Marktbeherrschung und deren Missbrauch. In Deutschland hat die 10. GWB-Novelle auf diesem Feld bereits wichtige Änderungen herbeigeführt.

Der Vorschlag der EU-Kommission für einen Digital Markets Act soll als Binnenmarktinstrument Lücken geltender Vorschriften im europäischen Wettbewerbsrecht schließen, die bei der Anwendung und Durchsetzung der europäischen Wettbewerbsvorschriften gegenüber sehr großen Online-Plattformen („Gatekeepern“) sichtbar geworden sind. So sollen Durchsetzungsmaßnahmen
zum Erhalt wettbewerbsfähiger Märkte ermöglicht werden. Die klare Begrenzung des Anwendungsbereichs dieser Regeln auf sehr große Online-Plattformen mit fest definierten quantitativen Schwellenwerten ist ein richtiger Ansatz.

6.3 Datenökonomie durch Schaffung eines branchenübergreifenden Datenrahmens fördern

Daten sind Kern der Wertschöpfung in der digitalen Wirtschaft und strategischer Produktions- und Wettbewerbsfaktor; sie tragen maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und Volkswirtschaften bei. Eine europäische Datenökonomie bietet die Chance, durch datengetriebene Innovationen die Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidend zu stärken. Zugang zu Daten und ihre Wiederverwendungsmöglichkeit sind dabei entscheidende Erfolgsfaktoren und tragen zur digitalen Souveränität Europas bei.

Die Bundesregierung soll sich dafür einsetzten, dass die Rahmenbedingungen einer Datenökonomie allen Marktteilnehmenden gleiche Chancen ermöglichen, das Teilen von Daten unter fairen Bedingungen gefördert wird und zugleich der Schutz von persönlichen Daten und Geschäftsgeheimnissen gewahrt bleibt. Dazu bedarf es eines europäischen Rechtsrahmens, der einen Datenaustausch über verschiedene Unternehmen und Industrien hinweg ermöglicht.

Hinsichtlich personenbezogener Daten sollten Unternehmen aller Branchen dazu verpflichtet werden, die von einer Person bereitgestellten Daten in Echtzeit via Standard-Mechanismen dann zu teilen, wenn diese es wünscht. Hiermit könnte bestehendes Recht zur Datenportabilität nach der DSGVO operationalisiert werden und zu neuen Services und Kundenmehrwerten führen. Zudem müssen Datenkooperationen zum Austausch nicht-personenbezogener Daten erleichtert werden, unter anderem durch Schaffung von mehr Rechtsklarheit (z. B. hinsichtlich der Anonymisierung). Solche Kooperationen, beispielsweise in Form des Datenpooling, sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um aus der Analyse verschiedenster Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen und die Potenziale von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen für die Forschung und die Wirtschaft in Europa zu erschließen.

Ferner sollte der Zugang zu Daten des öffentlichen Sektors konsequent vorangetrieben werden. Hierbei wäre neben der Etablierung von standardisierten elektronischen Zugangsmöglichkeiten die Konsolidierung der Zugangspunkte im öffentlichen Sektor wünschenswert, um Transaktionskosten zu reduzieren und die Daten einer möglichst breiten Nutzung zuzuführen.

Die von der EU-Kommission im Rahmen der Daten-Governance-Verordnung vorgeschlagenen Instrumente zur Förderung der Datenverfügbarkeit und -nutzung – insbesondere durch Erhöhung des Vertrauens in Datenintermediäre über einen gesetzlichen Anmelde- und Aufsichtsrahmen – können zusätzliche Impulse geben.

6.4 Digitalen Identitäten zum Durchbruch verhelfen

Digitale Identitäten sind aus dem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken: Neun von zehn Deutschen nutzen das Internet, rund 80 Prozent kaufen online ein, zwei Drittel erledigen ihre Bankgeschäfte per Online-Banking. Mit diesen Gewohnheiten einher geht die Nutzung digitaler Identitätsdaten einschließlich persönlicher Log-Ins. In Deutschland fehlt es bisher an verfügbaren und in der Breite akzeptierten Lösungen, mit denen sich Personen mit ihrer digitalen Identität überall (d. h. auch branchenübergreifend) und auf vollständig digitalem Wege gegenüber Geschäftspartnern ausweisen können. Obwohl inzwischen nahezu alle deutschen Personalausweise und elektronischen Aufenthaltstitel mit einem elektronischen Identitätsnachweis ausgestattet sind, findet diese Online-Ausweisfunktion bislang kaum Anwendung.

Umso wichtiger ist es, ein anbieter- und branchenübergreifendes Ökosystem für die Nutzung und Verwaltung von digitalen Identitäten zu schaffen, wie es aktuell von der Bundesregierung anstrebt wird. Ziel einer solchen nationalen Initiative muss es sein, sich im Weiteren auch für einen einheitlichen europäischen Rahmen und interoperable Identitätslösungen einzusetzen.
Der Erfolg eines solchen Ökosystems hängt maßgeblich auch von der Bereitstellung von Identitätsdaten ab, die durch eine Partei (z.B. durch eine Bank) bestätigt wurden und auf die sich andere Geschäftspartner verlassen können. Hierzu sind folgende Maßnahmen zur Anpassung des bestehenden Rechtsrahmens notwendig: Zum einen ist die generelle Gleichwertigkeit der Anforderungen an Identifizierungsprozesse in den sektorspezifischen Regelungen (u. a. im Bereich der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, im Telekommunikationsbereich, im öffentlichen Sektor, bei Vertrauensdiensten) herzustellen. Sofern diese Regelungen auf einer europäischen Rechtsgrundlage basieren, ist eine Vollharmonisierung im Wege einer europäischen Verordnung erforderlich. Am wirksamsten ließe sich eine Vollharmonisierung durch einen einzigen sektorübergreifenden europäischen Rechtsrahmen erreichen, auf den sich sektorspezifische Regelungen stützen. Hierdurch wäre auch gewährleistet, dass
der Umfang der vom Identifizierungspflichtigen erhobenen Daten im Sinne einer Wiederverwendung EU-weit identisch ist.

Der Gesetzgeber muss letztlich Rahmenbedingungen schaffen, die Rechtssicherheit im Verhältnis zwischen Identitätsempfangenden (Verifier) und Identitätsausstellenden (Issuer) ermöglichen. Hierbei müssen auch haftungsrechtliche Fragen, wie zum Beispiel Haftungsgrenzen, mitgedacht werden, um einen fairen Interessenausgleich sicherzustellen und eine Anreizwirkung zu erzielen.

6.5 Rechtlichen Rahmen digitalisieren

Die Grundsätze des bürgerlichen Rechts und weitere zivilrechtliche Gesetze sind zumeist flexibel genug, um die im digitalen Umfeld auftretenden Rechtsfragen sachgerecht zu beantworten. Es muss nicht grundlegend in ein „digitales Gesetzbuch“ überführt werden. Wo erforderlich kann – bzw. muss im Einzelfall – punktuell nachgesteuert werden.

So basiert das deutsche Zivilrecht in vielen Fällen noch auf der Idee vom Vertragsabschluss auf Papier mit händischen Unterschriften. Dies steht den gewachsenen Wünschen der Kundinnen und Kunden, Finanzgeschäfte vollständig zeitsparend und sicher digital zu tätigen, entgegen, behindert digitale Geschäftsmodelle in der Bankenbranche und schränkt den Wettbewerb ein. Nutzerfreundliche digitale Lösungen müssen ermöglicht werden. Dieses große Hemmnis muss die neue Bundesregierung endlich beseitigen: Daher sollte bei Verbraucherdarlehensverträgen, wie bei anderen Verträgen auch, die Textform genügen, um so den berechtigten Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher umfassend Rechnung zu tragen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden durch die Textform nicht schlechter gestellt werden. Kundinnen und Kunden hätten aufgrund des bestehenden gesetzlichen Widerrufsrechts weiterhin die Möglichkeit, übereilt getroffene Entscheidungen rückgängig zu machen. Die Warnfunktion könnte auch digital abgebildet werden (z. B. Pen-Pad-Verfahren für Filialkundinnen und -kunden oder Button-Lösung für digitale Kundinnen und Kunden).

Ferner sollte der gegenwärtige Ansatz für die Information von Kundinnen und Kunden geändert werden. Nicht zuletzt die Praxis bei der Umsetzung von Datenschutzvorgaben hat deutlich gemacht, dass umfangreiche und/oder formalistisch anmutende Informationen (z. B. bei der Einwilligung zur Verwendung von Cookies) vom Verbraucher oft ohne vollständige Kenntnisnahme vom Inhalt „weggeclickt“ werden. Hier müssen Bundesregierung und Bundestag zu praktikablen und wirksamen Lösungen kommen und einen nachhaltigen und umweltfreundlichen Kundeninformationsprozess unter Berücksichtigung der zunehmenden Digitalisierung einführen. Auf Stufe 1 könnte eine Kurzinformation „Push“ durch den Anbieter, auf Stufe 2 eine Vollinformation „Pull“, d. h. Abruf durch die Kundschaft, eingeführt werden. Die Nutzung der Chancen der Digitalisierung durch Unternehmen und Verbraucher gebietet zudem die Förderung elektronischer Informationen, die die Verbraucherrechte (z. B. den Übereilungsschutz) ganz genauso gewährleisten können wie „papierhafte“ Dokumentationen.

6.6 Cybersicherheit erhöhen und europäische Aufsicht stärken

In den letzten Jahren hat sich die Gefahr von Cybervorfällen verschärft. Dies liegt insbesondere an den technologischen Entwicklungen und der stärkeren Vernetzung der Unternehmen, aber auch an der zunehmenden Professionalisierung der Cyberkriminellen und Angreifenden. Nicht umsonst werden Cyberangriffe heute als das größte operationelle Risiko im Finanzsektor angesehen. Dementsprechend ist es unbedingt erforderlich, den eingeschlagenen Weg zur stetigen Verbesserung der Cyber-Widerstandsfähigkeit Deutschlands konsequent weiter zu verfolgen.

Hierfür sind IT-Experten gefragter als jemals zuvor. Ihre Aus- und Fortbildung bzw. Verfügbarkeit auf dem Markt ist heutzutage eine der wesentlichen Herausforderungen. Aktuell fehlen knapp 170.000 Fachkräfte allein für Europa – Schätzungen liegen bei 350.000 für das Jahr 2022. Das wirkt sich negativ auf das Sicherheitsniveau der Unternehmen aus. Doch bei der – sich aktuell deutlich beschleunigenden – Digitalisierung darf die IT- und Informationssicherheit nicht zu kurz kommen. Daher ist es unerlässlich, in die Ausbildung von IT-Fachkräften zu investieren.

Darüber hinaus ist die unternehmens- und sektorübergreifende Vernetzung der Cybersicherheitsverantwortlichen essenziell. Die Verflechtung der staatlichen und privatwirtschaftlichen Sicherheitsereignis- und Reaktionsteams in den Unternehmen mit den (Sicherheits-)Behörden ist eine wesentliche Voraussetzung, um mögliche Großereignisse bewältigen zu können. Ereignisfeststellung, -bewertung und gegebenenfalls die Krisenreaktion sind in der Cybersicherheit eine Gemeinschaftsaufgabe und müssen auch als solche bewältigt werden.

Um sich zukünftig – insbesondere im Hinblick auf die heute im Einsatz befindlichen kryptografischen Sicherheitsverfahren – vor Cyber-Angriffen mithilfe von Quantencomputern schützen zu können, müssen Unternehmen, Sicherheitsindustrie und relevante nationale und supranationale Behörden an einem Strang ziehen und geeignete Lösungskonzepte konzipieren und rechtzeitig umsetzen. Nur dann können die Vorteile und Potenziale der neuen Technologie sinnvoll genutzt, die Sicherheitsrisiken erkannt und diesen effizient entgegengewirkt werden. Die Harmonisierung der verschiedenen europäischen Regulierungsansätze zur Sicherheit der Finanz-IT, die der DORA-Entwurf anstrebt, ist ein notwendiger Schritt zur Verbesserung der Cyber-Widerstandsfähigkeit im Finanzsektor.

Während beispielsweise die angedachte Harmonisierung des Meldewesens zu Sicherheitsvorfällen positiv hervorzuheben ist, ist die Herangehensweise zur Reduzierung von systemischen Risiken zum Teil nicht zielführend und birgt neue Risiken in sich.

Die Idee eines neuen Aufsichtsrahmens für kritische europaweit tätige IT-Dienstleister ist richtig – dieser sollte allerdings mit Erleichterungen bei der Überwachung durch die Finanzinstitute verknüpft werden und die Nutzung dieser Dienstleister sollte nicht durch zu limitierende Vorgaben erschwert werden. Insbesondere dem Einsatz von Cloud-Dienstleistungen drohen derzeit einschränkende Rahmenbedingungen, die den weiteren Digitalisierungsstrategien des Sektors entgegenstehen könnten. Ziel muss es sein, die Sicherheit und gleichzeitig die Effizienz der Verfahren zu verbessern, um durch Flexibilität, Reaktionsfähigkeit und Stabilität die Cyber-Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors weiter zu stärken.

6.7 Ausbau von Cloud-Services unterstützen

Die IT vieler Banken unterliegt seit einigen Jahren einem Paradigmenwechsel. Eine flexible und leistungsfähige IT-Infrastruktur ist essenziell – nicht nur angesichts des immer schnelleren Wandels von Marktbedürfnissen und Nachfrage der Kundschaft, sondern auch um die Wettbewerbsfähigkeit einer Bank zu gewährleisten. Die Nutzung der Cloud-Technologie ist dabei von entscheidender Bedeutung. Sie ermöglicht es, eine sehr flexible und Innovationen unterstützende IT-Infrastruktur zu günstigen Kosten zu betreiben.

Das aktuelle regulatorische Umfeld erlaubt es Banken nur eingeschränkt, die Cloud-Technologie einzusetzen. So ist die heutige Bankenregulierung nicht ausreichend auf eine umfassende Cloud-Nutzung ausgelegt. Die neue Bundesregierung sollte deshalb für eine Anpassung des Bankaufsichtsrechts – am besten auf EU-Ebene – und die Etablierung von Standards eintreten. In Bezug auf Drittstaatendatentransfers gibt es wegen aktueller EuGH-Rechtsprechung besondere datenschutzrechtliche Herausforderungen, die ebenfalls einer politischen Lösung auf EU-Ebene bedürfen.

Aktuell ist eine Konzentration auf einige wenige, sehr große, globale Cloud-Infrastrukturanbieter zu verzeichnen. Um daraus resultierende Abhängigkeiten zu minimieren, sollten industrieübergreifend Standards unterstützt werden, die eine nahtlose Übertragbarkeit von Daten zwischen Cloud-Anbietern sicherstellen. Dies könnte den Markt beleben und den Kreis der Cloud-Anbieter vergrößern. Dieser Aspekt wird ebenfalls von der GAIA-X-Initiative der Bundesregierung aufgegriffen. Allerdings sollten alle mit dem GAIA-X-Label versehenen Dienste für Finanzdienstleister bereits vor Veröffentlichung von den Aufsichtsbehörden als tragfähig bewertet werden. GAIA-X könnte dazu beitragen, dass die Cloud-Regulierung den Anforderungen
der Finanzbranche besser Rechnung trägt.

6.8 Zahlungsverkehr in die digitale Zukunft führen

Der digitale Zahlungsverkehr hat sich zu einem Schlüssel für das Angebot weiterer, oftmals datengetriebener Geschäftsmodelle entwickelt. Die wachsende Abhängigkeit von zumeist US amerikanischen Zahlungsdienstleistern und Technologiekonzernen macht Banken und ihre Kundinnen und Kunden auf diesem strategischen Feld abhängig und auch verwundbar. Eine Stärkung von europäischen Angeboten ist somit geboten. Die Kreditwirtschaft hat hierzu bereits viel erreicht, als Beispiel sei die in wenigen Jahren vorgenommene Entwicklung eines einheitlichen SEPA-Verfahrens für Echtzeitzahlungen (Instant Payments) genannt. Nun gilt es, diese Vorarbeiten in für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen komfortable und insbesondere europaweit einsetzbare Bezahllösungen weiterzuentwickeln.

Die Europäische Kommission hat mit der Retail Payments Strategy einen möglichen Fahrplan für die zukünftige Regulierung der europäischen Zahlungsverkehrsbranche präsentiert. Das Ziel einer Stärkung europäischer Angebote und somit der europäischen Souveränität ist richtig. Eine erneute, wie bei der PSD2 erlebte, einseitige Belastung der Kreditwirtschaft und eine technologische Überregulierung werden dieses politische Ziel aber konterkarieren. Gleiches gilt für die weitere Einschränkung der Preisgestaltungsfreiheit im Zahlungsverkehr. Vielmehr muss es darum gehen, Banken „Größe“ zuzugestehen, zumindest dann, wenn es um Kooperationen geht und darum, mit diesen Kooperationen Skaleneffekte und tragfähige Geschäftsmodelle zur Finanzierung der hohen Investitionen zu generieren. Hier darf das Wettbewerbsrecht nicht zu unnötigen Einschränkungen führen.

Die neue Bundesregierung sollte diesen Prozess auf europäischer Ebene aktiv fördern und gemeinsam mit den weiteren Mitgliedsstaaten und europäischen Institutionen in eine Richtung führen, die für die Marktkooperationen und ihre wirtschaftlichen Erfolgsfaktoren die geeigneten regulatorischen Rahmenbedingungen setzt.

Auch mit Blick auf den nationalen Gestaltungsspielraum bestehen Handlungspotenziale. Wichtige Trends wie der Ausbau von E-Government-Angeboten oder die Verkehrswende mit dem Ziel einer Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs und der Elektromobilität können profitieren, wenn bei ihrer Planung europäische Bezahlverfahren mit einer hohen Verbreitung und Akzeptanz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern mitgedacht werden.

Bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs lassen sich verschiedene Prozessschritte unterscheiden, die von Banken, Zahlungsdienstleistern oder Technologieunternehmen erbracht werden. Nur solche Prozessschritte, die als Zahlungsdienste einzustufen sind, unterliegen der Regulierung durch die PSD2 und damit der Aufsicht. In Folge der zunehmenden Arbeitsteilung werden allerdings einzelne Prozessschritte auf andere Unternehmen ausgelagert. Diese insbesondere technischen Dienstleistungen haben keinen Zugriff auf Kundengelder, fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der PSD2 und werden somit nicht beaufsichtigt. Problematisch hierbei ist unter anderem, dass die technischen Dienstleister Zugriff auf sensible und werthaltige Kunden- und Zahlungsdaten bekommen.

Durch eine Vollharmonisierung der Verwaltungspraxis im Zahlungsrecht per EU-Verordnung (ähnlich CRR) sollen Arbitragemöglichkeiten zwischen Mitgliedstaaten abgebaut werden. Die EBA soll ermächtigt werden, die Umsetzung in nationales Recht überprüfen zu können(Kompetenzerweiterung der europäischen Bankenaufsichtsbehörde). Sinnvoll wäre es zudem, eine einheitliche Zahlungsverkehrsaufsicht entsprechend der Euro-Bankenaufsicht (SSM) z schaffen, also eine europäische Behörde zur direkten Beaufsichtigung systemrelevanter Zahlungsdienstleiste und zur Kontrolle nationaler Aufsichtsbehörden. Die bestehenden Einschränkungen zur Wahl des Unternehmenssitzes (Ort der Hauptverwaltung) sollen in diesem Zusammenhang verschärft werden.

6.9 Programmierbaren Euro sachgerecht einführen

DLT und Smart Contracts werden die Wirtschaftsabläufe in vielen Bereichen nahezu aller Branchen grundlegend verändern. Sie werden ihr Potenzial aber nur dann voll entfalten können, wenn auch Bezahlvorgänge in Smart Contracts eingebunden sind. Viele digitale Prozesse können zwar mit programmierten, automatisch ausgelösten Zahlungen (sog. Triggerlösungen) sinnvoll ergänzt werden. Effizient und völlig ohne Systembruch ist dies aber nur mit programmierbarem Geld z. B. auf einer DLT möglich. Die Verfügbarkeit einer digitalen und programmierbaren Form des Euro wird über die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland und Europa mitentscheiden und damit über die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber Asien und Nordamerika. Zudem besteht die Notwendigkeit, eine Antwort auf Libra/Diem zu finden, damit Unternehmen, aber auch private Haushalte sowie Notenbanken in Europa in Zukunft nicht von einem Zahlungsmittel abhängig sein werden, das von einem einzelnen privaten (Nichtbank-)Unternehmen bereitgestellt wird. Diese Alternative ist vorrangig der programmierbare Euro als Giralgeldtoken der Geschäftsbanken. Er verbindet die Vorteile digitalen Bezahlens mit dem Vertrauen in das bewährte Giralgeldsystem des Bankensektors. Digitales Zentralbankgeld für Nichtbanken (Retail CBDC) kann hierzu ggf. ergänzend weitere Aufgaben übernehmen.

Insgesamt muss digitales programmierbares Geld so in die Geld- und Währungsordnung integriert werden, dass deren Stabilität und Widerstandsfähigkeit nicht gefährdet werden. Hierzu sind die Chancen und Risiken der neuen Geldformen sowie deren rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen bzw. Voraussetzungen genau zu analysieren, idealerweise in einem engen fachlichen Dialog zwischen Zentral- und Geschäftsbanken.

Die neue Bundesregierung sollte ein dreistufiges Vorgehen unterstützen: Zunächst muss das bestehende Zahlungsverkehrssystem in Europa an die Herausforderungen der Digitalisierung angepasst werden, insbesondere durch eine Verbesserung und Optimierung von TIPS und EPI. Dann müssen die Kräfte der deutschen und europäischen Kreditwirtschaft zur Gestaltung und Emission eines Tokens auf Basis des Giralgeldes gebündelt werden. Eine gemeinsame, EU-weite und auf privatrechtlichen Vereinbarungen basierende Lösung ist erforderlich, weil nur so das Problem der Interoperabilität gelöst werden kann. Eine Unterstützung durch einen einheitlichen europäischen Regulierungsrahmen zur Schaffung von Standards – in Analogie zu SEPA/PSDII – sollte diesen Prozess befördern.

Letztlich müssen die Analysen zu Möglichkeiten und Grenzen der Bereitstellung Retail CBDC vorangetrieben werden. Dabei muss die Funktionalität des bestehenden Finanzsystems einschließlich der Rentabilität und Stabilität der Banken gesichert werden. Insbesondere wird es darauf ankommen, dass der Zugang zu CBDC nur über das Bankensystem erfolgen kann, um die Risiken von CBDC – namentlich Disintermediation und Bank Run – zu minimieren. Retail CBDC sollte daher auf keinen Fall als Anlageinstrument, sondern ausschließlich zu Transaktionszwecken nutzbar sein. Über eine Obergrenze ist zu diskutieren.

Zudem sind die Banken zentrale Partner der Europäischen Zentralbank in der Geld- und Währungspolitik. Entsprechend dem im Primärrecht der EU verankerten Vorrang für marktwirtschaftliche Lösungen sollte die supranationale EZB bei einer so tiefgreifenden Veränderung des Geldwesens behutsam vorgehen und nur soweit aktiv werden, wie private Anbieter keine oder nur unzureichende Leistungsangebote auf dem Gebiet digitaler Zahlungssysteme und Geldformen bereitstellen („Subsidiaritätsprinzip“).

Die privaten Banken sind zusammen mit der DK gerade auf diesem Gebiet jederzeit bereit, alle staatlichen Institutionen mit ihrer Expertise bei der Suche nach geeigneten Lösungen zu unterstützen.

7. Private Kunden, Verbraucherschutz und Finanzbildung

7.1 Verbraucherpolitik am Leitbild des selbstbestimmten Verbrauchers ausrichten - auch in der digitalen Welt

Es steht außer Frage, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in unserer sich rasant verändernden digitalen Welt auf einen guten Verbraucherschutz vertrauen können sollten. Ein guter Verbraucherschutz versetzt das Individuum in die Lage, z. B. durch die Bereitstellung von verständlichen Informationen, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen und schützt in den Fällen, wo Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst geschädigt wurden – dies unterscheidet ihn von einem gut gemeinten Verbraucherschutz.

Daraus erwachsen für die zukünftige Bundesregierung mehrere Aufgabenfelder: So beginnt der Weg zur selbstbestimmten Verbraucherin oder Verbraucher bereits im Kindesalter; hier ist die schulische Bildung in der Verantwortung. Die Bundesregierung soll deshalb darauf hinwirken, dass Schülerinnen und Schülern die wichtigsten ökonomischen Grundlagen durch die Schulen vermittelt werden. Dies geschieht idealerweise durch das Angebot eines eigenständigen Schulfachs Wirtschaft. Zudem muss sich die Bundesregierung in Zukunft intensiv dafür einsetzen, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern wieder verständliche Informationen zur Verfügung gestellt werden (können). Heute ist es aufgrund der rechtlichen Vorgaben den Anbietern oft gar nicht möglich, dieser Anforderung gerecht zu werden. Insbesondere bei Datenschutzerklärungen steht aufgrund des hohen Bußgeldrisikos der EU-Datenschutzgrundverordnung heute die rechtliche Absicherung der Anbieter im Vordergrund. Dazu werden den Verbraucherinnen und Verbrauchern meist ausführliche Dokumente mit stark „verrechtlichter“ Sprache zur Verfügung gestellt.

Die Lösung im Finanzdienstleistungsbereich ist ein Transparenzkonzept, das sich stärker an den Bedürfnissen der Verbraucher ausrichtet und für die digitalen Angebote geeignet ist. Es hat zwei Stufen: Zuerst muss die Verständlichkeit der Verbraucherinformation im Vordergrund stehen; ein kurzer, verständlich gefasster Überblick in Gestalt eines „Onepager“. Um die Wahrnehmung bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verstärken, bietet sich hierbei in geeigneten Fällen eine Unterstützung durch Informationssymbole (z. B. Icons) an, wie es auch bereits in der DSGVO angelegt ist. In einem zweiten Schritt werden ihnen auf Wunsch alle detaillierten Informationen vollständig zur Verfügung gestellt. Gerade im digitalen Umfeld ist dieses zweistufige Konzept leicht zu verwirklichen, da die Detailinformationen über den digitalen Kanal schnell mit einem zusätzlichen Tast-Click von den Verbraucherinnen und Verbrauchern abgeholt werden können.

Ein zeitgemäßer Verbraucherschutz muss sich intensiv mit den durch die fortschreitende Digitalisierung hervorgerufen Veränderungen auseinandersetzen. So treffen Verbraucherinnen und Verbraucher Entscheidungen zunehmend in einem digitalen Umfeld. Dies hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Produkt- und Vertragsinformationen vom Anbietenden zur Verfügung gestellt und vom Verbraucher wahrgenommen werden. So erwartet die Kundschaft heute, dass alle erforderlichen Informationen Angebote, vorvertragliche Hinweise, Widerrufsbelehrungen, der Vertragsabschluss durchgängig digital, also medienbruchfrei sind. Damit dies ohne Einschränkungen möglich ist, muss die Bundesregierung die entsprechenden Voraussetzungen schaffen.

Eine Verschärfung der Haftung der BaFin gegenüber Verbrauchern und Anlegern ist abzulehnen. Die BaFin haftet bereits für Fehlverhalten im Wege des Amtshaftungsverfahrens. Ein Ausbau dieser Regeln, z. B. durch die Ausgestaltung der Verbraucherschutzvorschriften als drittschützend, würde die BaFin hohen Haftungsrisiken aussetzen und dadurch womöglich in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken. Auch ist eine Erweiterung der Eingriffsrechte im Anleger- und Verbraucherschutz solange nicht erforderlich, wie der bestehende Rechtsrahmen nicht ausgeschöpft ist.

7.2 Produktvielfalt sichern – keine marktfeindliche Preisregulierung

Im Bereich der Finanzdienstleistungen wird zunehmend von einem marktwirtschaftlich feindlichen Instrument Gebrauch gemacht – der staatlichen Preisregulierung. Dieser systemwidrige Eingriff darf allerdings nur bei einem dauerhaften Marktversagen zum Einsatz kommen. Ein Abweichen von diesen Grundsätzen widerspricht den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Eine solche Situation ist jedoch in Deutschland in keinem einzigen Marktsegment der Finanzdienstleistungen zu beobachten. Vielmehr ist das deutsche Privatkundengeschäft der Banken, und hier insbesondere das Ratenkredit-, Hypothekarkredit-, Dispositionskreditgeschäft, sehr wettbewerbsintensiv und zeichnet sich durch eine hohe Bandbreite unterschiedlicher Produkte und Preise aus. Die neue Bundesregierung ist daher aufgefordert, sich an den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft zu orientieren.

7.3 Kapitalgedeckte Altersvorsorge und private Vermögensbildung stärker fördern

Die bestehenden Instrumente der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge (Riester-Rente) sollten durch Einführung eines Standardproduktes mit einer lebenslangen Rente auf Basis monatlicher Einzahlungen bei einem einheitlichen Garantieniveau deutlich unter 90 Prozent reformiert werden. Damit entfallen beratungsintensive und komplizierte Wahlentscheidungen zum Produkt, wodurch eine einfache, auch digitale Beratung ermöglicht wird, die mit deutlich niedrigeren Kosten einhergeht.

Zugleich soll die Förderung transparenter gestaltet werden – künftig soll eine Zulage in Höhe von 50 Cent auf jeden Euro Eigenbeitrag gezahlt werden (maximaler Eigenbetrag in Höhe von 2.100 Euro). Die Kinderzulage soll einheitlich jährlich 300 Euro pro Kind betragen. Förderberechtigt sollen alle in Deutschland unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen (auch Selbstständige) sein. Das Zulageverfahren soll automatisiert werden – ein Antrag entfällt.

Im Gegensatz zur kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge (Riester) basiert die gesetzliche Rentenversicherung vollständig auf dem Umlageverfahren. Beide Verfahren – Kapitaldeckung und Umlageverfahren – haben spezifische Vor- und Nachteile. Allein aus Gründen der Risikodiversifizierung hat ein Nebeneinander beider Systeme eine hohe gesellschaftliche und ökonomische Berechtigung, wobei das in Deutschland vom Umfang her stark unterrepräsentierte Kapitaldeckungssystem in diesem Nebeneinander künftig erheblich an Bedeutung gewinnen muss.

Die neue Bundesregierung muss die gesetzliche Rentenversicherung besser auf die demografischen Herausforderungen einstellen, die im Laufe dieser Dekade in Deutschland immer gravierender werden. Eine wichtige Stellschraube bei der Bewältigung dieser Herausforderung ist das Verhältnis von durchschnittlicher Dauer der Beitrags- und Rentenphase. Eine Verlängerung des Erwerbslebens durch einen flexibleren Übergang in die Rentenphase muss daher vorurteilsfrei diskutiert werden. Zudem muss im Blick gehalten werden, dass die Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung direkt auf die Lohnkosten wirken. Aus beschäftigungspolitischen Gründen ist es daher wichtig, die Sozialversicherungsbeiträge auf dem bereits recht hohen Niveau wirksam zu deckeln.

Die Stärkung der Kapitaldeckung darf nicht innerhalb des gesetzlichen Umlagesystems erfolgen, sondern separat, über eine zusätzliche, gesetzlich verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge. 

Eine Möglichkeit ist ein gesetzlich verpflichtendes Ansparverfahren auf Aktienbasis, um zukünftigen Rentnern eine Teilhabe an den Kapitalmarktrenditen zu ermöglichen. Hierzu wird ein Teil des Bruttoeinkommens verpflichtend in Aktien investiert (angespart). Für einkommensschwache Personen wird das Ansparverfahren staatlich gefördert. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen dabei entweder in einen privatwirtschaftlich verwalteten Standard-Aktienfonds, oder entscheiden selbst in welchen Aktienfonds-Sparplan eines privaten Anbieters sie einzahlen.

Jenseits der dezidierten Altersvorsorgesysteme muss auch der allgemeine Vermögensaufbau von Bürgerinnen und Bürgern stärker in den Fokus genommen werden. Die private Vermögensbildung braucht neue Impulse: Der Anteil an direktem und indirektem Wertpapierbesitz in Deutschland verharrt weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Viele Bürgerinnen und Bürger nehmen an den positiven Entwicklungen der Unternehmen nicht oder kaum teil. Ein geeignetes Mittel, um diesen Zustand aufzubrechen, sind Wertpapiersparpläne. Sie bieten den Vorteil, dass auch Verbrauchende mit geringen freien Mitteln langfristig einen Wertpapierbestand flexibel aufbauen können. Häufig liegen die Mindestanlagebeträge im Bereich von 25 € bis 50 € pro Monat oder Jahr. Aufgrund der unverhältnismäßig hohen regulatorischen Anforderungen ist das Angebot solcher Sparpläne allerdings gering. Vereinfachungen wie zum Beispiel bei der Anlegerinformation oder durch die Abschaffung der Quartalsberichterstattung könnten hier eine Verbesserung herbeiführen.

7.4 Einen ausgewogenen Verbraucherschutz für ganz Europa schaffen

Die Europäische Kommission evaluiert derzeit mehrere Verbraucherrichtlinien, hierzu gehören insbesondere die Verbraucherkreditrichtlinie, die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, die Zahlungskontenrichtlinie, die Fernabsatzrichtlinie und die MiFID. Die Bundesregierung muss auf eine ausgewogene Regulierung achten, die sowohl den Verbraucher- und Anlegerschutz als auch die Interessen der Kreditwirtschaft angemessen berücksichtigt und nicht zu unverhältnismäßigen Belastungen führt. Maßgeblich sollte das Leitbild des selbstbestimmten Verbrauchers oder der selbstbestimmten Verbraucherin sein. Bei der Einführung neuer Pflichten ist gemäß des Better-Regulation-Ansatzes der Kommission die Kosten-Nutzen-Relation zu beachten.

Ziel muss eine zukünftige Vollharmonisierung Europäischer Richtlinien im Retail Banking, die keinen Platz für Goldplating der nationalen Gesetzgeber lässt. Andernfalls bleibt eine europäische Öffnung der bisher nationalen Privatkundenmärkte weiterhin nur ein politisches Lippenbekenntnis.

Auch sollte darauf geachtet werden, die bestehenden Unterschiede zwischen Allgemein-Verbraucherdarlehen und Immobiliar-Verbraucherdarlehen im Hinblick auf den Umfang der Informationspflichten beizubehalten. Der Informationskatalog ist insgesamt kritisch zu evaluieren und eine Reduzierung einzelner Informationspflichten sollte vorgenommen werden. Damit könnten Redundanzen im Hinblick auf vertragliche und vorvertragliche Informationen zukünftig vermieden werden.

Eine Verbesserung und Vereinfachung bei grenzüberschreitenden Kreditnehmerauskünften ist ebenfalls notwendig. Eine verbesserte Zusammenarbeit durch ein einheitliches Kreditregister oder die Vernetzung der nationalen Kreditregister wird einen sinnvollen Beitrag zur grenzüberschreitenden Kreditvergabe leisten.

Ferner muss verhindert werden, dass berechtigte Verbraucherinteressen nicht durch von wirtschaftlichen Interessen geleitete Akteure missbraucht werden. Hier steht der Gesetzgeber in der Verantwortung entsprechende Riegel bei der Einführung von Sammelklagen anzubringen. Schon heute sind Tendenzen zur Entwicklung einer Klageindustrie auszumachen, die auf die Risiko- und Innovationsbereitschaft der Wirtschaft einen Einfluss haben. Hier muss auf die richtige Balance zwischen einem wirksamen Verbraucherschutz und den an Innovationsfreundlichkeit und Rechtssicherheit interessierten Unternehmen geachtet werden.

7.5 Finanzbildung ausbauen

Ein gutes Verständnis von wirtschaftlichen Zusammenhängen ist eine wesentliche Voraussetzung für die aktive Teilhabe des selbstbestimmten Verbrauchers in der Gesellschaft. Finanz- und Wirtschaftsbildung stärkt das Urteilsvermögen der Verbraucherinnen und Verbraucher im Alltag. Sie hilft beim alltäglichen Umgang mit Geld, beim Aufbau von Vermögen und einer Altersvorsorge, beim Umgang mit Verschuldung oder dem Verständnis von Versicherungen. Allerdings weist die Finanzbildung bei Jugendlichen und Erwachsenen immer noch große Lücken auf – noch immer verfügt bei Umfragen eine Mehrheit über zu wenig ökonomische Grundkenntnisse.

Auch wenn Bildung im Grundsatz Ländersache ist, sollte es jedoch auch für die neue Bundesregierung selbstverständlich sein, sich bei diesem Thema in die Diskussion einzubringen. Es darf bei der Vermittlung von wichtigsten Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben nicht davon abhängen, in welchem Bundesland ein Kind zur Schule geht. So bieten lediglich drei Bundesländer ein Schulfach Wirtschaft an. Zudem beteiligt sich Deutschland nicht am PISA-Test zur Finanzbildung (financial literacy). Hier besteht für die Bundesregierung hinreichend Spielraum sich im Sinne der Kinder und Jugendlichen einzubringen: Diesen muss sie nutzen! Dabei stehen privat getragene Initiativen zur Verbesserung der Finanzbildung gerne bereit, die staatlichen Aktivitäten zu unterstützen.

8. Europa und Internationales

8.1 Auf europäische Lösungen setzen

Die EU und ihre Mitgliedstaaten stehen vor riesigen Herausforderungen: kurzfristig die Bewältigung der Folgen der Pandemie, langfristig die Eindämmung des Klimawandels sowie der Erhalt und der Ausbau des europäischen Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftsmodells in einer zunehmend globalisierten Weltwirtschaft. Dabei ist klar: Nur ein abgestimmtes Vorgehen auf EU-Ebene wird Lösungen bringen, die die Menschen in Europa brauchen.

Die Finanzmarktregulierung wird bereits heute maßgeblich auf EU-Ebene gestaltet. Hier wurden in den letzten Jahren viele Fortschritte erreicht – in der Bankenunion mit einer einheitlichen Aufsicht und Abwicklung wie auch bei Schritten in Richtung einer Kapitalmarktunion. Dennoch bleibt viel zu tun. Der mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs verbundene schwierigere Zugang zum Finanzplatz London und damit zu den internationalen Kapitalmärkten zeigt deutlich, dass die EU ihre eigenen Infrastrukturen ausbauen und mit einem modernen Finanzmarktregelwerk wettbewerbsfähig bleiben muss. Zum Ausbau des Finanzbinnenmarktes gehört ein ambitionierter EU-Rechtsrahmen für die Digitalisierung der Finanzbranche– auch mit dem Blick auf ein level playing field mit den internationalen BigTechs. Im Bereich Sustainable Finance sollten weitere Standards etabliert werden, womit die EU im globalen Vergleich Maßstäbe setzen wird. Zudem stehen neben neuen Vorhaben wie zur Geldwäschebekämpfung eine Vielzahl von Reformen an – z. B. zu Bankenabwicklung und Einlagensicherung, Finanzmarktinfrastrukturen sowie Verbraucherschutz und Krediten für Privatkunden. In all diesen Feldern brauchen wir mehr europäische Lösungen – das heißt mutigere Schritte in Richtung einer vollständigen Harmonisierung des Rechts auf europäischer Ebene und eine einheitliche Anwendung dieses Rechts in allen Mitgliedstaaten. Hierzu gehört auch die weitere Übertragung von Befugnissen auf europäische Behörden und die Verbesserung der Zusammenarbeit von nationalen Behörden.

8.2 Europäischen Finanzbinnenmarkt vollenden

Ein einheitlicher europäischer Finanzbinnenmarkt ist eine wesentliche Voraussetzung für starke, wettbewerbsfähige und profitable pan-europäische Banken, die in der Lage sind, die europäische und deutsche Wirtschaft unterstützen und gleichzeitig europäische Wertvorstellungen in einem globalen Umfeld wahren zu können. Verbraucher und Wirtschaft profitieren in einem einheitlichen Finanzbinnenmarkt durch verbesserten Zugang zu europäischen Finanzprodukten und durch eine bessere Kreditversorgung durch Freisetzung von Kapital und Liquidität.

Dies ist auch ein wesentlicher Beitrag zur Überwindung der Pandemie-Folgen. Darüber hinaus trägt ein einheitlicher Finanzbinnenmarkt zur besseren Risikodiversifizierung innerhalb Europas bei und reduziert so die Anfälligkeit für regionale Krisen.

Um diese Vorteile generieren zu können, muss neben der Vollendung einer Kapitalmarktunion auch der europäische Bankenmarkt gestärkt werden. Dazu bedarf es einer weitergehenden Harmonisierung der Banken- und Finanzmarktregulierung, sodass Banken bei grenzüberschreitendem Geschäft von Skaleneffekten profitieren können und damit die Profitabilität der Banken gestärkt wird. Zusätzlich sollten grenzüberschreitende Kapital- und Liquiditätswaiver auf europäischer Ebene geschaffen werden, um unnötig gebundenes Kapital und Liquidität freisetzen zu können.

8.3 Souveränität Europas stärken

Die geopolitischen Spannungen nehmen weiter zu – sowohl im Verhältnis der beiden Supermächte USA und China als auch in regionalen Konfliktherden. Wirtschaftsbeziehungen werden dabei zunehmend für politische Konflikte instrumentalisiert. Ein Prozess der De-Globalisierung hat eingesetzt und die Welt droht zunehmend in regionale Märkte fragmentiert zu werden. Dies kann einerseits nicht im Interesse der exportorientierten deutschen wie auch der europäischen Wirtschaft sein. Andererseits ist Europa mit seiner marktwirtschaftlichen, demokratischen und freiheitlichen Ausrichtung klar in der westlichen Wertegemeinschaft verankert.

Heute ist die EU selten in der Lage, ihre globalen Interessen wirksam zu vertreten. Stattdessen scheint Europa häufig erpressbar und wenig handlungsfähig. Es fehlt an gemeinsamer (sicherheitspolitischer und geopolitischer) Strategie, klaren Handlungslinien und dem „Common Sense“, dass die EU im Sinne einer gemeinsamen Linie über dem Einzelinteresse der Mitgliedstaaten steht. Dafür gibt es viele Beispiele – von North Stream II über die Belt and Road Initiative bis zum Verhältnis zur damaligen Trump-Administration oder zum Arabischen Frühling. Europa ist zu leicht ökonomischem Druck von außen aussetzbar – durch extraterritoriale Sanktionen oder Boykottaufrufe Dritter.

Die EU muss ihre außen- und wirtschaftspolitische Strategiefähigkeit stärken, nur so kann sie auf Augenhöhe mit den anderen Weltregionen verhandeln und kooperieren und dabei ihr eigenes Wirtschafts- und Wertesystem effektiv schützen. Die Ausgangsvoraussetzungen dafür sind gut: Die EU ist ein kaufkräftiger Markt und produktiver Investitionsstandort mit knapp 450 Mio. Bürgerinnen und Bürgern und verfolgt effektiv eine gemeinsame Außenhandelspolitik.

Dennoch bestehen erhebliche Handlungserfordernisse: Die außen- und wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit muss erhöht werden. Die EU darf die für ihr Wirtschaftsmodell erforderlichen Infrastrukturen und Daten nicht Dritten überlassen. Sie benötigt mehr Kapazitäten und Entscheidungssouveränität in wichtigen Themenfeldern. Der Finanzbinnenmarkt (Kapitalmarktunion und Bankenunion) muss vertieft werden – nur dann kann der Euro eine internationale Leitwährung bleiben. Auf extraterritoriale Sanktionen und Strafzölle muss eine wirkungsvolle Antwort gefunden werden. Im Bereich der Digitalisierung müssen eigene Regulierungsstandards wie DORA oder technische Standards wie GAIA-X gesetzt werden.

Leitlinie muss dabei einerseits immer sein, sich aktiv in die globale Arbeitsteilung einzubinden, die eigene Exportstärke zu nutzen, ein für Drittstaaten offener Markt zu sein und auf multilaterale Institutionen zur Regelung von Austauschbeziehungen und Konflikten zu setzen. Andererseits darf die EU in einem solchen offenen System nicht naiv sein, sondern muss abgestimmt und kraftvoll ihre eigenen Interessen vertreten. Souveränität und Offenheit sind dabei kein Widerspruch, setzen aber kluges politisches Handeln voraus.

8.4 EU-Sanktionspolitik verbessern

Sanktionen können ein wirkungsvolles Instrument der Außenpolitik sein. Wichtig ist, dass sie mit einem klaren Ziel verbunden sind und der sanktionierte Staat die Bedingungen für ihre Beendigung erfüllen kann und die Sanktionen in diesem Fall wieder aufgehoben werden können. EU-weit sollten Sanktionen zügig und einheitlich umgesetzt werden. Problematisch wird es für die europäische Wirtschaft einschließlich der Banken, wenn US- und EU-Sanktionsregime auseinanderlaufen. Die EU sollte daher – auf Basis einer gestärkten Souveränität – entschlossen dafür eintreten, dass EU-Sanktionen nicht nur im Einvernehmen mit den UN, sondern immer auch im Schulterschluss mit den USA erfolgen.

8.5 Ein gutes Verhältnis zum Vereinigten Königreich schaffen

Die EU kann es als großen Erfolg verbuchen, dass es ihr trotz der vielen Meinungsverschiedenheiten am Ende gelungen ist, sich mit dem Vereinigten Königreich auf ein Handels- und Kooperationsabkommen zu einigen. Somit konnten größere Verwerfungen für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Kanals vermieden werden.

Allerdings sieht das Abkommen keine konkreteren Regelungen für die Finanzwirtschaft vor. Marktzugangsfragen sollen mit dem Vereinigten Königreich wie bei anderen Drittstaaten auch über den sog. Äquivalenzmechanismus geregelt werden. Dieser sieht vor, dass ein Marktzugang gewährt werden kann, wenn es in der EU und in dem Drittstaat ein gleiches Regulierungs- und Aufsichtsniveau gibt. Von daher ist es zu begrüßen, dass sich die EU und das Vereinigte Königreich darauf verständigt haben, die Zusammenarbeit im Bereich der Finanzmarktregulierung in einem Memorandum of Understanding zu regeln. Darin soll auch geklärt werden, wie man den Dialog zu Äquivalenzprozessen und -entscheidungen angehen sollte.

Bisher hat die EU nur in wenigen Bereichen wie bei den Dienstleistungen von britischen Clearing-Häusern sowie Zentralverwahrern zeitlich begrenzte Äquivalenzentscheidungen zugestanden. Es ist sinnvoll, diese zu verlängern, solange es in der EU noch kein ausreichendes alternatives Angebot gibt. Zudem sollte die Äquivalenz von der EU auch in anderen Bereichen zugestanden werden – wie insbesondere für UK-Handelsplätze für Derivate, die einer Handelsplatzpflicht unterliegen. Für die Übermittlung personenbezogener Daten wurde in dem Abkommen nur eine Übergangslösung getroffen. Danach soll das Vereinigte Königreich vorerst nicht als Drittstaat behandelt werden. Es ist daher nicht nur im Interesse der Finanzwirtschaft, dass die Europäische Kommission schnell Klarheit zum weiteren Vorgehen schafft und nach der Datenschutz-  Grundverordnung einen Angemessenheitsbeschluss für das Vereinigte Königreich erlässt.

8.6 Globalisierung neu ausrichten

Die Globalisierung hat international und in Deutschland zu großen Effizienz- und Wohlfahrtssteigerungen geführt und die weltweite Armut merklich reduziert. 17 Prozent der deutschen Wertschöpfung finden über globale Wertschöpfungsketten statt. Die Corona-Pandemie unterzieht globale Lieferketten nun einer besonderen Prüfung, denn die Pandemie sowie die zu ihrer Eindämmung beschlossenen gesundheitspolitischen Maßnahmen haben für die Weltwirtschaft einen synchronen Angebots- und Nachfrageschock ausgelöst.

Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen stellt sich die Frage, wie (zu hohe) Abhängigkeiten in den Außenhandelsbeziehungen reduziert werden können und die Globalisierung resilienter gestaltet werden kann. Ein Rückbau globaler Lieferketten wäre die falsche Entscheidung, da sie erhebliche Wohlfahrtsverluste nach sich ziehen würde. Um die Resilienz der deutschen Wirtschaft gegen Schocks zu verbessern, könnten dagegen Maßnahmen wie eine Erhöhung der Lagerhaltung und eine Diversifizierung der Lieferketten geeignet sein.

Allerdings zeigten sich in der Corona-Krise Tendenzen zur Beschränkung des internationalen Handels, wie sie in der Vergangenheit bereits häufiger in Zeiten größerer gesamtwirtschaftlicher Unsicherheit auftraten. Neuem Protektionismus sollte die deutsche Wirtschaftspolitik jedoch entschieden entgegengetreten. Sie sollte sich weiterhin für den Multilateralismus einsetzen und auf internationalen Plattformen und in internationalen Gremien und Organisationen, wie z. B. die WTO, aktiv bleiben. Sie sollte insbesondere ihre internationalen Anstrengungen für eine stärkere internationale Kooperation in den Bereichen Klima- und Umweltpolitik, internationale Steuerpolitik, Regulierung der Finanzmärkte, Reform der Europäischen Union intensivieren, um die Offenheit der Märkte für Waren, Dienstleistungen und Kapital aufrecht zu erhalten.

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