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Sustainable Finance und NFRD-Überarbeitung – Gratwanderung notwendig

12.04.2021Artikel
Silvia Schütte
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Im Zuge des European Green Deal und des EU-Aktionsplans „Sustainable Finance“ wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen gründlich überarbeitet und auf neue Füße gestellt. Ziel sind europaweit harmonisierte und vergleichbare Nachhaltigkeitsberichte. Nichtfinanzielle Informationen sollen den gleichen Stellenwert erhalten wie Finanzinformationen. Gleichzeitig sollen sie ähnlichen Anforderungen an die Berichtsqualität, Verlässlichkeit und Auffindbarkeit unterliegen. Perspektivisch wird von einigen Marktteilnehmern ein „integrated reporting“ favorisiert, d.h. die vollständige Integration finanzieller und nichtfinanzieller Informationen in einen einzigen Bericht. 

Ganz neu ist die Verpflichtung zur Erstellung von nichtfinanziellen Berichten bzw. Nachhaltigkeitsberichten nicht. Bestimmte große Unternehmen, Banken und Versicherungen veröffentlichen seit 2017 Informationen zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen, zur Achtung der Menschenrechte sowie zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Die Rechtsgrundlage hierfür ist die sogenannte CSR-Richtlinie, die mittlerweile umbenannt worden ist in „Non-financial Reporting Directive“ (NFRD). 

NFRD – die neuen Vorschläge der Kommission

Am 21. April 2021 ist es nun soweit: Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Überarbeitung der NFRD (Non-Financial Reporting Directive) wird veröffentlicht. Im letzten Jahr hat die Kommission bereits vorab mit einem Online-Fragebogen die Meinungen der Marktteilnehmer zu zentralen Themen, in denen Änderungen diskutiert werden, abgefragt. Welche Vorschläge sind nun konkret zu erwarten? Was ist aus Sicht der privaten Banken sinnvoll und notwendig, welche Ideen könnten zu weit gehen? 

Ausweitung des Anwendungsbereichs

Ziemlich sicher wird die EU-Kommission vorschlagen, den Anwendungsbereich der NFRD auszuweiten. Bislang unterliegen nur kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Mitarbeitern der Berichtspflicht. Damit sind nach Ansicht vieler Kritiker deutlich zu wenig Unternehmen erfasst. Im Gespräch sind verschiedene Optionen: die Absenkung der Mitarbeiterschwelle auf 250 Mitarbeiter, aber auch die Ausdehnung auf nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen und/oder auf besonders energieintensive Unternehmen. 

Der Bankenverband unterstützt grundsätzlich, dass der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen verbreitert werden soll. Denn nicht nur der Kapitalmarkt braucht Nachhaltigkeitsinformationen. Auch Banken und Versicherungen als Kapitalgeber sind auf diese Daten angewiesen. Bei der geplanten Ausweitung sollten Proportionalitätsaspekte allerdings nicht außer Acht gelassen werden. Mit Blick auf die Belastungen, die eine Berichtspflicht gerade für kleine und mittlere Unternehmen und Banken mit sich bringt, ist die simple Absenkung der Mitarbeiterzahl aus unserer Sicht nicht die bestmögliche Option. 

Inhalt des nichtfinanziellen Berichts – „doppelte Materialität“

Ein weiteres Thema in der Konsultation wird die Frage sein, was in den Nachhaltigkeitsbericht hineingehört und was nicht. Der klassische Finanzbericht enthält sämtliche Informationen, die wesentlich sind, um die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens einschätzen zu können (Outside-In-Perspektive). Im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte wird erwartet, dass zukünftig auch eine Beschreibung von Auswirkungen der Unternehmensaktivität auf Umwelt und Gesellschaft (Inside-Out-Perspektive) mit enthalten sein wird. Dieses „doppelte Materialität“ genannte Konzept ist schon in der alten CSR-Richtlinie angelegt, wird bislang jedoch unterschiedlich interpretiert. Wir rechnen damit, dass die Kommission in der anstehenden Konsultation die entsprechenden Vorschriften stärken und konkretisieren wird.  

Der Nachhaltigkeitsbericht hat tendenziell einen größeren Adressatenkreis als die reine Finanzberichterstattung. Der Wunsch nach Informationen, die nicht nur die Sphäre des Unternehmens betreffen, ist daher nachvollziehbar. Die EU-Kommission sollte Zweck und Adressatenkreis der nichtfinanziellen Berichterstattung präzise definieren. Das ist die zentrale Voraussetzung dafür, den Informationsumfang zu bestimmen und dafür zu sorgen, dass die Berichte konsistent, vergleichbar und gleichwertig sind. Aktuell ist es aus unserer Sicht sinnvoll, sich auf diejenigen Informationen zu fokussieren, die für die wirtschaftliche Lage des Unternehmens relevant sind. Dies betrifft sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Informationen. 

In diesem Zusammenhang ein Hinweis auf zaghafte Ansätze zu einem Paradigmenwechsel in der Rechnungslegung: Unter dem Stichwort „true cost accounting“ finden erste Diskussionen zur Ergänzung der klassischen Rechnungslegung um die Abbildung externer Effekte statt. Greifbare Ergebnisse hieraus könnten helfen, den Berichtszweck präzise zu bestimmen. Entsprechende Überlegungen befinden sich jedoch in einem sehr frühen Stadium und sind noch wenig konkret. 

Wo und wie erscheint der nichtfinanzielle Bericht

Gemäß der jetzigen CSR-Richtlinie dürfen berichtspflichtige Unternehmen selbst entscheiden, wo und wann sie ihren Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Nachhaltigkeitsinformationen können in den Lagebericht integriert oder als separater Abschnitt im Lagebericht dargestellt werden. Auch die Veröffentlichung als eigenständiger Bericht auf der Homepage des Unternehmens ist möglich. Eine weitere Möglichkeit stellt die Offenlegung im Bundesanzeiger dar. Vor dem Hintergrund, dass finanzielle und nichtfinanzielle Berichte – zumindest mittel- bis langfristig – gleichgestellt werden sollen, wird von einigen Marktteilnehmern eine verpflichtende Integration in den Lagebericht gefordert – mit allen daraus folgenden Konsequenzen. Man darf gespannt sein, ob die EU-Kommission diesen Forderungen in ihrem Vorschlag folgt.

Ob die Verortung des nichtfinanziellen Berichts tatsächlich eindeutig geregelt und klar vorgegeben werden muss, bleibt dahingestellt. Aus praktischen Erwägungen heraus schätzen viele Berichtspflichtige die Flexibilität der aktuellen Regelung. Eine feste Vorgabe für die Verortung des nichtfinanziellen Berichts ist aus Sicht des Bankenverbandes nur dann sinnvoll, wenn dies mit signifikanten Vorteilen für den Adressatenkreis verbunden ist. 

Einheitliche Rahmenwerke und Standards

Die CSR-Richtlinie erlaubt es, internationale, europäische und nationale Rahmenwerke wie zum Beispiel GRI (Global Reporting Initiative), Empfehlungen der TCDF (Task Force on Climate-related Financial Disclosures), Global Compact und DNK (Deutscher Nachhaltigkeitskodex) zu nutzen; vorgeschrieben ist dies nicht. Im Sinne einer Standardisierung wird die verpflichtende Nutzung bestimmter Rahmenwerke intensiv diskutiert. Bislang allerdings fehlt ein zentrales und allgemein akzeptiertes einheitliches Rahmenwerk. Die Kommission selbst hat bei der Abfassung der CSR-Richtlinie allein auf 21 verschiedene Rahmenwerke zurückgegriffen. Auf internationaler Ebene finden aktuell Bestrebungen statt, einen Standardsetzer für die Nachhaltigkeitsberichterstattung beim IASB (International Accounting Standards Board) – dem Standardsetzer für Finanzberichte – zu etablieren. Gleichzeitig hat die Europäische Kommission das EU-Beratungsgremium EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) beauftragt, die Gründung eines europäischen Standardsetzers vorzubereiten. Wir erwarten, dass die Kommission die Nutzung der (noch zu erarbeitenden) europäischen Standards fordern wird. Dies wäre angesichts der durchaus realistischen Möglichkeit, zu globalen Standards zu kommen, allerdings nur die zweitbeste Lösung.

Es wird Zeit, dass ein international einheitliches und akzeptiertes Set von Berichtsgrundsätzen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt wird. Wir unterstützen das Vorhaben der IFRS Foundation, entsprechende Berichtsgrundsätze für die nichtfinanzielle Berichterstattung bereitzustellen. Dabei braucht das Rad nicht neu erfunden zu werden. Es gibt schon heute Rahmenwerke mit hoher Reputation und großer Verbreitung, die als gute Grundlage dienen können. Genannt seien beispielsweise die TCFD-Empfehlungen. Ein solch globales Rahmenwerk könnte – analog den internationalen Bilanzierungsstandards IFRS – mit Hilfe eines Übernahmeverfahrens (Endorsement) in EU-Recht übernommen werden. Eine weltweit einheitliche Lösung ist in jedem Falle gegenüber regionalen Initiativen vorzuziehen. Dies gilt insbesondere für international stark verflochtene Wirtschaftsräume wie Deutschland. Eine lediglich EU-weite Lösung könnte zu Datenbeschaffungsproblemen in Drittländern führen.  

Prüfungspflicht

Der Abschlussprüfer prüft bisher ausschließlich, ob die nichtfinanzielle Erklärung respektive der Nachhaltigkeitsbericht fristgemäß veröffentlicht wurde. Mit der neuen NFRD sollen auch Nachhaltigkeitsberichte einer verpflichtenden inhaltlichen Prüfung unterworfen und so der Finanzberichterstattung gleichgestellt werden.

Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, denn es steht außer Frage, dass das Prüfungsniveau perspektivisch angehoben werden sollte. Dazu bedarf es einheitlicher Berichtsgrundsätze und der Entwicklung eines Prüfungsmaßstabs. Prozesse und Kontrollen in Bezug auf die nichtfinanziellen Informationen sind derzeit in vielen Unternehmen allerdings noch ausbaufähig. Dies ist jedoch die Voraussetzung für aussagekräftige und verlässliche Prüfungen. Um hier voranzukommen, sollte das Prüfungsniveau schrittweise angehoben und regelmäßig evaluiert werden. Kurzfristig wird man allenfalls eine Prüfung mit gewisser Sicherheit (limited assurance) einführen können.

Zukunftsaussichten – es gibt viel zu tun

Eine gute, verständliche und qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsberichterstattung erhöht die Transparenz in Bezug auf den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft. Die Konsultation der NFRD 2.0 bietet die Gelegenheit, zentrale Eckpfeiler für adäquate Nachhaltigkeitsberichte festzulegen. Für die Kommission ist dies eine Gratwanderung: Sie muss zwischen nützlichen Informationen und unnötigen Compliance-Übungen austarieren. Damit die Balance zwischen notwendiger Informationserhebung und überflüssigen Berichterstattungspflichten gelingt, müssen Zweck, Ziel und Adressatenkreis der Berichterstattung klar definiert werden. Wichtig ist auch, die Umsetzbarkeit der Regeln im Blick zu behalten. Zur sinnvollen Weiterentwicklung der Berichterstattung bedarf es pragmatischer Lösungen und genügend Zeit für die Umsetzung. Die Berichterstattung ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, eine an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtete Unternehmensstrategie zu erklären.