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Jenseits von Libra: Warum die Wirtschaft einen digitalen Euro braucht

30.10.2019Positionspapier
Tobias Tenner
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Die Ankündigung von Facebook, binnen zwölf Monaten eine eigene digitale Währung mit dem Namen Libra in Umlauf zu bringen, hat weltweit hohe Aufmerksamkeit, aber auch deutlichen Widerspruch erfahren. Vor allem die Politik hat erkannt, dass mit dieser Initiative die Frage im Raume steht, wie die globale Geld- und Währungsordnung im digitalen Zeitalter aussehen und wer sie künftig gestalten wird.

Dabei ist unbestritten, dass die Verantwortung für die Geld- und Währungsordnung bei den souveränen Staaten liegt und auch weiterhin liegen wird. Jedes Angebot von Geld, sei es von Banken oder von anderen privaten Unternehmen, muss sich daher in die staatlich gesetzte Ordnung einfügen. Alles andere würde im Ergebnis auf Chaos und Instabilität hinauslaufen.

Ungeachtet dessen werden die technologischen Innovationen der vierten industriellen Revolution der Motor des Strukturwandels in der Weltwirtschaft sein. Diese Innovationen haben das Potenzial, die Art wie wir zahlen und wie wir Werte aufbewahren, noch einmal grundlegend zu verändern. Umso wichtiger ist es, einen gesellschaftlichen Konsens darüber zu erzielen, wie ein programmierbares Digitalgeld in die bestehenden Finanzsysteme integriert werden kann. Die Hauptlast für diese im besten Sinne ordnungspolitische Aufgabe liegt in den Händen von Zentralbanken, Regierungen, Parlamenten und Regulierungsbehörden. Doch eines ist sicher: Auch und gerade die Banken sind gefordert, denn Innovationen und digitaler Wandel werden ihre Welt dauerhaft verändern.

Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Diskussion um Libra lediglich Teilaspekt eines großen und wichtigen Themas, das über die „Facebook-Währung“ hinausgeht. In diesem Positionspapier versucht der Bankenverband auszuloten, welchen Beitrag die Banken für ein zukunftsfähiges und innovatives Geldsystem leisten können, wie die Rahmenbedingungen gestaltet sein müssen, um die Stabilität des Finanzsystems zu sichern.

 

Positionen des Bankenverbands

  1. Eine stabile Währung ist die Grundlage eines jeden Wirtschaftssystems; sie zu gewährleisten ein Kernelement staatlicher Souveränität. Die Stabilität des bestehenden Geld- und Währungssystems darf daher durch das Angebot von Digitalgeld auf Kryptobasis nicht gefährdet werden.
  2. Die privaten Banken stufen programmierbares Digitalgeld als eine Innovation mit bedeutendem Potenzial ein, die ein wesentlicher Baustein für die nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung sein kann.
  3. Die privaten Banken in Deutschland werden ihren Beitrag zu einem zukunfts­fähigen innovativen Geldsystem leisten. Hierfür sollte ein programmierbarer digitaler Euro auf Konten- sowie Kryptobasis geschaffen und seine Interoperabilität mit Giralgeld sichergestellt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass eine gemeinsame europaweite Zahlungsverkehrsplattform für den programmierbaren digitalen Euro geschaffen wird.
  4. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit in programmierbares Digitalgeld herzustellen, ist es unabdingbar, dass die höchsten Regulierungsstandards eingehalten werden. Damit Rechtssicherheit entsteht, ist obendrein eine rechtliche Einordnung von programmierbarem Digitalgeld notwendig. Alle Innovatoren müssen sich an einem einheitlichen aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Rahmen messen lassen. Die Emission und Verwahrung von programmierbarem Digitalgeld sollte auch unter dem heute bestehenden Regelwerk einer Vollbanklizenz möglich sein.
  5. Die privaten Banken erwarten von Gesetzgebern und Regulierungsbehörden, dass sie die notwendigen Grundlagen für digitale Innovationen insbesondere im Bankensektor schaffen.
  6. Der europäische Gesetzgeber muss im Wettbewerbsrecht Voraussetzungen schaffen, um pan-europäische Lösungen im Zahlungsverkehr möglich zu machen. Damit Banken neuen Wettbewerbern auf Augenhöhe begegnen können, muss die Wettbewerbspolitik die Veränderungen des internationalen Wettbewerbsumfelds berücksichtigen und einen neuen Rahmen schaffen, der auch Rechtssicherheit bei Kooperationen zwischen europäischen Marktteilnehmern schafft. Wir unterstützen einen einheitlichen europäischen Ansatz zur Vorgabe eines solchen Wettbewerbsrahmens.
  7. Die Identität des Nutzers eines digitalen Euros – ob Mensch oder Maschine – muss eindeutig zuzuordnen sein. Hierfür ist ein europäischer Identitätsstandard notwendig, besser noch ein globaler Standard. Bei jeder Form von Digitalgeld sollten Kunden nach einem genauso strengen Standard identifiziert werden müssen, wie ihn Banken oder andere Verpflichtete nach den geltenden geldwäscherechtlichen Bestimmungen heute selbstverständlich zu berücksichtigen haben.
  8. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei programmierbarem Digitalgeld bedarf eines tragfähigen Datenschutzkonzepts.
  9. Im Sinne seiner globalen Eigenschaft ist zu klären, auf welcher Rechtsgrundlage programmierbares Digitalgeld eingesetzt werden darf. Dabei müssen existierende (Verbraucher-)Schutzstandards beachtet werden.
  10. Mit Blick auf das deutsche Steuerrecht muss hinsichtlich der Einkommensteuer geklärt werden, ob programmierbares Digitalgeld eine Währung oder ein Wirtschaftsgut darstellt. Für die umsatzsteuerliche Einordnung ist die konkrete Ausgestaltung von programmierbarem Digitalgeld zu klären. Bei der Führung von Wallets – insbesondere in Drittstaaten – muss der Steuervollzug gewährleistet sein.
  11. Einleger genießen bei Kreditinstituten durch die Einlagensicherung ein hohes Schutzniveau ihrer Einlagen. Dieses Schutzniveau sollte auch Maßstab für programmierbares Digitalgeld sein. In jedem Fall müssen Kunden durch die jeweiligen Anbieter klar und nachweisbar informiert werden, wenn ein Einlagenschutz nicht besteht.
     

     

Worüber wir reden

Was ist digitales Geld?

Mit digitalem Geld gehen wir tagtäglich um, es ist uns als Giralgeld in Form von Überweisung, Lastschrift, Scheck oder Kartenzahlung seit langem vertraut. Mit Libra, Bitcoin, aber auch Alipay und M-Pesa treten nun neue Formen auf, von denen wir bislang nicht abschließend wissen, wie mit ihnen umzugehen ist. Sicher ist zunächst einmal, dass mit der Entwicklung von Kryptogeld die Vielfalt an digitalen Geldformen zugenommen hat. 

Sicher ist auch, dass mit den neuen Formen des Kryptogeldes – anders als mit dem herkömmlichen digitalen Geld – eine bedeutsame technologische Neuerung verbunden ist: Sie können mit sogenannten Smart Contracts verbunden werden. Smart Contracts sind Computerprotokolle, die vertragliche Bedingungen abbilden oder überprüfen und beispielsweise bei Auftragserfüllung automatisch Zahlungen auslösen. Es kann daher auch von programmierbarem Digitalgeld gesprochen werden. Die privaten Banken sind davon überzeugt, dass diese Form des Geldes in einer digitalisierten Wirtschaft rasch an Bedeutung gewinnen wird. Smart Contracts können aber nicht nur mit Kryptogeld verbunden werden, sondern auch mit kontenbasiertem Giralgeld. Es ist daher sinnvoll, zwischen programmierbarem und nicht-programmierbarem Digitalgeld zu unterscheiden. Libra ist programmierbares Digitalgeld auf Kryptobasis.

Position 1

Eine stabile Währung ist die Grundlage eines jeden Wirtschaftssystems; sie zu gewährleisten ein Kernelement staatlicher Souveränität. Die Stabilität des bestehenden Geld- und Währungssystems darf daher durch das Angebot von Digitalgeld auf Kryptobasis nicht gefährdet werden. 

Mit Digitalgeld auf Kryptobasis sind Innovationen verbunden, die weitreichend sind und das Potenzial haben, den Geldumlauf vom bestehenden Bankensystem zu entkoppeln. Damit drängt sich eine ganze Reihe von Fragen zur künftigen Gestalt der Geld- und Währungsordnung auf. Die Politik wird nicht in der Lage sein, Zuschauer zu bleiben. Vor allem die Zentralbanken könnten eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung dieser Zukunft spielen.

Aktuell wird die öffentliche Diskussion durch die Pläne eines Konsortiums rund um Facebook angefacht, mit „Libra“ eine private, globale Digitalwährung in Umlauf zu bringen. Eine globale Währung wäre ein Novum, denn aus gutem Grund hat sich bis heute keine einheitliche globale Währung herausgebildet. Sie müsste nicht nur sehr unterschiedliche gesetzliche und regulatorische Anforderungen simultan erfüllen, sondern auch auf unterschiedliche ökonomische Entwicklungen angemessen reagieren. Die Erfahrungen im Euroraum haben gezeigt, dass eine gemeinsame Währung zu erheblichen wirtschaftlichen und politischen Konflikten beitragen kann. 

Eine private, globale Digitalwährung, die im Wettbewerb mit den offiziellen Leitwährungen der Weltwirtschaft stünde, würde daher, anders als gegenwärtig suggeriert wird, keine Probleme lösen. Es bestünde vielmehr ein hohes Risiko, dass durch sie ökonomische Konflikte verschärft würden. So könnten massive Zu- oder Abflüsse von Kapital das wirtschaftliche Gleichgewicht eines Landes erheblich stören. Bisher angewendete Korrekturinstrumente wie Wechselkurs- oder Zinsanpassungen würden an Wirksamkeit verlieren, wenn die neue Geldform auf hohe Akzeptanz stieße. Auch eher symptombekämpfende Maßnahmen (Bildung großer Währungsreserven, Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, Devisenmarktinterventionen) verlören ihre Anwendbarkeit. Eine globale digitale Währung, zumal von einem gewinnorientierten, börsennotierten Unternehmen bereitgestellt, ist deshalb nicht im Sinne einer stabilen Weltgemeinschaft.

Der Politik ist dies durchaus bewusst, anders lassen sich die ablehnenden Stellungnahmen zu Libra aus dem politischen Raum nicht verstehen. Gleichzeitig weist das Statement der „G7 Working Group on Stablecoins“ beim G7-Treffen in Tokio 2019 darauf hin, dass die Politik einen „Trade-Off“ zwischen dem potenziellen Effizienzgewinn, insbesondere im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, und den hervorgerufenen Risiken erkannt hat, den man durchaus bereit wäre zu gestalten. 

Vor diesem Hintergrund appellieren die privaten Banken an die nationale und internationale Politik, angesichts der weitreichenden Bedeutung von Entscheidungen zur Geld- und Währungsordnung verantwortungsbewusst zu handeln. Ein Währungswettbewerb mit privaten Währungen gefährdet die staatliche Währungshoheit und darf daher nicht zugelassen werden. Die Erwartung, dass durch eine Regulierung dieser neuen Geldform neue systemische Risiken eingehegt und gleichzeitig ihre produktivitäts- und effizienzsteigernden Eigenschaften für das internationale Finanzsystem genutzt werden können, könnte trügerisch sein.

Um die systemischen Risiken einer solchen Art globalen Geldes zu beherrschen, wären zumindest international abgestimmte und miteinander kompatible Regulierungsmaßnahmen notwendig. Die Erfahrung der Finanzkrise hat gezeigt, dass dies sehr zeitaufwendig ist und der internationale Konsens sehr schnell brüchig werden kann. Die Forderung der G7, dass ein Stablecoin den höchsten regulatorischen Standards genügen müsse, nimmt die internationale Politik in die Pflicht, die dafür notwendigen politischen Prozesse zu gewährleisten.

Dazu gehört vor allem, die Funktionsfähigkeit der bestehenden globalen Geld- und Währungsordnung langfristig zu gewährleisten. Ihr konstitutives Merkmal ist der privilegierte Zugang von Banken zu Zentralbankgeld. Um die möglichen Risiken von Stablecoins besser kontrollieren zu können, aber auch um ihre Erfolgsaussichten zu erhöhen, wurde vorgeschlagen, kryptobasierten privaten Geldformen den Zugang zu Zentralbankgeld zu gewähren. Damit würde allerdings gleichzeitig das Prinzip des privilegierten Zugangs für Banken aufgehoben. Mit der direkten allgemeinen Verfügbarkeit von digitalem Zentralbankgeld außerhalb des Bankensektors würden erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen Banken und privaten Geldanbietern entstehen. Dadurch könnte die Stabilität des internationalen Finanzsystems insgesamt gefährdet werden. 

Aber auch abseits dieses den Bankensektor unmittelbar gefährdenden Risikos gibt es weitere systemische Herausforderungen, die beachtet werden müssen. Bei großer Akzeptanz aus dem Kreis der Nutzer sozialer Netzwerke könnte das Wertpapierportfolio, das zur Deckung einer global einsetzbaren Stablecoin erforderlich ist – kurzlaufende staatliche Wertpapiere, hinter denen stabile Währungen stehen –, schnell eine Größenordnung erreichen, die systemisch relevant wäre, weil sie die Knappheit dieser sogenannten sicheren Aktiva weiter verschärfen würde. Eine solche Verschärfung könnte für eine Geldpolitik, die auf „quantitative easing“ setzt, zum Problem werden. Außerdem würden die infolge der höheren Nachfrage sinkenden Zinsen die Geldpolitik beispielsweise der EZB tangieren. Und schließlich kann sich die Bedeutung der verschiedenen Transmissionsmechanismen, durch die die Geldpolitik die Wirtschaft steuert, verschieben. 

Für den internationalen Kapitalverkehr relevant wären zusätzlich auch Risiken, die aus den Konstruktionsprinzipien einer Stablecoin resultieren. Insbesondere wenn die Absicherung durch einen Währungskorb erfolgt, könnten Umschichtungen innerhalb des Portfolios zu steigender Volatilität an den Kapitalmärkten führen. Von besonderer Herausforderung dürften dabei Zeiten sein, in denen entweder die „Reservewährungen“ oder aber auch die Stablecoin an Vertrauen verlieren und es in der Folge zu massiven Kapitalbewegungen in die eine oder andere Richtung kommen kann. Eine Veränderung in der Zusammensetzung des Währungskorbes kann außerdem zu abrupten Wechselkursänderungen führen.

Beachtet werden müssen darüber hinaus auch all jene Risiken, die für die Nutzer unmittelbar entstehen. Wie das Beispiel Libra exemplarisch zeigt, besitzen sie das Potenzial, die Garantie der Rückzahlungsfähigkeit zum Nennwert zu untergraben.

  • Wechselkursrisiko
    Ein Wechselkursrisiko besteht, soweit die als Stablecoin gehaltenen Forderungen auf eine andere Währung als die inländische Rechnungseinheit lauten. Das ist zum Beispiel bei Libra der Fall, die auf einen Korb von Währungen lautet. Solche Forderungen unterscheiden sich grundlegend von Bankeinlagen in Landeswährung; im Gegensatz zu diesen besitzen sie spekulativen Charakter. Die Einführung eines programmierbaren Euro durch Geschäftsbanken würde dagegen keine Risikoerhöhung gegenüber dem Status quo bedeuten.
     
  • Risiko eines Runs
    Einen Run auf einen Stablecoin kann es aus verschiedenen Gründen geben. Etwa, wenn Geld über die auf dem Treuhandkonto befindlichen Gelder hinaus ausgegeben wird, also Kredit geschöpft wird. Ein Run kann aber auch bei fehlender Liquidität der unterlegten Assets entstehen.
     
  • Liquiditätsrisiko 
    Liquiditätsrisiko bedeutet, dass es zu einer Verzögerung bei der Erfüllung von Rücknahmeanträgen kommt. Das Liquiditätsrisiko hängt von der Marktliquidität der vom Emittenten, beispielsweise der Libra-Reserve, gehaltenen Vermögenswerte ab. Es kann sich dadurch verschärfen, dass im Gegensatz zu den offiziellen Landeswährungen keine Verpflichtung zur Annahme von Libra besteht.
     
  • Rückzahlungsrisiko 
    Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen einer traditionellen Bankeinlage und einem Guthaben in Stablecoins. Eine Bankeinlage von 100 Euro beinhaltet eine rechtsverbindliche Verpflichtung zur Einlösung in Banknoten von 100 Euro. Bei Stablecoins gibt es lediglich ein unverbindliches Versprechen, den Buchwert der Reserven zu stabilisieren. Im Vergleich zur traditionellen Bankeinlage besteht also auch ein Rückzahlungsrisiko.
     

Position 2

Die privaten Banken stufen programmierbares Digitalgeld als eine Innovation mit bedeutendem Potenzial ein, die ein wesentlicher Baustein für die nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung sein kann. 

Wie stark die Digitalisierung die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und unser Geld ausgeben, verändert, erleben wir bereits heute tagtäglich. Als Verbraucher kaufen wir zunehmend online ein. Plattformen verbinden sowohl Unternehmen mit den Verbrauchern als auch Unternehmen untereinander und dies sowohl national wie international. Neue Geschäftsmodelle erschüttern nahezu alle Branchen und erzwingen ein Aufbrechen bislang erfolgreicher Wertschöpfungsketten, mit tiefgreifenden Folgen für die nationalen Wirtschaftsstrukturen. 

Dieser disruptive Prozess macht auch vor der Art und Weise nicht halt, wie wir bezahlen und Werte aufbewahren. Facebook hat mit dem White Paper zu Libra ein unübersehbares Signal hierfür gesetzt. Die Digitalisierung der Wirtschaft und des Alltagslebens stellt neue Anforderungen an die digitalen Erscheinungsformen von Geld. Digitales Geld in Form von programmierbarem Digitalgeld, sei es auf Kontenbasis oder DLT-basiert, wird ein Kernelement der digitalen Transformation sein und vor allem im Zusammenhang mit Smart Contracts eine große Rolle spielen können. 

Smart Contracts auf der Basis der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) ermöglichen die korrekte und automatisierte Ausführung von Vertragsvereinbarungen. Mit der Erfüllung der Vereinbarungen sind häufig auch Bezahlvorgänge verbunden. Damit diese unabhängig von der Betragshöhe vollautomatisiert erfolgen können, ist Geld in programmierbarer Form erforderlich. Ein Einsatz von Smart Contracts in Verbindung mit Digitalem Geld könnte zum Beispiel die automatische Vergütung von Rechteinhabern digitaler Güter sichern. Auch im Internet of Things (IoT) werden immer mehr Geräte mit dem Internet verbunden, sodass Daten zwischen Maschine und Maschine (M2M) sowie zwischen Maschine und Person (M2P) generiert, ausgetauscht und verarbeitet werden können. Diese Interaktion kann mit Unterstützung von Smart Contracts auch vollautomatisiert erfolgen. 

Wichtig in diesem Zusammenhang: Kundendaten werden verschlüsselt und dadurch sicher übertragen, wobei die Kontrolle über den Datenzugriff beim Kunden verbleibt. Durch die Auditierbarkeit und Verfügbarkeit historischer Transaktionsdaten lassen sich Missbrauchsrisiken und Cyberkriminalität deutlich reduzieren.

Ein führender Anwender des IoT ist heute schon China. In der Volksrepublik ist obendrein der politische Wille, weitere technologische Vorsprünge zu erringen bzw. bestehende auszubauen, stark ausgeprägt. In diesem Zusammenhang sind die Ankündigungen der chinesischen Notenbank zu verstehen, eine digitale Variante des Renminbi einzuführen. 

Nimmt man Libra mit hinzu, so zeigt sich, dass digitale Varianten unterschiedlicher Formen von Geld in Kürze Realität sein können und dass der DLT hierbei eine Schlüsselrolle zukommen wird. Europa muss in diesem Wettbewerb mithalten, damit die globale Finanzarchitektur nicht zu einer Polarisierung zwischen amerikanischen oder chinesischen Lösungsansätzen führt.

Die Industrie in Deutschland unternimmt derzeit große Anstrengungen, um im digitalen Strukturwandel wettbewerbsfähig zu bleiben. Bei der Verknüpfung von IoT-Prozessen und Zahlungsvorgängen wird derzeit allerdings mit Insellösungen experimentiert. Ein wettbewerbsfähiges Zahlungssystem kann jedoch nur auf einem einheitlichen Standard und einer einheitlichen Währung, dem Euro, basieren. Die Banken in Deutschland und Europa können diese Entwicklung mit programmierbarem Digitalgeld erfolgreich unterstützen. 

Aufgrund des rasch fortschreitenden digitalen Strukturwandels und des Bedeutungsgewinns des IoT dürfte auch die Bedeutung programmierbarer Geldformen rasch zunehmen. Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu erhalten, Kundenbedürfnisse zu befriedigen und Transaktionskosten zu senken, sollte die Einführung programmierbaren Digitalgeldes auf Eurobasis geprüft werden.
 

Position 3

Die privaten Banken in Deutschland werden ihren Beitrag zu einem zukunftsfähigen innovativen Geldsystem leisten. Hierfür sollte ein programmierbarer digitaler Euro auf Konten- sowie Kryptobasis geschaffen und seine Interoperabilität mit Giralgeld sichergestellt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass eine gemeinsame europaweite Zahlungsverkehrsplattform für den programmierbaren digitalen Euro geschaffen wird.

Programmierbares Digitalgeld besitzt Vorteile gegenüber dem konventionellen Zahlungsverkehr, vor allem stiftet es einen größeren Kundenutzen. Während eines seiner wesentlichen Merkmale, die unmittelbare Transaktionsausführung, mit der Etablierung von Instant Payments im SEPA-Kontext bereits umgesetzt wird, fehlt noch die Möglichkeit, es in digitale Prozesse und Smart Contracts zu integrieren.

Aus diesem Grund sollte zunächst eine übergreifende europäische Strategie entwickelt werden, die darauf abzielt, eine Infrastruktur zur konsequenten Umsetzung von digitalen Geschäftsmodellen zu schaffen und damit auch die Einbindung von Smart Contracts zu ermöglichen. Wesentlicher Bestandteil dieser Strategie muss der Zahlungsverkehr mit programmierbarem Digitalgeld sein.

 

Die Kreditwirtschaft sollte gemeinsam mit den Zentralbanken auf europäischer Ebene darauf hinarbeiten, ein Zahlungsverkehrssystem zu schaffen, das bestehenden Unzulänglichkeiten begegnet und gleichzeitig die wesentlichen Vorteile der etablierten Zahlungsverkehrsinfrastrukturen beibehält. Neben (Rechts-)Sicherheit gehört hierzu auch ein hoher Grad an Effizienz, der sich aus gemeinsamen Standards und einer europaweiten Erreichbarkeit ergibt. Nur dadurch kann dem Wettbewerbsdruck durch US-amerikanische und bald wohl auch chinesische Tech-Unternehmen widerstanden werden. Hierfür ist eine europäische Strategie erforderlich, bei der Regulierungsbehörden und Marktteilnehmer Hand in Hand arbeiten, um eine ausreichende Dynamik zu erzeugen.

Dieses Zielbild lässt sich in einem absehbaren Zeithorizont nur durch ein zweistufiges Vorgehen erreichen: erstens, durch die Schaffung eines programmierbaren Euros auf Kontenbasis, und zweitens, durch die eines programmierbaren Euros auf Kryptobasis.

In einem ersten Schritt sollten konventionelle, d.h. kontenbasierte Systeme dahingehend erweitert werden, dass eine bessere Anknüpfbarkeit an digitale Prozesse und Smart Contracts möglich wird. Der bereits erwähnte, im SEPA-Kontext geschaffene Instant-Payments-Standard kann hierfür die Grundlage bilden. Jedoch sind die in diesem Standard bzw. in diesen Infrastrukturen verwendeten Datenmodelle zu limitiert, als dass eine ausreichende Verknüpfung mit Smart Contracts schon möglich wäre. Eine entsprechende Erweiterung könnte bereits einen wesentlichen Fortschritt für die Verzahnung des konventionellen Zahlungsverkehrs mit Smart Contracts und anderen digitalen Angeboten darstellen und so dazu führen, dass regelbasierte Transaktionen abgebildet und implementiert werden können. Die notwendigen Standardisierungsaktivitäten sollten durch privatwirtschaftliche Akteure mit Unterstützung des Eurosystems forciert werden. 

Die kontobasierte Lösung ist ein wesentlicher Zwischenschritt, um eine indirekte Integration von Smart Contracts und Zahlungsverkehr zu erreichen. Aufbauend darauf sollte programmierbares Digitalgeld auf Kryptobasis geschaffen werden. Bereits heute bestehen Angebote einzelner Marktakteure, so auch von Banken, die eine nahtlose Integration von Smart Contracts und dem aus ihnen resultierenden Forderungsausgleich in einem System ermöglichen. Hierbei handelt es sich jedoch um proprietäre Lösungen einzelner Akteure. Daher ist eine europaweite Interoperabilität für einen kryptobasierten Euro erforderlich, um die für eine realwirtschaftliche Signifikanz benötigte Skalierbarkeit zu erreichen. Damit ist auch an dieser Stelle eine auf technische Standards und vertragliche Regeln abzielende Initiative geboten, um die technische Verknüpfung sicherzustellen und die Zahlung zu verbuchen zu können. 

In Anlehnung an den konventionellen Zahlungsverkehr ist hierfür eine Koexistenz von privatwirtschaftlichen und öffentlichen, d.h. vom Eurosystem betriebenen Infrastrukturen denkbar. Da der für konventionelle Zahlungssysteme bestehende aufsichts- und zivilrechtliche Rahmen auch für tokenbasierte Lösungen anwendbar sein muss, ist obendrein eine Begleitung von regulatorischer und gesetzgeberischer Seite notwendig.
  

Position 4

Um das Vertrauen der Öffentlichkeit in programmierbares Digitalgeld herzustellen, ist es unabdingbar, dass die höchsten Regulierungsstandards eingehalten werden. Damit Rechtssicherheit entsteht, ist obendrein eine rechtliche Einordnung von programmierbarem Digitalgeld notwendig. Alle Innovatoren müssen sich an einem einheitlichen aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Rahmen messen lassen. Die Emission und Verwahrung von programmierbarem Digitalgeld sollte auch unter dem heute bestehenden Regelwerk einer Vollbanklizenz möglich sein.

Soll Digitalgeld auf Kryptobasis eine globale Verbreitung finden, so muss die Regulierung idealerweise auf internationaler Ebene, mindestens aber nach international einheitlichen Standards erfolgen. Nationale Regulierungsansätze würden zur Marktsegmentierung und folglich zur Entstehung von Wechselkursen führen und möglicherweise verhindern, dass die Vorteile des Digitalgeldes genutzt werden können. 

Zunächst muss geklärt werden, welche bestehenden Regulierungsstandards auf programmierbares Digitalgeld Anwendung finden und ob diese Standards die Besonderheiten von programmierbarem Digitalgeld ausreichend berücksichtigen. Nur wenn sichergestellt ist, dass programmierbares Digitalgeld angemessenen Regulierungsstandards unterliegt, besteht Rechtssicherheit im Umgang mit Digitalgeld. Und nur dann wird die Öffentlichkeit digitalem Geld Vertrauen entgegenbringen. 

Die Regulierung von programmierbarem Digitalgeld sollte darüber hinaus auch technologieneutral erfolgen: Nicht die eingesetzte Technologie und die rechtliche Konstruktion, sondern vielmehr der wirtschaftliche Zweck muss die Art der Regulierung bestimmen. Dabei sollte die Regulierung in einem proportionalen Verhältnis zu den Risiken stehen: Ein Technologieunternehmen, das Bankdienstleistungen anbietet, muss auch wie eine Bank reguliert werden. 

Umgekehrt darf einem Unternehmen, das die höchsten Standards einhält, nicht untersagt werden, das entsprechende Geschäft zu betreiben. Negativbeispiel hierfür ist der deutsche Regierungsentwurf zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäsche-Richtlinie. Dieser Entwurf sieht derzeit vor, dass das Kryptoverwahrgeschäft nicht von Banken betrieben werden darf, obwohl die Richtlinie dies gar nicht fordert. Da jedoch gerade Unternehmen mit Vollbanklizenz die höchsten Standards zu erfüllen haben und bereits Expertise bei der Verwahrung von Vermögenswerten besitzen, ist diese Regelung im deutschen Entwurf nicht nachvollziehbar und sollte dringend gestrichen werden. Im Sinne eines Level Playing Fields und der Förderung des Innovationsstandortes Deutschland bzw. Europa muss allen Unternehmen, die die erforderlichen Standards einhalten, der Zugang zum Kryptoverwahrgeschäft ermöglicht werden.
 

Position 5

Die privaten Banken erwarten von Gesetzgebern und Regulierungsbehörden, dass sie die notwendigen Grundlagen für digitale Innovationen insbesondere im Bankensektor schaffen

Das rechtliche Rahmenwerk für den Finanzsektor muss nicht nur ein Level Playing Field garantieren und hohe Standards für die Sicherheit der Verbraucher und Finanzstabilität gewährleisten, sondern gleichzeitig auch den notwendigen Raum für Innovationen schaffen. Nur so kann sichergestellt werden, dass Deutschland weiterhin wettbewerbsfähig bleibt. 

In diesem Zusammenhang begrüßen wir die Blockchain-Strategie der Bundesregierung, die im entsprechenden Abschnitt zum Finanzsektor aufzeigt, welche Barrieren es für Innovationen gibt – beispielsweise das Urkundenerfordernis bei Wertpapieren –, und in der sich die Bundesregierung zugleich für rechtssichere Lösungen ausspricht. Die Bundesregierung weist außerdem zu Recht darauf hin, dass für die Weiterentwicklung der Blockchain „wertstabile Zahlungsmittel in einer Blockchain-Umgebung“ nötig sind, um „Rechtsgeschäfte […] Zug-um-Zug durchführen zu können“. Darum ist aus unserer Sicht ein geeigneter technologieneutraler rechtlicher Rahmen erforderlich, um solche und andere Innovationen voranzutreiben. Bestehende Barrieren abzubauen, ohne dadurch das Schutzniveau der Verbraucher abzusenken, ist möglich und zwingend erforderlich. 

Wir sehen keinen Bedarf für eine zusätzliche dezidierte Blockchain- bzw. DLT-Regulierung neben den existierenden Regelungen aus dem Wertpapier-, Kapitalmarkt- und (Bank-)Aufsichtsrecht. Vielmehr sollten diese – wo erforderlich – klarstellend auch auf DLT-Lösungen erstreckt werden, um Regulierungslücken zu verhindern. 

Die Bundesregierung verweist in ihrer Strategie auch auf Reallabore, die Testräume für die Erprobung von Innovationen bieten. Eine Voraussetzung für solche Testräume sind entsprechende Experimentierklauseln in der Regulierung, die Spielraum zum Erproben neuer Technologien lassen. Leider gibt es für den Finanzsektor keine solchen Experimentierklauseln. Auch das aufsichtsrechtliche Pendant zum Reallabor, die Sandbox, die eine enge Zusammenarbeit von Aufsehern und Innovatoren ermöglicht, um schnell Rechtssicherheit für Innovationen zu schaffen, ist in Deutschland leider nicht etabliert. 

Neben diesem Appell für generelle regulatorische Offenheit für Innovationen müssen wir weitere konkrete Maßnahmen ergreifen, um in Deutschland Innovationen, wie beispielsweise programmierbares Digitalgeld, fördern zu können. Idealerweise sollten solche Ansätze auch auf europäischer Ebene verfolgt werden. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich die Arbeiten der Europäischen Kommission zum Thema Blockchain. So hat die EU im Jahr 2018 die Initiative „EU Blockchain Observatory and Forum“ gegründet und damit ein wichtiges Zeichen gesetzt.
  

Position 6

Der europäische Gesetzgeber muss im Wettbewerbsrecht Voraussetzungen schaffen, um pan-europäische Lösungen im Zahlungsverkehr möglich zu machen. Damit Banken neuen Wettbewerbern auf Augenhöhe begegnen können, muss die Wettbewerbspolitik die Veränderungen des internationalen Wettbewerbsumfelds berücksichtigen und einen neuen Rahmen schaffen, der auch Rechtssicherheit bei Kooperationen zwischen europäischen Marktteilnehmern schafft. Wir unterstützen einen einheitlichen europäischen Ansatz zur Vorgabe eines solchen Wettbewerbsrahmens. 

Das Auftreten plattformbasierter Zahlungssysteme und programmierbaren Digitalgeldes dürfte nicht ohne Einfluss auf die derzeitige Organisationsform des bankbasierten Finanzsystems bleiben. Obwohl die Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch die Banken für das Funktionieren des Finanzsystems von zentraler Bedeutung ist, ist es sowohl im Verständnis der Kunden als auch der Banken bisher eher eine natürliche Ergänzung, fast ein Nebenprodukt, zu den Einlagen- und Kreditaktivitäten der Banken. Banken verstehen sich als zentrale Anlaufstelle für die Kunden und managen die gesamte Kundenbeziehung ganzheitlich, einschließlich der Erbringung von Vermögensverwaltungsdienstleistungen.

In einer plattformdominierten Welt kann sich dies ändern. Der Zahlungsverkehr wird zum wichtigen Einstiegspunkt für Kunden. Andere Arten von Finanzdienstleistungen wie zum Beispiel Kreditgewährung und Vermögensverwaltung können dann de facto zu einer Ergänzung des Zahlungsgeschäfts werden. Unter diesen Umständen wären erhebliche Veränderungen im Bankensystem zu erwarten. Den Banken würde neben steigendem Wettbewerbsdruck vor allem der Verlust von Transaktions- und Provisionserträgen drohen. Sie müssten daher ihre bestehenden Geschäftsmodelle um Dienstleistungen im Umfeld des programmierbaren Digitalgeldes erweitern (Custody, Wallets, Kreditvergabe).

Die Banken gehen folglich aus einer schwächeren Position in den Wettbewerb mit den internationalen Anbietern programmierbaren Digitalgeldes. Da das günstige und stabile Retailkundengeschäft sich in direkter Konkurrenz zu den Anbietern von programmierbarem Digitalgeld befindet, könnten Banken nicht nur Kundenbeziehungen, sondern auch Finanztransaktionsdaten verlieren. Durch Anbieter von programmierbarem Digitalgeld kann zudem die Marktkonzentration befördert werden, falls diese ihre Refinanzierung über wenige große Banken abwickeln. Kleinere Banken könnte dies vor wachsende Refinanzierungsprobleme stellen. Im Extremfall – wenn Verbraucher ihre Ersparnisse in fremde Währung verlagern und sich von traditionellen Finanzpartnern abwenden – würden Banken Teile ihrer direkten Refinanzierung verlieren.

Das Einlagengeschäft und auch der Zahlungsverkehr können Charakteristika eines natürlichen Monopols aufweisen. So sind im Zahlungsverkehr die Transaktionskosten am niedrigsten, wenn die Zahlungen in einer einzigen Währung, die von allen benutzt wird, durchgeführt werden können. Beim Einlagengeschäft liegen außerdem positive Skaleneffekte der Reservehaltung vor. Je größer das Einlagenvolumen, desto mehr Geldschöpfung ist möglich, und in der Regel können Einnahmen durch Kreditzinsen generiert werden. Zudem haben größere Zahlungsinstitute – relativ betrachtet – geringere Kosten bei der Überwachung ihrer Kreditnehmer.

Emittiert ein Social-Media-Unternehmen nun programmierbares Digitalgeld, so sprechen einige Indizien dafür, dass eine Monopolstellung erreichbar wäre. Zu nennen wären etwa starke Netzwerkeffekte, hohe Fixkosten, die für den Aufbau einer Parallelwährung erforderlich wären und damit einen solchen verhindern können, und die exponentiellen Vorteile des Zugangs zu Daten. All dies begünstigt große, weltweit als First Mover agierende Unternehmen. 

Darüber hinaus können BigTechs ihre wachsende Marktposition im Zahlungsverkehr auf andere Dienstleistungen ausdehnen und dabei die bereits gesammelten Daten zur Markterschließung nutzen. BigTechs verfügen bereits heute über einen erheblichen Wettbewerbsvorteil aufgrund der Vielzahl an Daten, die sie über ihre Nutzer gesammelt haben. Ein solches Machtungleichgewicht zu Gunsten eines Konzerns lädt nicht nur zum Machtmissbrauch ein, sondern birgt auch Gefahren für die makroökonomische Stabilität.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen unterstützen wir die prüfenden Aktivitäten der deutschen und europäischen Wettbewerbsbehörden. In der gegenwärtigen Situation können die Vorgaben des Wettbewerbsrechts – jedenfalls im Falle einer Marktbeherrschung des betreffenden Unternehmens – zu einer Beschränkung der Zulässigkeit der Sammlung, Zusammenführung und Verarbeitung von Nutzerdaten führen. Wie die Facebook-Entscheidung des Bundeskartellamts vom Frühjahr 2019 gezeigt hat, kann bereits das geltende Wettbewerbsrecht zu einem gewissen Grade wirksame Schranken aufzeigen. Dabei kann das europäische Datenschutzrecht als Maßstab für den Ausbeutungsmissbrauch herangezogen werden. Allerdings bedarf es darüber hinaus einer Modernisierung des deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts, insbesondere des Marktbegriffs und der Missbrauchsaufsicht, damit beide mit den Entwicklungen infolge der Digitalisierung und den damit verbundenen Konzentrationsprozessen Schritt halten können.[1] 

Ein modernisiertes Wettbewerbsrecht könnte den Aufbau eines programmierbaren Digitalgeldes auf Eurobasis unterstützen. Hier muss die Kooperation europäischer Banken und Unternehmen der Realwirtschaft durch das Wettbewerbsrecht erleichtert und nicht etwa verhindert werden. Denn einem Unternehmen allein ist es in Anbetracht der weltweiten Stärke und Positionierung von BigTechs unmöglich, programmierbares Digitalgeld, das in der Praxis auch vom Markt akzeptiert wird, selbst zu kreieren.

Vor dem Hintergrund der Unsicherheit über die kartellrechtlichen Grenzen von Kooperationen in der Digitalwirtschaft ist insbesondere eine Verbesserung der Rechtssicherheit für Kooperationen wichtig. Diesen Aspekt hat die „Kommission Wettbewerbsrecht 4.0“ erkannt und in ihren Empfehlungen adressiert.[2]
  

Position 7

Die Identität des Nutzers eines digitalen Euros – ob Mensch oder Maschine – muss eindeutig zuzuordnen sein. Hierfür ist ein europäischer Identitätsstandard notwendig, besser noch ein globaler Standard. Bei jeder Form von Digitalgeld sollten Kunden nach einem genauso strengen Standard identifiziert werden müssen, wie ihn Banken oder andere Verpflichtete nach den geltenden geldwäscherechtlichen Bestimmungen heute selbstverständlich zu berücksichtigen haben.

Der Austausch von Digitalgeld – aber auch anderer Vermögenswerte in der digitalen Welt – setzt eine eindeutige Identifizierbarkeit der beteiligten Parteien voraus. Andernfalls fehlt es an der erforderlichen rechtsgeschäftlichen Nachvollziehbarkeit und Beweisfähigkeit der Transaktion für die am Geschäft unmittelbar Beteiligten, aber auch für gegebenenfalls betroffene Dritte, etwa Steuerbehörden. 

In unserem heutigen kontobasierten Geldsystem wird diese Anforderung über die Identifizierung der Kontoinhaber, Verfügungsberechtigten und wirtschaftlich Berechtigten durch die kontoführende Bank gewährleistet. In Zukunft ist es aber vorstellbar, dass Digitalgeld integraler Bestandteil eines digitalen Wertschöpfungsprozesses ist und auf diese Weise auch Zahlungs-transaktionen auf Kryptobasis direkt zwischen den am Grundgeschäft beteiligten Parteien rechtssicher vorgenommen werden, ohne dass es hierzu einer separaten Zahlungsinfrastruktur auf Basis von Zahlungskonten bedarf (vgl. Position 3). 

Für diese Zahlungstransaktionen ist ein einheitlicher digitaler Identitätsstandard mindestens auf Ebene der EU notwendig, der die genaue und sichere Zuordnung von Digitalgeld auf Kryptobasis zu natürlichen und juristischen Personen erlaubt. Damit auch im IoT Werte direkt zwischen Maschinen übertragen und rechtssicher abgebildet werden können, sollte dieser Identitätsstandard auch eine eindeutige Zuordnung von Maschinen zu deren rechtlichen Inhabern ermöglichen.

Der einheitliche Identitätsstandard muss dabei auch den hohen datenschutzrechtlichen Anforderungen in der EU genügen, zum Beispiel durch Verwendung von Pseudonymisierungstechniken oder die Ausgestaltung als selbst-souveräne digitale Identität.

Gleichzeitig darf das derzeit hohe Niveau bei der Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung durch Zahlungsdienstleister – insbesondere Banken – nicht dadurch abgesenkt werden, dass Zahlungsverkehr über Digitalgeld auf Kryptobasis ohne eindeutige Identifizierung abgewickelt wird. Um dies zu verhindern, müssen neue Ansätze zur Kundenidentifizierung die gleiche Qualität gewährleisten, wie sie die Banken heute für die herkömmliche Abwicklung von Zahlungsverkehr garantieren. Dies betrifft die eigentliche Identifizierung, aber auch das nachgelagerte Monitoring von Transaktionen mit Blick auf Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung.
 

Position 8

Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei programmierbarem Digitalgeld bedarf eines tragfähigen Datenschutzkonzepts.

Das Datenschutzrecht ist immer dann relevant, wenn personenbezogene Daten betroffen sind. Wichtig ist daher zunächst die Klärung der Frage, ob im System des Digitalgeldes tatsächlich Daten natürlicher Personen verarbeitet werden sollen. Bei Digitalgeld auf Kryptobasis ist dies nicht zwingend, es könnte auch ein Verfahren sein, das gänzlich ohne personenbezogene Daten auskommt. Sollten personenbezogene Daten verarbeitet werden, dann ist in der EU die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten. Diese gilt auch dann, wenn die Daten pseudonymisiert sein sollten. Selbst wenn der Sitz des Betreibers außerhalb der EU liegt, ist die DSGVO relevant, sofern Daten von Bürgern in der EU verarbeitet werden; allerdings ist fraglich, wie sich das Datenschutzrecht dann effektiv durchsetzen lässt. 

Für ein tragfähiges Datenschutzkonzept sind u.a. folgende Punkte wichtig: 

  • Festlegung der für die Datenverarbeitung verantwortlichen Stellen
  • Legitimation der Datenverarbeitung (Einwilligung vs. Vertrag) 
  • Wahrung der Datenschutzrechte der Betroffenen (u.a. Transparenz, Löschungsanspruch) 
  • Berücksichtigung des Zweckbindungsgrundsatzes 
  • Einsatz der Instrumente des technischen Datenschutzes („privacy by design“) 
  • Absicherung des Datenschutzniveaus im Kontext mit Drittstaaten
  • Klärung der Zugriffsrechte staatlicher Institutionen (z.B. zur Verbrechensbekämpfung oder aus steuerlichen Gründen). 

Sollten sich diese Aspekte nicht mit der DSGVO zufriedenstellend lösen lassen, wäre zu überlegen, die Datenschutzfragen bei Digitalgeld auf Kryptobasis mit einem spezifischen EU-Rechtsakt zu regeln.

Gerade wegen der Aktivitäten einiger sozialer Netzwerke und der Nutzung von diesen betriebener Wallets gibt es Befürchtungen, dass die Grenzen zwischen der Funktion des sozialen Netzwerks und der eigentlichen Zahlungsfunktion verschwimmen oder gezielt überbrückt werden könnten. Aufgrund des Zweckbindungsgrundsatzes der DSGVO ist eine Nutzung personenbezogener Daten außerhalb des Zahlungszwecks nur aufgrund einer gesonderten Rechtfertigung (z.B. durch gesonderte Einwilligung) legitim. Gleichwohl kann es sich erforderlichenfalls anbieten, in einem EU-Rechtsakt zum Datenschutz bei Digitalgeld auf Kryptobasis spezifische Grenzen für die Nutzung von personenbezogenen Daten zu anderen Zwecken als der Geldfunktion zu definieren. Alternativ könnte auch zu überlegen sein, die personenbezogenen Daten verfahrenstechnisch vor einer Zweckentfremdung zu schützen (z.B. privacy by design durch Pseudonymisierung).

Beim Einsatz von programmiertem Digitalgeld liegen die Vorteile klar auf der Hand. Aus dem Blickwinkel des Datenschutzes entsteht hierbei eine weitere Dimension. Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt nicht nur zur Zahlungsfunktion, sondern auch zur Erfüllung des damit gekoppelten Smart Contracts. Das heißt, der Smart Contract erweitert den legitimen Datenverarbeitungszweck. Aus Sicht des betroffenen Bürgers muss diese Mehrdimensionalität transparent sein, um neben dem Funktionsumfang von programmierbarem Digitalgeld auch dessen Tragweite für die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nachvollziehen zu können. Gerade bei der Koppelung mehrerer Funktionen ist eine eindeutige Zuordnung von Verantwortlichkeiten von besonderer datenschutzrechtlicher Relevanz.

 

Position 9

Im Sinne seiner globalen Eigenschaft ist zu klären, auf welcher Rechtsgrundlage programmierbares Digitalgeld eingesetzt werden darf. Dabei müssen existierende Verbraucher-Schutzstandards beachtet werden.

Nutzer müssen sich auf die Rechtmäßigkeit des Digitalgeldes verlassen können. Andernfalls droht die Gefahr, dass sie Betrügern zum Opfer fallen und ihre Rechte nicht wirksam durchsetzen können. Ein international nutzbares Digitalgeld setzt daher einen international geltenden Rechtsrahmen voraus. Der „Glaube“ allein an die Wertigkeit und an die Durchsetzbarkeit der mit dem Zahlungsinstrument verbundenen Ansprüche kann kein belastbares Fundament darstellen. Zwar lassen sich Rechtsansprüche in dem Zahlungssystem durch Vertragsrecht gestalten, doch stellt sich dann die Frage, welche Rechtsordnung anwendbar sein soll. 

Hinzu kommt: Selbst bei der Wahl einer bestimmten Rechtsordnung ist gerade im grenzüberschreitenden Kontext noch nicht gelöst, wie das Recht durchgesetzt werden kann. Verbraucherschutzstandards, wie sie zum Beispiel in den EU-Mitgliedstaaten gelten, könnten unterlaufen oder ausgehebelt werden, wenn es keine Möglichkeit gibt, sie einzuklagen; gleiches gilt auch für den Datenschutz. 

Deshalb ist Skepsis gegenüber der Tragfähigkeit und Nachhaltigkeit einer rein vertragsrechtlichen Lösung angebracht. In der weiteren Diskussion wird man sich deshalb mit der Frage befassen müssen, ob nicht völkerrechtlich begleitete internationale Kodifikationen notwendig und zielführend sind. Zu denken ist an UN-Institutionen wie UNIDROIT und UNCITRAL, die viel Erfahrung mit internationaler Rahmengesetzgebung und Modellgesetzen haben. Warum sollte nicht ein Projekt wie das Genfer Scheckabkommen aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts in Angriff genommen werden, das heute noch für Rechtssicherheit sorgt? Was sich in der internationalen Rechtsetzung aber ändern müsste, wäre der für solche Projekte bislang übliche Zeitrahmen, der häufig in Dekaden zu messen ist. Hier ist eine Anpassung an die Geschwindigkeit der digitalen Revolution notwendig.
  

Position 10

Mit Blick auf das deutsche Steuerrecht muss hinsichtlich der Einkommensteuer geklärt werden, ob programmierbares Digitalgeld eine Währung oder ein Wirtschaftsgut darstellt. Für die umsatzsteuerliche Einordnung ist die konkrete Ausgestaltung von programmierbarem Digitalgeld zu klären. Bei der Führung von Wallets – insbesondere in Drittstaaten – muss der Steuervollzug gewährleistet sein. 

Wenn Digitalgeld auf Kryptobasis als Währung eingestuft wird, können beim Bankkunden Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG entstehen, die dem Kapitalertragsteuerabzug gem. §§ 43 ff. EStG durch die Banken unterliegen. In der Folge wären von den Banken weitere Pflichten zu erfüllen, wie Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer und Erstellung einer Steuerbescheinigung für den Bankkunden.

Stellt Digitalgeld auf Kryptobasis ein Wirtschaftsgut dar, sind Gewinne und Verluste aus Veräußerungen gem. § 23 EStG als sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften unter bestimmten Voraussetzungen in der persönlichen Veranlagung der Steuerpflichtigen zu erklären. In der Finanzverwaltung wird zudem für Bitcoin die Auffassung vertreten, dass bereits der Zahlungsmitteleinsatz von erworbenem Digitalgeld auf Kryptobasis als Veräußerung gilt und ebenfalls zu sonstigen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften führt. Das hat zur Folge, dass von den Steuerpflichtigen jeder Bezahlvorgang dokumentiert und gegebenenfalls in der Steuererklärung angeführt werden muss.

Unter Berufung auf ein Urteil des EuGH fallen nach Ansicht der Finanzverwaltung weder der Umtausch von konventionellen Währungen in Bitcoin noch die Verwendung von Bitcoin als Zahlungsmittel unter die Umsatzsteuer. Diese Aussage gilt laut Finanzverwaltung auch für anderes Digitalgeld auf Kryptobasis, sofern dieses keinem anderen Zweck als der Verwendung als Zahlungsmittel dient. Folgerichtig ist auch für die Finanzverwaltung von maßgeblicher Bedeutung, ob das Digitalgeld auf Kryptobasis von den an der Transaktion Beteiligten als alternatives vertragliches und unmittelbares Zahlungsmittel akzeptiert worden ist. Nur dann unterliegt die Verwendung von Bitcoin als Zahlungsmittel – wie es auch bei gesetzlichen Zahlungsmitteln der Fall ist – nicht der Umsatzsteuer. 

Zudem muss der Steuervollzug bei der Führung von Wallets – insbesondere in Drittstaaten – gewährleistet sein. Hintergrund ist, dass das Bundesverfassungsgericht eine gleichheitsgerechte Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs fordert. Möglichkeiten zur Sicherung des Steuervollzugs sind: eine Verpflichtung von Walletbetreibern im In- und Ausland zur Meldung von „Einkünften aus Digitalgeld auf Kryptobasis“, eine Einbeziehung von Wallets in das Kontenabrufverfahren und gegebenenfalls ein Kapitalertragsteuerabzug durch Walletbetreiber.

EU-weit muss sichergestellt werden, dass nationales Steuerrecht kein Hindernis für die Nutzung von programmierbarem Digitalgeld darstellt.
 

Position 11

Einleger genießen bei Kreditinstituten durch die Einlagensicherung ein hohes Schutzniveau ihrer Einlagen. Dieses Schutzniveau sollte auch Maßstab für programmierbares Digitalgeld sein. In jedem Fall müssen Kunden durch die jeweiligen Anbieter klar und nachweisbar informiert werden, wenn ein Einlagenschutz nicht besteht.

Gerät ein Kreditinstitut in die Insolvenz, sind Einlagen in der EU bis zu einer Höhe von 100.000 Euro pro Einleger und Kreditinstitut automatisch durch das zuständige nationale Einlagensicherungssystem geschützt. Kreditinstitute sind verpflichtet, Kunden über den Umfang ihres Schutzes zu informieren. Entsprechende Anbieter für Digitalgeld auf Kryptobasis müssen daher auch verpflichtet sein, Kunden über das Fehlen des Schutzes klar und nachweisbar zu informieren. 

Wenn Anbieter von Digitalgeld auf Kryptobasis Geldschöpfung betreiben, ist eine Einlagensicherung notwendig, um das Schutzniveau der Einleger nicht abzusenken.


[1] s. Empfehlungen im Bericht der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eingesetzten Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 vom 9.9.2019
[2] s. Empfehlungen Nr. 13 und 14 im Bericht vom 9.9.2019
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Tobias Tenner

Themengruppenleiter, Associate Director

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