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Kreditversorgung der Unternehmen: Lehren zur Refinanzierung der Banken

03.09.2020Artikel
Dr. Hendrik Hartenstein
Dietmar Schwarz
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Banken waren nicht nur als starker Partner ihrer Kunden und Kreditgeber gefordert. Je nach Größe und Geschäftsmodell waren sie selbst von den Entwicklungen der Unternehmen betroffen. Gerade größere Unternehmen ziehen auf breiter Front bestehende Kreditlinien, und vor allem institutionelle Anleger wandeln fällige Termineinlagen zulasten der Refinanzierungsstruktur der Banken systematisch in täglich fällige Mittel. 

Banken haben daher bei der Kreditvergabe nicht nur die Bonitätsrisiken der Unternehmen zu berücksichtigen. Sie müssen zudem auch das Risiko aus der Fristentransformation messen, limitieren und steuern. Dieses Risiko ergibt sich aus einer längerfristigen Ausleihung von Einlagen, die der Bank nicht mit derselben Frist zur Verfügung stehen.

Zu den strikten gesetzlichen Vorgaben für die Messung und Limitierung dieses Risikos, die insbesondere im Nachgang der Finanzkrise entwickelt wurden, zählen zum Beispiel der Internal Liquidity Adequacy Assessment Process (ILAAP), die Net Stable Funding Ratio und die Liquidity Coverage Ratio (LCR). Letztere legt fest, dass Banken einen Liquiditätspuffer vorhalten müssen, der die möglichen kurzfristigen Mittelabflüsse im Krisenfall abfedert.

Wie sich in der Corona-Krise gezeigt hat, stellen diese Vorgaben zwar wirkungsvoll die Stabilität der Banken sicher, deren Handlungsfähigkeit zur Kreditvergabe im Sinne der Unternehmen findet dagegen kaum Berücksichtigung.

Die europäischen Bankenaufseher bei der European Banking Authority (EBA) und der EZB sowie die deutsche BaFin gestatteten den Banken deshalb pauschal das Unterschreiten der eigentlich erforderlichen LCR-Liquiditätspuffer, um die darin gespeicherte Liquidität in der Krise nutzbar zu machen. Mittlerweile ist klar: die Liquiditätspuffer verdienen ihre Bezeichnung kaum, weil sie bestenfalls keine krisenverschärfende Wirkung entfalten. 

Tatsächlich hat so gut wie keine Bank von der Erlaubnis zur Unterschreitung der Pufferanforderungen Gebrauch gemacht, weil angesichts des bislang sehr starr gehandhabten Konzepts gerade die Unterschreitung des Puffers und die darauffolgenden Markt-reaktionen zum Auslöser für existenzbedrohende Liquiditätsabflüsse geworden wären. So waren die Aufseher letztlich überrascht, wie wenig sensitiv das zentrale aufsichtliche Liquiditätsmaß auf die versiegende Refinanzierung reagierte.

Die EZB wirkte dem drohenden volkswirt-schaftlichen Schaden aus einer unzureichenden Kreditvergabe indes auch an anderer Stelle beherzt entgegen, indem sie nicht nur ihre Ankaufprogramme ausdehnte, sondern insbesondere die Refinanzierungssituation der Banken mit gezielten Maßnahmen verbesserte. Dazu umfasste der Beschluss des EZB-Rats vom 7. April 2020 weitgehende Erleichterungen der Besicherungsstandards für Refinanzierungen bei den nationalen Zentralbanken, nämlich 

  • die Ausweitung des Rahmenwerks für zusätzliche Kreditforderungen (Additional Credit Claims, ACC-Framework), das die Hinterlegung einer großen Bandbreite von Buchkrediten als Sicherheiten bei den nationalen Zentralbanken erlaubt,
  • die pauschale Absenkung aller Bewertungsabschläge für marktfähige Sicherheiten und Buchforderungen um 20 % und um weitere circa 20 % für Buchforderungen durch Anpassungen ausgewählter Parameter sowie 
  • eine Reihe weiterer Maßnahmen verbunden mit der Ankündigung, das gesamte Paket zum Ende des laufenden Jahres zu überprüfen.

Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen konnte die EZB im Rahmen des Bank Lending Survey anhand der Kreditvergabebedingungen in ausgewählten Mitgliedstaaten der Eurozone weitgehend bestätigen. Die Deutsche Bundesbank sah hingegen keine hinreichende Notwendigkeit zur nationalen Umsetzung der genannten Maßnahmen und war dementsprechend nur bedingt handlungsbereit. Der Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des Verständnisses von Liquidität und Refinanzierung können sich auch die nationalen Zentralbanken nicht entziehen. Zudem erwies sich als nachteilig, dass die Bundesbank das EZB-seitig seit 2011 vorgesehene ACC-Rahmenwerk nicht nachvollzogen hat und insofern nicht über umsetzungsreife, abgestimmte Maßnahmenkonzepte verfügt.  

Zahlreiche deutsche Banken waren deshalb absehbar zu einer vorsichtigen Steuerung ihrer Kreditbücher unter Refinanzierungsaspekten gezwungen, die im Rahmen des Bank Lending Survey auch als wichtiger Faktor bei der Verschärfung der Kreditvergabestandards in Deutschland bewertet wurde. In anderen Ländern waren diese weitgehend vernachlässigbar. 

Drei Lehren zur Refinanzierung 

Die Banken haben ihre Rolle als Kreditgeber in dieser Krise insgesamt gut erfüllt. Damit dies auch in zukünftigen Krisensituationen zuverlässig der Fall ist, sollte

  • das regulatorische Konzept der Liquiditätspuffer so weiterentwickelt werden, dass diese nicht ausschließlich zu einem „Wegschließen“ von Ressourcen führen, sondern die enthaltene Liquidität im Krisenfall nutzbar wird,
  • das ACC-Rahmenwerk auch in Deutschland in der Art umgesetzt werden, dass im Krisenfall die volkswirtschaftlich erfor-derliche Kreditvergabe schnell und wirksam geldpolitisch unterstützt werden kann und 
  • die Entscheidung über eine tatsächliche Umsetzung derart vorbereiteter Maßnahmen auf einer differenzierten Kenntnis der Refinanzierungssituation der kreditgebenden Banken beruhen.