Die deutsche Wirtschaft steckt inmitten des stärksten Umbruchs seit Jahrzehnten. Digitale Transformation und der Wandel hin zur Plattform-Ökonomie erschüttern nahezu alle Branchen in ihren Grundfesten. Ob Handel und Konsumgüter, Medien und Technologie oder Mobilität: Tradierte Geschäftsmodelle erweisen sich zunehmend als nicht mehr tragfähig, neue Technologie-Wettbewerber gewinnen mit innovativen und skalierbaren Lösungen scheinbar mühelos Marktanteile oder erfinden Märkte gar neu. Das betrifft auch die klassischen Universalbanken, deren Geschäftsmodell durch neue Wettbewerber in einzelne Bausteine zerlegt wird:
- Klarna, PayPal und TransferWise sind inzwischen im Zahlungsverkehr und grenzüberschreitenden Bargeldtransfer angekommen
- im Bereich der Kunden-Authentifizierung haben WebID oder IDnow das klassische POSTIDENT-Verfahren weitgehend abgelöst
- im Kreditgeschäft ist auxmoney vielen Verbrauchern ein Begriff
- Scalable oder Weltsparen sind ernstzunehmende Wettbewerber bei der Geldanlage
- und im Retail-Geschäft insgesamt verzeichnen N26, fidor oder Revolut Erfolge.
Hinzu kommen die großen Technologie-Plattformen wie Amazon, Apple oder Alibaba, die eine ganze Bandbreite an Geschäftsmodellen über Branchen- und Ländergrenzen hinweg dominieren. Auch auf Banken wartet in der Ära der Plattform-Ökonomie eine ganz neue Rolle – doch sind sie dafür auch bereit?
Mehr als nur die Kostenseite im Blick
Dieser tiefgreifende Wandel ist längst auch in den Führungsetagen der deutschen Banken angekommen. Das Niedrigzinsumfeld, welches erheblich auf die Ertragslage durchschlägt, vergleichsweise veraltete IT-Strukturen, neue Kundenanforderungen sowie zunehmend aggressiver Fintech-Wettbewerb haben massive Digitalisierungsinitiativen ausgelöst. Dabei stand bislang aber vor allem digitale Optimierung der bestehenden Strukturen im Mittelpunkt, um den Kostendruck zu senken. In Anbetracht ihrer geringen Profitabilität, der erheblichen IT-Legacy sowie der Renovierungsbedürftigkeit der internen Prozesse war dieser Fokus nachvollziehbar. Mit der Kostenseite allein wird die Schlacht jedoch nicht zu gewinnen sein. Auch ein wettbewerbsintensiver Kampf um Marktanteile wird angesichts schrumpfender Banking-Ertragspools nicht helfen. Wir brauchen stattdessen ganz und gar neue Geschäfts- und Ertragsmodelle, die die klassischen Banking-Grenzen hinter sich lassen:
- Finanzinstitute sollten sich stärker darauf ausrichten, konkrete Bedürfnisse der Kunden zu adressieren, statt Produkte verkaufen zu wollen. Santander zeigt das beispielhaft in Südamerika, wo die Autokreditlösung der Bank in die Konfiguratoren von Autohändlern integriert ist.
- Dafür muss sich die einzelne Bank zum Plattform-Spieler entwickeln, der eigene Services geschickt mit Lösungsbausteinen anderer Anbieter kombiniert und den Kunden über eine eigene Plattform anbietet. Als Multi-Kooperationspartner zahlreicher europäischer Finanzinstitute macht es we.trade vor, wie das funktionieren kann. Auch die Integration von Banking-Diensten in andere Plattformen ist essenziell.
- Und es gibt noch einen dritten Unterschied zum traditionellen Banking: Bankdienstleistungen der Zukunft sind ein Teamsport; sie finden in schlagkräftigen Ökosystemen rund um die Kunden statt und nicht im Alleingang. Viele Fintechs haben sich inzwischen von Wettbewerbern zu wichtigen Kooperationspartnern entwickelt. Auch die großen Technologie-Plattformen zeigen sich kooperationsbereit. Das sollten Banken nutzen.
Markt im Wandel
Goldman Sachs ist in dieser Hinsicht aktuell besonders ambitioniert: Das Wall-Street-Institut will sich unabhängiger vom Investmentbanking aufstellen und setzt dafür auf stabile Erträge aus dem Privatkundengeschäft, ohne hierfür traditionelle Strukturen und Präsenzen in der Fläche auszurollen. Die Lösung: Nach einer ersten Kooperation mit Apple bei der Herausgabe einer gemeinsamen Kreditkarte folgt nun die Zusammenarbeit mit Amazon. Goldman will Händler auf der E-Commerce-Plattform mit Finanzierungen versorgen. Darüber hinaus setzen die Amerikaner künftig auf das Angebot flexibler Banking-as-a-Service-Bausteine und wollen schon bald mit einer eigenen Cash-Management-Plattform an den Markt gehen.
Natürlich sind Voraussetzungen einer amerikanischen Investmentbank nicht vollständig auf unsere Bankenlandschaft übertragbar. Auch gibt es kein Patentrezept für den Umgang mit den neuen Herausforderungen. Klar ist aber, dass Deutschlands Finanzinstitute den bevorstehenden Wandel beherzt angehen müssen. Hier geht es längst nicht mehr nur darum, dass die Banken nur für sich im neuen digitalen Wettbewerb bestehen. Denn auch die deutsche Wirtschaft mit ihren Leitbranchen benötigt einen starken Bankensektor, der sie durch den transformatorischen Sturm begleitet. Dafür muss sich die Kreditwirtschaft zu einem starken, integrierten Ökosystem aus Banken, Fintechs und Kunden weiterentwickeln. Finanzen „Made in Germany“ müssen unseren Wirtschafts-Champions dabei helfen, ihr volles digitales Potenzial zu entfalten. Zukunftsfähige Banken werden damit zu einer Zukunftsfrage für den Wirtschaftsstandort.
Weitere Informationen finden Sie auf der Kampagnen-Webseite von Accenture.