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ChatGPT - wie nützlich ist die generative künstliche Intelligenz für Banken?

04.04.2023Artikel
Stephan Mietke
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ChatGPT ist derzeit in aller Munde. Die vielseitigen neuen Fähigkeiten dieses Chatbots beflügeln die Fantasie, schüren aber auch Bedenken über die künftige Anwendung einer so einfach und breit nutzbaren künstlichen Intelligenz in Schule, Arbeitswelt und Wissenschaft. Da liegt die Frage auf der Hand, welche Auswirkungen der jüngste Entwicklungsschub im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz (KI) auch auf die Bankenwelt haben könnte. Doch zunächst ein kurzer Blick darauf, wie ChatGPT sich selbst beschreibt: 

„ChatGPT ist ein fortschrittliches KI-Modell, das von OpenAI entwickelt wurde und es Nutzern ermöglicht, auf natürliche Weise mit einem Computerprogramm zu kommunizieren. Das Modell basiert auf der bahnbrechenden GPT-Technologie (Generative Pretrained Transformer), die in den letzten Jahren in der KI-Forschung weit verbreitet ist.

Mit ChatGPT können Nutzer auf verschiedene Arten kommunizieren, wie zum Beispiel durch die Eingabe von Text, Spracheingabe oder sogar durch die Verwendung von Bildern und Videos. Das Modell kann aufgrund seiner fortschrittlichen Technologie auf verschiedene Arten eingesetzt werden, wie beispielsweise für die Kundenbetreuung, den Kundensupport, die personalisierte Werbung und vieles mehr.

Insgesamt hat ChatGPT das Potenzial, viele Branchen zu revolutionieren und Unternehmen dabei zu helfen, effektiver und effizienter zu arbeiten.“

Die Basis für ChatGPT ist das mächtige Sprachmodell GPT-3, das über ein tiefes neuronales Netzwerk bis zu 175 Milliarden unterschiedliche Parameter verarbeitet. Trainiert wurde das Modell auf einer enormen Datenmenge, die rund 25 Milliarden Druckseiten entspricht, bestehend aus frei verfügbaren Texten aus dem Internet und aus Büchern. Damit übersteigt es um den Faktor 20 alle bisher dagewesenen trainierten Sprachmodelle. Die jüngst eingeführte Evolutionsstufe GPT-4 soll auf 100 Billionen Parametern basieren und damit in Logik und Sprache noch menschenähnlicher funktionieren, auch Bilder beschreiben und sogar Humor erkennen können. 

Da das System im Wesentlichen auf Statistik beruht und anhand von Wahrscheinlichkeiten zwischen Wortzusammenhängen die Inhalte generiert, kommt es vor, dass der Algorithmus Tatsachenbehauptungen erfindet und als Fakten darstellt. Diese und weitere unerwünschte Effekte versucht man durch aufwendiges manuelles Training des Modells zu minimieren. 

Neben OpenAI, an dem Microsoft beteiligt ist, haben Google und Meta mit „Bard“ bzw. „LLaMA“ vergleichbare Chatbots auf Basis großer Sprachmodelle entwickelt. Auch in Europa gibt es insbesondere von deutscher Seite Initiativen zur Entwicklung großer Sprachmodelle, um international nicht den Anschluss zu verlieren. 

Wie und wo können Banken und ihre Kunden von dieser Entwicklung profitieren? 

Bereits heute findet die KI-basierte Sprachverarbeitung (Natural Language Processing) vielfältige Anwendung im Banking, so zum Beispiel bei der Unterstützung im Kundenservice, der Auswertung von öffentlicher Berichterstattung in Echtzeit (News Analytics) oder bei Dokument- bzw. Vertragsanalysen im Rahmen von Due-Diligence-Prozessen. Diese Fähigkeiten ließen sich durch große Sprachmodelle noch deutlich steigern. Zudem kämen weitere Anwendungsfelder in Betracht, die ein größeres Textverständnis und kreative Formulierungsfähigkeiten erfordern, wie zum Beispiel die Erstellung von internen Analysen und Zusammenfassungen oder das Entwerfen von Inhalten und Texten für Produktbeschreibungen oder Werbekampagnen in den Bereichen Marketing und Vertrieb. Unterschiedlichste Arbeitsaufträge wie eine Recherche oder das Erstellen eines Strukturierungsvorschlages könnten zukünftig an die Sprach-KI gerichtet werden und das in natürlicher Sprache, quasi wie eine E-Mail an einen Mitarbeitenden. Die Sprachfähigkeiten generativer KI-Modelle könnten auch für Programmieraufgaben genutzt werden, womöglich sogar zur Pflege oder Migration von bestehenden Legacy-Systemen auf aussterbenden Programmiersprachen wie Cobol, die heute nur noch wenige IT-Fachkräfte beherrschen. Auch wenn das letztes Beispiel noch praxisfern scheinen mag, verdeutlicht es doch das breite Anwendungspotenzial dieser Technologie. Experten schätzen, dass generative AI-Modelle Effizienzgewinne um den Faktor 2-10 für normale Büroarbeiten realisieren können. 

Im direkten Kontakt mit dem Kunden dürften die Einsatzmöglichkeiten von ChatGBT oder vergleichbaren Text-Robotern hingegen auf kurze Sicht noch begrenzt sein. Denn in der unmittelbaren Kundenkommunikation muss sichergestellt sein, dass Aussagen oder gar Empfehlungen sachlich korrekt, intern nachvollziehbar und ethisch unangreifbar sind. Alles andere hätte nicht nur negative Auswirkungen auf die Qualität der Bankdienstleistung und damit die Kundenzufriedenheit. Es könnten sich zudem erheblich Haftungs- und Reputationsrisiken für Banken ergeben, wenn die generative KI ohne zusätzlichen Filter oder menschliche Kontrolle im Kundenumfeld agiert. 

Welche Herausforderungen müssen noch überwunden werden? 

Zwar haben die Entwickler von ChatGPT aus Schwächen früherer Chatbots gelernt und die KI darin trainiert, ethische Werte zu respektieren und eine missbräuchliche Nutzung weitestgehend auszuschießen. Dies ist für den Erfolg und die Akzeptanz im privaten wie geschäftlichen Kontext heute unverzichtbar. Dennoch können solche Effekte nicht gänzlich ausgeschlossen werden. 

Bei ChatGPT, wie generell beim Einsatz von KI, stellt sich auch für Banken die bislang unbeantwortete Frage, wer letztlich die Verantwortung trägt, wenn es zu Schäden oder zur Verletzung von Rechten kommt. Dies gilt in besonderem Maße für sogenannte General Purpose AI, also Allzweck-KI-Systeme, die zweckunspezifisch entwickelt wurden und für vielfältige Aufgaben einsetzbar sind. Bisher ist dies rechtlich noch ein Graubereich, der durch Gesetzgebung und Rechtsprechung noch zu konkretisieren ist.

So arbeitet der europäische Gesetzgeber mit dem AI Act und dem Richtlinienvorschlag zur KI-Haftung an gesetzlichen Regelungen, die vor allem für Hoch-Risiko-KI-Anwendungen offene Haftungsfragen klären und mehr Vertrauen bei den Nutzern und Betroffenen schaffen sollen. Dies soll über die Erfüllung und den Nachweis bestimmter Mindestanforderungen unter anderem zu Transparenz, Cybersicherheit und Risikomanagement erreicht werden. Mit dem öffentlichen Hype um ChatGPT wurden nun auch Allzweck-KI-Systeme stärker in den Fokus genommen. Es bleibt zu hoffen, dass hierdurch mehr Rechtssicherheit für Banken und andere Anwender von KI geschaffen wird, auch wenn derzeit noch offen ist, wie eine verantwortungsgerechte Risikoverteilung genau aussehen kann.

Unabhängig davon ist es im Finanzsektor gelebte Praxis, alle Risiken für die Bank zu identifizieren, laufend zu überwachen und zu steuern. Dies gilt auch heute schon für den Einsatz von KI-Systemen im Bankbetrieb. Das Risikomanagement muss den Vorgaben der Bankenregulierung folgen und sich hierbei der Kontrolle durch die Bankenaufsicht stellen. Insofern obliegt es dem Bankensektor bereits heute, KI-Anwendungen verantwortungsvoll einzusetzen, sei es im unmittelbaren Kundenkontakt oder im internen Risikomanagement. 

Fazit

Im Ergebnis versprechen sogenannte große Sprachmodelle, wie sie bei ChatGPT herangezogen werden, Potenziale für die Realisierung von Produktivitätssteigerungen gerade auch im Bankensektor. Eine weitreichende Anwendung in Kundenprozessen und in Bereichen mit speziellen Risiken dürfte angesichts des aktuellen Reifegrades und des unsicheren rechtlichen Umfeldes allerdings noch mit einem deutlichen Fragezeichen versehen sein. Die hohe Dynamik der technologischen Weiterentwicklungen lässt jedoch deutliche Fortschritte im Hinblick auf Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit – Stichwort „Explainable AI“ – in nicht allzu ferner Zukunft erwarten. Damit werden generative KI-Anwendungen weiter an Relevanz und Praxistauglichkeit hinzugewinnen.  

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Juliane Weiß

Pressesprecherin für Regulierung der Finanzmärkte, Einlagensicherung, Finanzbildung, Steuern, Geldwäsche und Finanzfritzen/Instagram

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