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Der US-Inflation Reduction Act – EU äußert Bedenken

14.11.2022Artikel
Julia Topar
Dr. Henrik Meyer
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Ein kürzlich beschlossenes Gesetzespaket der US-Regierung, der „Inflation Reduction Act 2022“, zielt darauf ab, die hohe Inflation in den USA einzudämmen, vor allem aber die Klimatransformation der US-amerikanischen Wirtschaft erheblich zu forcieren. Steuererleichterungen für Elektroautos, massive Investitionen in Technologien zur Reduktion von CO2-Emissionen und der Ausbau von Wind- und Solarkraft – dies sind nur einige jener im Gesetz geregelten Vorhaben, die die USA in eine grünere Zukunft führen sollen.

Förderung nur für in USA hergestellte Produkte

Doch was zunächst wie eine begrüßenswerte Offensive für mehr Klimaschutz aussieht, wird in Europa mit Vorsicht und Skepsis betrachtet. Grund dafür: Das Gesetzespaket, das über zehn Jahre hinweg Ausgaben von rund 430 Milliarden Dollar vorsieht, droht europäische Unternehmen zu benachteiligen. So verspricht die Regierung jedem Elektroautokäufer 7500 Dollar Steuergutschrift, sofern die Fahrzeuge in Amerika zusammengesetzt wurden. Von 2026 an müssen obendrein 80 Prozent der seltenen Mineralien für die Antriebsbatterien in Amerika oder in Ländern geschürft werden, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen haben – die EU gehört bislang nicht dazu. Lieferungen von „verdächtigen ausländischen Einheiten“ sind generell untersagt – das zielt auf China, ist aber genügend vage, um auch Unternehmen aus anderen Ländern auszuschließen. Nach einer Übergangszeit müssen die Batterien dann komplett aus Amerika kommen.

Drei strategische Ziele

Mit dem Inflation Act und der Elektroauto-Förderung verfolgt die Regierung Biden, so die Einschätzung von Beobachtern, drei strategische Ziele: Sie will die Wirtschaft klimaverträglich umbauen, sie will Amerika reindustrialisieren, und sie will sich Chinas politischen und technologischen Hegemoniebestrebungen entgegenstellen. Die europäische und speziell auch die deutsche Automobilindustrie könnte der Leidtragende sein, sofern sie nicht in den USA selbst produziert.

Schon jetzt investiert die deutsche Industrie kräftig in den Vereinigten Staaten. BMW hat gerade bekannt gegeben, in den kommenden Jahren sein Werk in Spartanburg für 1,7 Milliarden Dollar ausbauen zu wollen. Der Spezialchemiehersteller Evonik eröffnete Anfang September ein Forschungszentrum in Pennsylvania. Da der Inflation Reduction Act umfangreiche Subventionen auch für andere Branchen vorsieht, steht aus europäischer Sicht zu befürchten, dass Unternehmen in die USA abwandern könnten. 

Europa sucht einheitliche Linie

Die Europäische Union weist darauf hin, dass das Gesetzespaket nicht die Wettbewerbsbedingungen zwischen Europa und den USA verzerren dürfe, ringt ansonsten aber noch um eine einheitliche Linie. Zur Konfliktbewältigung haben die EU und USA inzwischen eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Daneben gibt es noch den halbjährlich tagenden Trade and Technology Council (TTC), in dem dieses Thema ebenfalls eine große Rolle spielen dürfte. Einen Handelskrieg, so heißt es explizit in Frankreich und Deutschland, wolle man vermeiden. 

Nach Aussage von EU-Außenhandelskommissar Dombrovskis bestünde die ideale Lösung des Konflikts darin, dass die EU dieselben Ausnahmen von den Gesetzesbestimmungen gewährt bekäme wie Kanada und Mexiko, die 1994 ein gemeinsames Freihandelsabkommen mit den USA vereinbart haben. In der Kommission gilt das allerdings als wenig realistisch. Immerhin aber, so der Eindruck von Experten, deute allein die Einrichtung der Arbeitsgruppe darauf hin, dass die Amerikaner um Schadensbegrenzung bemüht sind. Auch die vor Kurzem ausgehandelte Einigung zu Flugzeugzöllen sowie die Verständigung über den Stahl- und Aluminiumsektor deuteten in diese Richtung. 

Doch auch jenseits des Inflation Reduction Acts gibt es gegenwärtig einige Reibungspunkte in den europäisch-amerikanischen Beziehungen. Die amerikanischen Bestrebungen, Chinas politischen und ökonomischen Einfluss in der Welt zurückzudrängen, stehen hinter dem US-Exportbann für Hightechchips und Chiptechnologie nach China, der indirekt auch europäische Unternehmen trifft. Weitere Kollateralschäden für die europäische Wirtschaft, wenn sich der amerikanisch-chinesische Konflikt zuspitzen sollte, sind zu erwarten.