Wasserzeichen
FinanzbildungSustainable FinanceInvestitionen

EU will unabhängig von russischen Energieimporten werden

07.07.2022Artikel
Julia Topar
Dr. Henrik Meyer
background
hero

Um unabhängig von russischen Energielieferungen zu werden, muss Europa bis Ende des Jahrzehnts rund 300 Milliarden Euro zusätzlich in die Energiewende investieren, wie aus Berechnungen der EU-Kommission hervorgeht. Bis 2027 sind demnach zusätzliche Investitionen von 210 Milliarden Euro nötig, die vom privaten und öffentlichen Sektor sowie auf nationaler, grenzüberschreitender und EU-Ebene getätigt werden müssen. Zur Unterstützung dieser Investitionen will die EU-Kommission auf den Corona-Wiederaufbaufonds zurückgreifen, in dem bereits 225 Milliarden Euro an Darlehen zur Verfügung stünden. Darüber hinaus schlägt die Brüsseler Behörde vor, über den Wiederaufbaufonds weitere 20 Milliarden Euro an nicht rückzahlbaren Zuschüssen zu vergeben. Mobilisiert werden soll dieser Betrag durch eine Versteigerung von derzeit in der Marktstabilitätsreserve gehaltenen CO2-Zertifikaten des EU-Emissionshandelssystems (ETS). Davon abgesehen soll Geld aus den Agrar- und Sozialfonds des EU-Haushalts so umgewidmet werden, dass es der Energiesicherheit zugutekommt.

Ausbau der erneuerbaren Energie

Der Ausbau der erneuerbaren Energie spielt in den Plänen der EU-Kommission zur Lösung von Russland eine große Rolle. 155 Milliarden Kubikmeter Erdgas muss die EU im Jahr ersetzen, will sie bis 2027 unabhängig sein. Die Kommission baut dabei auf ihrem Fit-for-55-Paket auf, das bis 2030 ohnehin den Gasverbrauch um 100 Milliarden Kubikmeter gesenkt hätte. Da dies nun nicht mehr ausreicht, will die Kommission das Ziel für den Ausbau der erneuerbaren Energie für 2030 von bisher 40 Prozent auf 45 Prozent anheben. Die Windkraft soll beinahe die Hälfte liefern, den Großteil jedoch soll die Solarenergie beitragen. Eine neue Solardachinitiative soll die öffentliche Hand und Betriebe verpflichten, Neubauten von mehr als 250 Quadratmetern mit Solarpaneelen auszustatten. Für private Neubauten soll das von 2029 an gelten. Um damit nicht in die nächste Abhängigkeit von chinesischen Solarpaneelen zu laufen, will die Kommission zudem die Ansiedlung der Solarpaneelen-Produktion in Europa fördern.

Auch die Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden. Die Staaten sollen dafür bestimmte Gebiete als Vorrangflächen für den Ausbau definieren, etwa Dächer oder Flächen um Autobahnen. Für diese soll dann ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren gelten. Bislang dauert die Genehmigung von Windkraftanlagen im EU-Durchschnitt neun Jahre, für Sonnenkraft sind es bis zu fünf Jahre. Gerade Deutschland schneidet dabei schlecht ab.

EU verzichtet auf Vorgaben

Neben dem Ökostrom-Ausbau will die Kommission auch die Energiesparziele der EU verschärfen und nimmt dabei den Gebäudesektor in den Blick. Die Renovierungsrate soll gesteigert und innerhalb der kommenden fünf Jahre insgesamt 10 Million Wärmepumpen installiert werden, doppelt so viele wie bisher geplant. Die EU-Kommission betont, dass der Einzelne einen großen Beitrag leisten könne, um Energie zu sparen. Wenn die Menschen ihr Auto weniger nutzten oder weniger heizten, könne die EU dadurch 5 Prozent der russischen Gas- und Öleinfuhr sparen. Sie verzichtet aber darauf, Vorgaben dazu zu machen. Die EU-Länder sollen vielmehr über Steueranpassungen Anreize dafür schaffen.

All diese Maßnahmen werden aber nicht ausreichen, um die Abhängigkeit von Russland schnell zu senken. Daher setzt die EU-Kommission zumindest kurz- bis mittelfristig auch auf die Einfuhr von Flüssiggas und Erdgas aus anderen Ländern. Auch Kohlekraft- und Atomkraftwerke sollen länger laufen, zudem will die Kommission den Bau von Pipelines für Öl und Gas fördern. 10 Milliarden Euro sollen in den Ausbau der Gasinfrastruktur in der EU fließen, 30 Milliarden sind für die Anpassung des Stromnetzes an den Ökostrom-Ausbau nötig.