- Die Berücksichtigung klimapolitischer Ziele darf die politische Unabhängigkeit der EZB und ihr klares Mandat, Preisstabilität zu garantieren, nicht in Frage stellen. Eine grüne Geldpolitik kann daher nur ein „Nebenziel“ sein.
- Bei der Umsetzung ihres klimabezogenen Maßnahmenplans sollte sich die EZB auf den notenbankfähigen Sicherheitenrahmen konzentrieren. Werden geldpolitische Instrumente genutzt, die nicht dauerhaft eingesetzt werden (z. B. Anleihekaufprogramme), droht im Falle einer restriktiven Geldpolitik ein Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Klimaschutz.
- Der Sicherheitenrahmen der EZB sollte durch grüne Assets erweitert werden. Zusätzlich wären Anreize über einen geringeren Haircut für grüne Anleihen denkbar.
Nachhaltigkeit wird Element der neuen EZB-Strategie
Deutlich früher als erwartet hat die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang Juli die Ergebnisse ihrer Strategieüberprüfung veröffentlicht. Neben dem neu definierten Inflationsziel hat der EZB-Rat beschlossen, Klimaschutzaspekte künftig stärker in der Geldpolitik zu berücksichtigen. Dafür wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket erarbeitet.
Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass der Klimawandel zu Extremwetterereignissen oder strukturellen Veränderungen führen und so die Preisniveaustabilität im Euroraum gefährden kann. Bei der Umsetzung des beschlossenen klimabezogenen Maßnahmenplans sind der EZB allerdings durch ihr Mandat zur Sicherung der Preisstabilität klare Grenzen gesetzt. Möglichen Zielkonflikten zwischen klimapolitischen Zielen und der Preisniveaustabilität sollte vorgebeugt werden.
Mögliche Zielkonflikte
Das Mandat und damit das primäre Ziel der EZB ist die Sicherung der Preisniveaustabilität im Euroraum. In dem Maße, wie Klimarisiken das Preisziel gefährden, besteht kein grundsätzlicher Konflikt zwischen Klima- und Preiszielen. Es sind allerdings auch Situationen denkbar, in denen klimapolitische Maßnahmen das Bemühen der EZB um Preisniveaustabilität behindern können.
Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn eine mehrstufige CO2-Bepreisung über einen längeren Zeitraum hinweg eingeführt würde. Dann könnten klimapolitische Ziele, denen sich auch die EZB verpflichtet, dem Ziel der Preisniveaustabilität entgegenstehen. Außerdem könnten geldpolitische Maßnahmen, die zur Wahrung der Preisstabilität notwendig sind, klimapolitische Ziele konterkarieren, etwa wenn grüne Anleihen durch die Notenbank verkauft werden müssen.
Wegen dieser potenziellen Zielkonflikte muss sich die EZB klar an ihre eigene Vorgabe halten: Sie darf eine grüne Geldpolitik ausdrücklich nur innerhalb ihres Mandats, also als Nebenziel, unter der Voraussetzung, dass die Preisniveaustabilität gewährleistet ist, in ihrer Geldpolitik berücksichtigen.
Das Instrumentarium einer grünen Geldpolitik
Der Leitzins ist das wichtigste geldpolitische Instrument der EZB. Für eine gezielte grüne Geldpolitik wird er von der EZB aber in ihrem klimabezogenen Maßnahmenplan nicht berücksichtigt. Das liegt vor allem daran, dass nicht geklärt ist, ob ein niedriger oder ein höherer Leitzins klimapolitische Ziele unterstützt.
Die EZB hat sich in ihrem Maßnahmenplan daher auf geldpolitische Instrumente konzentriert, von denen sie sich wirkungsvolle Steuerungsmöglichkeiten erhofft. Dies sind insbesondere:
- das grüne Quantitative Easing (QE),
- klimabezogene Offenlegungsanforderungen und
- die Berücksichtigung von Klimarisiken im Sicherheitenrahmen.
Verstärkter Ankauf grüner Anleihen
Die europäischen Währungshüter planen, ihre Wertpapierankäufe zukünftig unter anderem nach Klimakriterien auszurichten. Im Rahmen ihrer Kaufprogramme wäre die EZB ein großer Nachfrager nach grünen Anleihen, was in diesem Marktsegment tendenziell für höhere Anleihekurse und einen niedrigen Zins sorgen würde. Das gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass das Marktvolumen grüner Anleihen – trotz einer dynamischen Entwicklung – gegenwärtig noch relativ gering ist.
Bei diesen Überlegungen darf allerdings nicht außen vor bleiben, dass großvolumige Ankaufprogramme (Quantitative Easing, QE) kein dauerhaftes Instrument der Geldpolitik sein können. Es wird auch wieder geldpolitische Phasen geben, in denen die EZB die Zentralbankgeldmenge drosseln oder gar zurückfahren muss, um die Preisniveaustabilität zu gewährleisten. Im Falle einer restriktiven Geldpolitik, die den Verkauf von Assets durch die Notenbank erforderlich macht, würde also ein Zielkonflikt zwischen der Wahrung der Preisstabilität und der Klimapolitik entstehen, wenn zuvor verstärkt beziehungsweise ausschließlich grüne Assets erworben wurden.
Der bevorzugte Kauf grüner Anleihen als Instrument einer grünen Geldpolitik wäre daher nur effizient, wenn QE-Programme der EZB als „geldpolitische Einbahnstraße“ durchgeführt werden, ein Verkauf der erworbenen Anleihen also faktisch ausgeschlossen wird. Damit würde aber die geldpolitische Reaktionsfähigkeit der EZB ganz empfindlich beschnitten.
Ein verstärkter Ankauf grüner Anleihen scheint daher als Instrument einer grünen Geldpolitik nicht sonderlich geeignet zu sein.
Klimabezogene Offenlegungspflichten
Ein weiterer Vorschlag der EZB umfasst klimabezogene Offenlegungsanforderungen als Zulassungskriterien für den notenbankfähigen Sicherheitenrahmen und die Ankaufprogramme der EZB. Eine solche Vorgabe würde den notenbankfähigen Sicherheitenrahmen und die Kaufmöglichkeiten der EZB im Rahmen ihrer QE-Programme jedoch einschränken, mit der Konsequenz, dass letztlich auch die Wirksamkeit von geldpolitischen Impulsen begrenzt wird.
Überzeugender wäre es deshalb, mit klimabezogenen Berichtspflichten positive Anreize zu setzen. Mit Blick auf die zentralbankfähigen Sicherheiten könnte dies etwa durch eine gezielte Ausweitung des Sicherheitenrahmens für grüne Assets geschehen.
Grüne Anleihen im notenbankfähigen Sicherheitenrahmen
Um Zielkonflikte zu vermeiden und die Wirkung ihrer geldpolitischen Instrumente nicht zu beschneiden, sollte sich die EZB bei der Umsetzung des klimabezogenen Maßnahmenplans klar auf eine dauerhafte Ausweitung des notenbankfähigen Sicherheitenrahmens durch grüne Assets konzentrieren. Wenn Ratingagenturen bei der Bonitätsbewertung konsequent klimabezogene Risiken berücksichtigen, könnte durch erleichterte Zulassungskriterien sogar eine direkte Bevorzugung für grüne Sicherheiten erwogen werden. Solche Überlegungen wären gerechtfertigt, da grüne Sicherheiten niedrigere klimabezogene Risiken aufweisen, wodurch – unter sonst gleichen Bedingungen – auch ihre Ausfallwahrscheinlichkeit etwas niedriger sein dürfte.
Sicherheitenrahmen und Haircuts
Für alle Kreditgeschäfte des Eurosystems sind ausreichende Sicherheiten zu hinterlegen. Eine Liste der akzeptierten Sicherheiten wird vom Eurosystem erstellt.
Auf den Wert dieser Sicherheiten wird ein Bewertungsabschlag (Haircut) definiert, der als Sicherheitspuffer für Wertverluste und die für den Verkauf von Sicherheiten benötigte Zeit dient. Dieser Abschlag ist abhängig von der Art der Sicherheit, von der Restlaufzeit sowie von Verzinsung und Bonität.
Die Berücksichtigung klimabezogener Risiken in den Ratings für Unternehmen würde sich auch auf die Haircuts im Sicherheitenrahmen des Eurosystems auswirken. Darüber hinaus wäre aber auch eine generelle Reduktion der Haircuts für grüne Sicherheiten gerechtfertigt, da genauso wie bei den Überlegungen zu leichteren Zulassungskriterien für grüne Sicherheiten auch bei den Haircuts berücksichtigt werden könnte, dass grüne Anleihen die allgemeinen Klima- und Preisniveaurisiken reduzieren.
Die EZB könnte daher mit einem gezielt um grüne Sicherheiten ausgeweiteten Sicherheitenrahmen und an einer nachhaltigen Klimapolitik orientierten Haircuts ein gut dosierbares sowie sehr markt- und risikonahes Steuerungsinstrument für umweltpolitische Aspekte nutzen. Bei der Konzentration auf ihre Ankaufprogramme könnte die EZB dagegen schnell an die Grenzen ihres geldpolitischen Mandats stoßen. Insbesondere dann, wenn die aktuell stark ausgeweitete Zentralbankgeldmenge irgendwann einmal wieder gedrosselt werden müsste.
Position des Bankenverbandes zu einer grünen Geldpolitik der EZB
- Eine Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten in der Geldpolitik der EZB ist richtig und wichtig, da mit dem Klimawandel auch gravierende Risiken für die Finanz- und Preisstabilität verbunden sein können.
- Da klimapolitische Ziele in bestimmten Situationen in einen Konflikt mit der Preisniveaustabilität geraten können, sollte eine grüne Geldpolitik nur im Rahmen eines „Nebenziels“ in der EZB-Strategie berücksichtigt werden.
- Nicht dauerhaft angelegte Instrumente, etwa großvolumige Anleihekaufprogramme, sind für eine grüne Geldpolitik nicht sonderlich geeignet, da sich hier im Falle einer restriktiven Geldpolitik ein Zielkonflikt zwischen Preisstabilität und Klimaschutz ergeben kann.
- Für eine bessere geldpolitische Steuerung sollte sich die EZB bei der Umsetzung ihres klimabezogenen Maßnahmenplans gezielt auf die Ansätze konzentrieren, mit denen der Sicherheitenrahmen durch grüne Anleihen erweitert wird. Eine Möglichkeit sind erleichterte Zulassungskriterien für notenbankfähige Sicherheiten auf der Grundlage umweltpolitischer Kriterien.
- Durch eine generelle Senkung der Haircuts für grüne Sicherheiten könnte ein zusätzlicher Anreiz für die Hinterlegung dieser Sicherheiten geschaffen werden.
- Notwendige Voraussetzung für eine wirksame grüne Geldpolitik ist ein objektiver und einheitlicher Maßstab zur Definition grüner Anleihen und Sicherheiten. Die Bemühungen um einen gemeinsamen Klassifikationsrahmen innerhalb der EU (Taxonomie) sollten deshalb mit Nachdruck – aber auch unter dem Blick einer praktikablen Anwendung – vorangetrieben werden.