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Kapitalmarktunion – eine Zwischenbilanz

17.10.2022Artikel
Miye Kohlhase
Dr. Hendrik Hartenstein
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Ausgelöst durch globale Konflikte können Unternehmen in Deutschland und Europa aktuell in Not geraten. Die Wirtschaft steuert auf eine Rezession zu. Um die akute Krise zu überwinden, muss die Widerstandskraft der deutschen wie der europäischen Wirtschaft gestärkt werden. Der Blick muss dabei auf die großen – globalen – Themen gerichtet bleiben: 

  • Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, 
  • ihre Widerstandsfähigkeit (Resilienz) angesichts zahlreicher Abhängigkeiten im globalen Handel, 
  • die Energiewende wie insgesamt die Nachhaltigkeit,
  • und nicht zuletzt die Souveränität Europas. 

EU vor Jahrzehnt der Investitionen

Klar ist schon jetzt: Um diese strukturellen Herausforderungen zu meistern, steht Europa vor einem Jahrzehnt der Investitionen, das es auch nur mit einer engeren politischen Zusammenarbeit innerhalb der EU organisieren kann. Die Kapitalmarktunion wird vor diesem Hintergrund noch dringlicher und zur unverzichtbaren Grundlage. Es geht dabei darum, das in der EU vorhandene Potenzial besser auszuschöpfen und Kapital zu mobilisieren. Dies ist nur möglich mit einem tiefen, effizienten, global wettbewerbsfähigen Kapitalmarkt. 

Wo stehen wir?

Der erste Aktionsplan der Kommission aus 2015 setzte die Diskussion um die Vertiefung des europäischen Kapitalmarkts erneut in Gang. Mit dem zweiten Aktionsplan aus 2020 griff die Kommission die Vorschläge der High Level Expert Group auf und kündigte weitere Maßnahmen für die noch laufende Legislatur an. 

Seither ist auch deutlich geworden, dass die Kapitalmarktunion nur funktionieren kann in Verbindung mit starken Banken, die ihre Mittlerrolle zwischen Kapitalgebern und Kapitalsuchenden effizient wahrnehmen können. Dafür brauchen sie einen angemessenen regulatorischen Rahmen, der Marktintegrität, Finanzstabilität und Anlegerschutz gewährleistet. Zu detaillierte oder engmaschige Vorgaben, die unnötige Komplexität oder Bürokratie schaffen, gehen allerdings zulasten der Markteffizienz und sollten korrigiert werden. 

Momentan werden unter anderem die bestehende Wertpapierregulierung MiFIR/MiFID II und die Verordnung über Zentralverwahrer (CSDR) überarbeitet. Die Chance, hier sinnvolle Korrekturen vorzunehmen, sollte genutzt werden.

Bei der Überarbeitung von bestehenden Kapitalmarktregeln kommt es vor allem auf die Praktikabilität ihrer Anwendung und auf die Funktionalität des Marktes an. 

Positionspapier des Bankenverbandes

Der Bankenverband adressiert in seinem aktuellen „Positionspapier zur Kapitalmarktunion 2022“ Dringlichkeit und Leitlinien der Kapitalmarktunion und schlägt Maßnahmen vor, auf die sich die aktuelle EU-Kommission zeitnah noch fokussieren sollte. 

  • Dazu zählen das – im Aktionsplan angekündigte – Verbriefungsrahmenwerk, 
  • eine angemessene Lösung der durch den Brexit ausgelösten CCP-Clearing-Problematik, 
  • eine zielgerichtete Anpassung bestehender Kapitalmarktregeln (MiFIR, CSDR), 
  • eine gezielte Harmonisierung der Anwendung von Insolvenzrecht im Kapitalmarktbereich
  • und schließlich die Ausgestaltung des EU Green Bond Standards. 

Entscheidend bleiben wirkungsvolle Fortschritte bei der Vertiefung des europäischen Kapitalmarkts.