Sollte sich die Exportfinanzierung stärker an den strategischen Interessen Deutschlands orientieren, und wenn ja, warum?
Das Zusammenspiel zwischen Politik, Wirtschaft und Finanzindustrie ist ein Garant für Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum in Deutschland. Der Bankenverband stellt in dem Format "Eine Frage – drei Antworten" Meinungen von Vertretern der genannten Bereiche gegenüber. Die Experten antworten unabhängig voneinander und ohne sich zuvor dazu ausgetauscht zu haben, auf dieselbe Frage und schaffen damit eine Grundlage für weiterführende Debatten.
Die internationale Performance der deutschen Wirtschaft ist eine zentrale Säule unseres Wohlstands. Daher ist es im Sinne der gesamten Gesellschaft das Außenwirtschaftsmodell Deutschlands zukunftsfähig zu gestalten. Ein wesentliches Element hierfür sind die staatlichen Instrumente der Exportfinanzierung. Um im globalen Wettbewerb nicht nur mitzuhalten, sondern eine Vorreiterrolle einzunehmen, muss die Exportfinanzierung wettbewerbsfähig, strategisch angelegt und auf ein Level-Playing-Field ausgerichtet sein. Es gilt, Finanzierungslösungen zu schaffen, mit deren Hilfe das volle Potential der deutschen Wirtschaft genutzt werden kann. Angesichts der Bedeutung der Außenwirtschaft für die Exportnation Deutschland stellt sich daher die Frage nach der zukünftigen Ausgestaltung und der optimalen Ausrichtung der Exportfinanzierung auf die wirtschaftspolitischen Ziele des Landes. Als Beitrag zu einer lösungsorientierten Debatte fragen wir drei Experten aus verschiedenen Branchen: Sollte sich die Exportfinanzierung stärker an den strategischen Interessen Deutschlands orientieren, und wenn ja, warum?
Werner Schmidt, Managing Director | Global Head of Structured Trade & Export Finance, Deutsche Bank AG
Der nachhaltige Umbau der globalen Wirtschaft und der immense Investitions- und Finanzierungsbedarf bieten enorme Chancen und erfordern ein enges Verzahnen von Exporteuren, Banken und öffentlichen Förderinitiativen. Aufgrund des intensiven globalen Wettbewerbs in einer zunehmend bi-polaren Wirtschaftswelt müssen staatliche Exportförderungs- und Rohstoffsicherungsinstrumente neu gedacht werden. Beispielsweise sollten durch eine Flexibilisierung von Wertschöpfungsregeln Turnkey-Projekte aus Deutschland stärker unterstützt und durch Ausweitung des Anwendungsbereichs der ungebundenen Finanzkreditdeckung die Transformation im Energiebereich begleitet werden. Exemplarisch sei hier der grüne Wasserstoffsektor genannt.
Michael Hannig, SVP Corporate Finance, Group Treasurer, Voith Group
Im Wettbewerb stehen nicht nur technologische Spitzenleistungen deutscher Unternehmen, welche auf internationale Marktpreise treffen. Staatliche Rahmenbedingungen konkurrieren miteinander – selbst innerhalb der EU. Aufträge und damit Arbeitsplätze werden durch flexible, kostenoptimierende internationale Wertschöpfungsketten gesichert, begleitet durch die staatliche Exportkreditversicherung. Doch sind deutsche Exporteure mit dem Ursprungszeugnis und (hohen) Mindestanforderungen an deutsche Wertschöpfung konfrontiert – diese Beschränkungen führen in der Regel nicht zur erforderlichen Kostenbasis. „Level-Playing-Field“ geht anders. Es ist höchste Zeit, sich diesem Wettbewerb der Rahmenbedingungen zu stellen.
Gregor Wolf, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V.
Die Antwort lautet: Ja, wenn dies zu einer Ausweitung des internationalen Handels und zur Erschließung neuer Absatz- und Beschaffungsmärkte führt. Unternehmen müssen sich hinsichtlich Fertigung und Handel weltweit aufstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, Lieferstrukturen zu diversifizieren und am interregionalen Handel teilnehmen zu können. Dies wird umso wichtiger, je höher die weltweiten Handelshemmnisse und Lokalisierungsanforderungen werden. Ebenso muss der Digitalisierung von Geschäftsmodellen entsprechend Rechnung getragen werden. Der Standort Deutschland steht längst auch beim Zugang zu Exportfinanzierungen im internationalen Wettbewerb und muss hier wettbewerbsfähig bleiben.
Position des Bankenverbands
Neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie sind als Herausforderungen in der Exportwirtschaft explizit der Klimawandel, geopolitische Friktionen und Verwerfungen bei Lieferketten zu nennen. Kosteneffizienz im Exportgeschäft ist durch das Ursprungsprinzip und hohe Mindestanforderungen an deutsche Wertschöpfung oft nicht ausreichend gegeben. Gleichzeitig ist der "National Interest-Ansatz" in anderen Ländern bereits etabliert. Deutschland braucht eine Exportstrategie, welche an die genannten Herausforderungen und den intensiven internationalen Wettbewerb auszurichten ist. Ziel muss sein, die Finanzierung von Exportvorhaben im strategischen Interesse Deutschlands unter Einsatz der Exportförderungsinstrumente zu sichern. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft muss durch zielgerichtete und zukunftsorientierte Rahmenbedingungen gestärkt werden.