Mit der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) zum neuen operativen Handlungsrahmen im März dieses Jahres haben die Währungshüter ebenfalls angekündigt, klimabezogene Aspekte in die strukturellen geldpolitischen Geschäfte einzubeziehen. Für uns ist das ein Anlass, mit drei Fragen und drei Antworten das Thema „grüne Geldpolitik“ der EZB etwas näher zu beleuchten.
1. Was bedeutet grüne Geldpolitik?
Bereits im Jahr 2021 hat die EZB im Rahmen ihrer Strategieüberprüfung beschlossen, Klimaschutzaspekte künftig stärker in ihrer Geldpolitik zu berücksichtigen. Insbesondere die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken für die Preis- und Finanzstabilität sollen besser verstanden und bei geldpolitischen Entscheidungen bedacht werden. Zum Beispiel kann der Klimawandel über Extremwetterereignisse das Güterangebot (z.B. Lebensmittel) massiv beeinträchtigen und somit die Preisniveaustabilität im Euroraum beeinflussen. Um diese Risiken für die Preis- und Finanzstabilität zu berücksichtigen, wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket erarbeitet – Klimaschutzaspekte sollen beispielsweise in den Anleiheportfolios und dem Sicherheitenrahmen der EZB einfließen.
In diesem Zusammenhang hat insbesondere EZB-Präsidentin Christine Lagarde immer wieder betont, wie wichtig das Primärziel der europäischen Notenbank – die Preisniveaustabilität – für die Transformation und die Bekämpfung des Klimawandels sei. Der Übergang in eine klimaneutrale Wirtschaft erfordere Investitionen mit langen Planungszeiträumen, für die stabile Inflationserwartungen und -prognosen einen besseren Überblick über die Investitionskosten ermöglichen.
Allerdings sind auch Zielkonflikte zwischen klimapolitischen Maßnahmen der EZB und dem Primärziel der Preisniveaustabilität möglich. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn grüne Anleihen durch die Notenbank verkauft werden müssen. Daher darf eine grüne Geldpolitik ausdrücklich nur als Nebenziel, unter der Voraussetzung, dass die Preisniveaustabilität gewährleistet ist, in der Geldpolitik der EZB berücksichtigt werden.
2. Welche Schritte unternimmt die EZB?
Die EZB hat sich in den vergangenen drei Jahren zunächst auf die Analyse von klimapolitischen Risiken und die Sammlung von Daten zu den Auswirkungen des Klimawandels auf das Wirtschafts- und Finanzsystem konzentriert. Dafür wurde unter anderem in der Bankenaufsichtssäule der EZB ein klimabezogener Stresstest entwickelt, der die Resilienz der Banken gegenüber verschiedenen Klimaszenarien auf die Probe stellt. Zudem haben die Währungshüter damit begonnen, die CO2-Fußabdrücke der zum Zweck der Geldpolitik von der Notenbank gehaltenen Wertpapiere regelmäßig zu veröffentlichen.
Bei den geldpolitischen Instrumenten hat die EZB ebenfalls Klimaschutzaspekte integriert oder plant entsprechende Schritte, insbesondere
- beim Sicherheitenrahmen
Der EZB-Rat beschloss im Juli 2022, klimabezogene Offenlegungspflichten für Sicherheiten ab dem Jahr 2026 einzuführen. So sollen in der Regel Sicherheiten akzeptiert werden, die den Anforderungen der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) entsprechen. Zudem wird zum Ende dieses Jahres eine Begrenzung des Anteils CO2-intensiver Vermögenswerte im Sicherheitenrahmen angestrebt.
- bei den Anleiheportfolios der EZB
Seit Oktober 2022 reinvestiert die EZB ihre Bestände an Unternehmensanleihen zugunsten von Emittenten mit einer besseren Klimabilanz. Allerdings werden fällige Tilgungsbeträge aus geldpolitischen Gründen nach einer Übergangszeit ab dem Jahresende überhaupt nicht mehr reinvestiert. Damit verliert das Anleiheportfolio als aktives Instrument einer grünen Geldpolitik aktuell an Bedeutung.
3. Wie geht es mit der grünen Geldpolitik weiter?
Die EZB hat Anfang dieses Jahres einen „climate and nature plan“ für die Jahre 2024 und 2025 veröffentlicht. Dabei sollen die Themen „Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft“, „Bewältigung der zunehmenden physischen Auswirkungen des Klimawandels“ und Arbeiten zum Thema „Naturverlust und -zerstörung“ im Fokus stehen. Maßnahmen u. a. im Bereich der geldpolitischen Strategie und der Bankenaufsicht, Stresstests und Analysen der Finanzstabilität sollen zudem fortgeführt und erweitert werden.
Aus Sicht des Bankenverbandes sollten in der weiteren Debatte um die Berücksichtigung von Klimaschutzaspekten im Sicherheitenrahmen und den Anleiheportfolios der EZB insbesondere die beiden folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
1. Um Zielkonflikte zu vermeiden und die Wirkung ihrer geldpolitischen Instrumente nicht zu beschneiden, sollte sich die EZB bei der Umsetzung des klimabezogenen Maßnahmenplans auf eine dauerhafte Ausweitung des notenbankfähigen Sicherheitenrahmens durch grüne Assets konzentrieren. Derzeit ist eine Begrenzung des Anteils CO2-intensiver Vermögenswerte im Sicherheitenrahmen geplant, wodurch die verfügbaren Sicherheiten reduziert würden. Positive Anreize für grüne Sicherheiten wären dagegen ein markt- und risikonahes Steuerungsinstrument.
2. Im März 2024 hat die EZB beschlossen, zukünftig ein strukturelles Wertpapierportfolio zu halten. Hierbei sollen auch klimabezogene Aspekte einbezogen werden.
Dieses strukturelle Portfolio dürfte zu einem Großteil aus Staatsanleihen bestehen. Die Verfügbarkeit grüner Staatsanleihen ist derzeit allerdings noch recht gering und stark von den Bemühungen der einzelnen Länder abhängig, ihre Emissionen zu reduzieren.