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Jugendstudie 2021: Die „Generation Corona“ will gehört werden

08.10.2021Artikel
Christian Jung
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Wie hat die junge Generation die Zeit der Corona-Pandemie – ob in Schule, Universität, Ausbildung oder schon im Beruf – erlebt? Wie schätzt sie ihre Zukunftschancen ein? Wie steht sie zum Thema Wirtschaft in der Schule – gerade auch vor dem Hintergrund der eigenen gefühlten und tatsächlich vorhandenen Finanz- und Wirtschaftskenntnisse? Die Ergebnisse der aktuellen Jugendstudie des Bankenverbandes geben Aufschluss darüber. In der seit 2003 inzwischen siebten Jugendstudie wurden wieder rund 700 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14- bis 24 Jahren befragt. Die von KANTAR für den Bankenverband telefonisch erhobene Studie ist repräsentativ für diese Altersgruppe.

Viele sind von der Politik enttäuscht

„Ich wünsche mir, dass Jugend und Schule nicht immer nur Wahlkampfthema sind, sondern auch tatsächlich angepackt werden, wenn denn jemand in der Verantwortung ist. (…) Wenn ich immer höre, ja, das können wir nächstes Jahr machen und übernächstes Jahr, dann macht mich das echt wütend.“ Mit dieser bemerkenswerten Aussage hat die Berliner Schülerin Carla Siepmann kurz vor der Bundestagswahl öffentliche Aufmerksamkeit gewonnen. Es ist ein Statement, das nicht einfach mit dem Hinweis auf jugendliche Ungeduld abgetan werden sollte. Dafür gibt es mit Blick auf Jugend, Bildung und Schule schon zu lange und zu viele Probleme, die nachdenklich stimmen: die oft noch mangelhafte digitale Ausstattung der Schulen, den Flickenteppich von Länderverordnungen nicht nur zu Corona-Zeiten oder die alten Probleme mit Lehrkräftemangel und zu großen Schulklassen – da hat sich über die Jahre viel aufgestaut. 

Verwundert es da, dass Kritik und Enttäuschung junger Menschen gerade in der Corona-Krise besonders zum Ausdruck kamen? So haben in der aktuellen Jugendstudie des Bankenverbandes 85 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen angegeben, dass die Politik während der Corona-Krise „wenig“ (56%) oder „sehr wenig“ (29%) für junge Menschen getan hätte. Nur 13% denken, dass sie „sehr viel“ (2%) oder „viel“ (11%) getan hat. Die junge Generation fühlt sich offenkundig von der Politik nicht hinreichend wahr- und ernstgenommen. 

Junge Menschen haben unter den Corona-Auswirkungen gelitten

Die auch für die jungen Leute spürbaren Belastungen durch die Corona-Pandemie tragen sicher zu diesem negativen Meinungsbild bei. Zwar sind Jugendliche und junge Erwachsene während der Lockdowns im Vergleich zu Arbeitnehmern, Selbstständigen oder Freiberuflern naturgemäß von Einkommenseinbußen weniger betroffen gewesen. Das bedeutet aber nicht, dass sie unter den anderen Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht gelitten hätten. Das Gegenteil ist der Fall: Fast drei Viertel geben an, sie hätten „stark“ (37%) oder „etwas“ (35%) darunter gelitten, kaum noch ihre Freunde/Freundinnen treffen zu können. Natürlich haben viele – fast neun von zehn – den Besuch von Konzerten, Kinos oder Clubs vermisst. Und die Hälfte der jungen Befragten hat sich nach eigenen Angaben in dieser Zeit durch die Auswirkungen der Pandemie oft frustriert und depressiv gefühlt.

Zwar zeigen sich die Anteile der 14- bis 24-jährigen Befragten, die mit ihrem Leben eher „zufrieden“ sind, mit mehr als acht von zehn Befragten relativ stabil. Das dürfte aber vor allem daran gelegen haben, dass zum Zeitpunkt der Erhebung im Juli 2021 durch die Lockerung vieler Corona-Einschränkungen und den niedrigen Stand der Inzidenzen die gesellschaftliche Stimmungslage gerade recht positiv war. Die in früheren Jahren gemessenen Höchstwerte von 90 Prozent und mehr werden aber aktuell nicht erreicht. Und in den Antworten kommt durchaus auch Besorgnis zum Ausdruck. So geben vier von zehn Befragten an, dass sie ihre Zukunftschancen durch die Corona-Pandemie „etwas“ (36%) oder „stark“ (8%) beeinträchtigt sehen.

In der Schule erfahren junge Menschen kaum etwas über Wirtschaft

Recht erschreckend ist die Aussage der meisten jungen Befragten, dass sie in der Schule nur sehr wenig über Wirtschaft und Finanzen gelernt haben. So geben zwei Drittel (68%) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen an, sie hätten in der Schule „nicht so viel“ (38%) bis „so gut wie nichts“ (30%) über Wirtschaft gelernt.

Dabei wollen junge Leute genau das: mehr zu Wirtschaft und Finanzen wissen! Drei Viertel (76%) aller Befragten und 72% der befragten Schüler/innen wünschen sich tatsächlich  mehr Informationen über wirtschaftliche Zusammenhänge in der Schule. Und über drei Viertel (77%) fordern sogar die Einführung eines eigenen Schulfachs „Wirtschaft“ in allen Bundesländern. Klarer könnte der Auftrag an die Politik kaum sein, auf diesem Feld schneller als bisher voranzuschreiten. Auch wenn es beim Thema „Wirtschaft in der Schule“ in einzelnen Bundesländern Fortschritte gibt, ein flächendeckendes, eigenständiges Schulfach gibt es bisher immer noch nicht.

Homeschooling & Co haben ihre Spuren hinterlassen

Dass ein Schulfach Wirtschaft wichtig wäre, zeigen die teilweise großen Wissenslücken der jungen Leute, wenn es um Wirtschafts- und Finanzkenntnisse geht:  Vier von zehn Befragten ist beispielsweise nicht bekannt, was der Begriff „Inflationsrate“ bedeutet, neun von zehn können selbst die ungefähre Höhe der Inflationsrate zum Zeitpunkt der Umfrage nicht benennen. Sieben von zehn wissen nicht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) für die Preisstabilität in der Euro-Zone zuständig ist.

Ähnliche Lücken wurden auch in früheren Jugendstudien festgestellt. Aber Unterrichtsausfall und rudimentäres Homeschooling während der Corona-Lockdowns haben nicht gerade zur Verbesserung beigetragen! In einigen Themenbereichen stagniert der Kenntnisstand bestenfalls gegenüber der Erhebung 2018, in anderen hat er sich eklatant verschlechtert. Wussten etwa vor drei Jahren von den Schülern/innen unter den Befragten 25 Prozent  nicht, was eine Aktie ist, mussten bei dieser Frage nun 41 Prozent passen. Was „Inflation“ bedeutet, können aktuell über die Hälfte der Schüler/innen (52%) nicht beantworten, 2018 waren es „nur“ 41 Prozent. Und war schon bei der letzten Erhebung 43 Prozent der Schüler/innen nicht bekannt, dass die EZB für die Preisstabilität in der Euro-Zone zuständig ist, hat sich dieser Anteil auf 83 Prozent nun fast verdoppelt. Das sind für die Institution Schule, der es ein wichtiges Anliegen sein muss, jungen Menschen die notwendigen Kenntnisse an die Hand zu geben, damit sie als souveräne Verbraucher und Finanzentscheider bestehen können, ernüchternde Ergebnisse.

Wirtschaftsbildung ist essenziell und ein Schlüssel zum Verständnis unserer Welt. Hier stellt sich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für mehr wirtschaftliche Inhalte und ökonomische Bildung an den Schulen zu sorgen. Die Politik muss den Jugendlichen und jungen Erwachsenen mehr Aufmerksamkeit schenken und ökonomischer Bildung an den Schulen einen deutlich höheren Stellenwert einräumen.