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Barrierefreiheit im Banking

10.03.2022Artikel
Fabian Schuster
Sylvie Ernoult
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Im Sommer 2021 hat der Deutsche Bundestag den Weg frei gemacht für ein nationales „Barrierefreiheitsstärkungsgesetz“. Damit werden Unternehmen und andere Organisationen dazu verpflichtet, Verbraucherinnen und Verbrauchern ihre Produkte sowie Dienstleistungen künftig in barrierefreier Form anzubieten. Die konkreten technischen Vorgaben an die Barrierefreiheit werden derzeit erarbeitet, doch die deutschen Banken haben das Thema schon lange auf dem Schirm: Barrierefreiheit ist längst kein Nischenthema mehr, sondern vielmehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Großer Bedarf an barrierefreien Angeboten

Die Relevanz des Themas wird schon beim Blick in die amtliche Statistik schnell deutlich: Aktuell leben in der Bundesrepublik rund 8 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung, was einem Bevölkerungsanteil von knapp zehn Prozent entspricht. Bei den über 64-Jährigen hat jeder Vierte einen Schwerbehindertenstatus, etwa aufgrund einer schweren körperlichen Beeinträchtigung oder einer Sinnesbehinderung (z. B. Blindheit, Gehörlosigkeit). Insbesondere im fortgeschrittenen Alter besteht ein erhöhtes Risiko, in einer solchen Weise beeinträchtigt zu sein. Mit Blick auf den demographischen Wandel, der besonders die „alten“ Industrienationen in den nächsten Jahren zunehmend treffen wird, gewinnt das Thema für unsere Gesellschaft weiter an Bedeutung. So ist allein zwischen 2017 und 2019 die Zahl der von schweren Behinderungen betroffenen Menschen um nahezu 140.000 gestiegen. Auch die meisten unserer europäischen Nachbarn kennen das Problem; denn sie verzeichnen eine oft mindestens ebenso starke demographische Entwicklung.

Neue Anforderungen an die Barrierefreiheit ab 2025

Die Europäische Union hat bereits 2019 eine entsprechende Richtlinie zur Stärkung der Barrierefreiheit verabschiedet. Diese hat zwei wesentliche Zielsetzungen: Einerseits werden Unternehmen und Organisationen verpflichtet, die Barrierefreiheit ihrer Produkte und Dienstleistungen, letztere vorrangig digital, sicherzustellen. Dies trägt dem Gedanken der Inklusion von Menschen mit Behinderung Rechnung. Andererseits geht es darum, einheitliche Standards für den europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Denn bisher gibt es in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedliche, teils auch widersprüchliche Anforderungen. So sollen Unternehmen künftig mit EU-weit einheitlichen Standards planen und die Betroffenen, wenn sie etwa digitale Dienstleistungen nutzen, sich auf einheitliche Standards innerhalb der Union verlassen können.

In Deutschland sollen die Anforderungen an die Barrierefreiheit, die die Unternehmen dann in zahlreichen Branchen umzusetzen haben, durch das bereits erwähnte Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025 in Kraft treten. Bis dahin müssen sie allerdings erst noch konkretisiert und festgelegt werden; das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat kürzlich eine entsprechende Rechtsverordnung zur Konsultation gestellt.

Wie kann barrierefreies Banking aussehen? 

Auch wenn die konkreten Vorgaben noch nicht bekannt sind, haben die Banken schon eine Vorstellung davon, wie das barrierefreie Banking der Zukunft aussehen kann. Denn sie setzen schließlich bereits heute eine Vielzahl von barrierefreien Produkten und Dienstleistungen ein, um ihre Kunden zu unterstützen. Beim Banking an Selbstbedienungsterminals stehen beispielsweise an einem Großteil der Automaten in den Filialen schon heute Lösungen für Menschen mit Sinnesbehinderungen zur Verfügung; zusätzlich zur Bildschirmansicht etwa über eine akustische Sprachausgabe oder über Elemente zum Ertasten bzw. Orientieren durch weitere Bedienungsmöglichkeiten. Zudem sind moderne Automaten häufig so gestaltet, dass auch körperlich eingeschränkte Menschen sie leichter bedienen können. Dies betrifft sowohl die Zugänglichkeit der Automaten generell als auch etwa die Höhe und die Position angebrachter Bedienelemente.

Auch bei digitalen Angeboten, im Online- und Mobile-Banking, nutzen Banken schon heute zahlreiche Möglichkeiten für eine einfache Bedienbarkeit. Beispiele sind kontrastreiche Darstellungen, etwa zwischen Hintergründen und der Schriftebene, oder gut lesbare, serifenfreie Schriftarten. Dazu wird verstärkt auf eine einfache Navigation bzw. eine verständliche Menüführung geachtet, wodurch Kunden die wesentlichen Funktionalitäten schneller aufrufen können. Daneben berücksichtigen Banken bei der Entwicklung ihrer Anwendungen, dass Benutzeroberflächen möglichst gut für sogenannte Screenreader, also Vorlese-Software, lesbar sind. 

Texte aus dem Finanz- und Bankkontext sind im Allgemeinen nicht immer leicht verständlich. Die Banken bemühen sich hier zunehmend um eine einfachere Sprache. Dies stellt sie aber immer dann vor Herausforderungen, wenn sie sich – etwa bei Kundeninformationen – an zahlreiche gesetzliche oder regulatorische Vorgaben, etwa zur Verwendung bestimmter Begrifflichkeiten, halten müssen.

Alle können von barrierefreien Produkten profitieren

Barrierefreiheit ist längst ein Thema von hoher gesellschaftlicher Bedeutung, das durch den demographischen Wandel weiter an Relevanz gewinnen wird. Die privaten Banken befürworten, dass künftig klare und einheitliche Standards für barrierefreie Produkte und Dienstleistungen gelten sollen. Damit ist nicht nur den Betroffenen geholfen, sondern auch den Unternehmen, die sich damit auf gleiche, marktgängige Standards berufen können. Barrierefreiheit trägt dazu bei, Barrieren in der Kommunikation mit dem Kunden abzubauen. Davon haben alle etwas.