Vor zwei Jahren haben wir in einem Beitrag dafür plädiert, einen IFRS-Einzelabschluss mit befreiender Wirkung auch in Deutschland zu ermöglichen und den Unternehmen ein Wahlrecht zwischen IFRS- und HGB-Abschluss einzuräumen. Die Vorteile eines solchen Abschlusses liegen für Unternehmen und Banken, die in einen IFRS-Konzernabschluss eingebunden sind, auf der Hand:
- Die gleiche Bilanzierungsgrundlage im Einzel- und im Konzernabschluss würde für einen Gleichklang innerhalb des bilanzierenden Unternehmens und für Konsistenz mit der internen Steuerung sorgen.
- Eine einheitliche Basis für den Einzel- und Konzernabschluss dürfte auch in der externen Kommunikation zu mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit führen.
- Die Möglichkeit, einen befreienden IFRS-Einzelabschluss aufstellen zu dürfen, hätte bei IFRS-Konzernunternehmen erhebliche Kosteneinsparungen im Rechnungswesen zur Folge und würde damit einen signifikanten Beitrag zum angestrebten Bürokratieabbau leisten.
- Eine gemeinsame einheitliche Sprache in der Rechnungslegung wäre obendrein ein wesentlicher Baustein, um die europäischen Kapitalmärkte weiter zu harmonisieren, und würde damit ein Level Playing Field innerhalb der EU herstellen.
Inzwischen ist Bewegung in die Sache gekommen. Im vergangenen Jahr hat das DRSC (Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee) erfreulicherweise eine umfassende mehrstufige Untersuchung zur Anwendung der IFRS in Deutschland gestartet. Im Rahmen dieser Untersuchung werden erstmals die unterschiedlichen Aspekte dieses facettenreichen Themas intensiv und in strukturierter Form beleuchtet, wobei sämtliche Stakeholdergruppen einbezogen werden. Die Evaluation ist sehr zu begrüßen, da somit eine fundierte Entscheidungsgrundlage für den weiteren Umgang mit dem Thema geschaffen wird.
Meinungen gehen nach wie vor auseinander
Die Ergebnisse der ersten Evaluationsphase liegen bereits vor; kürzlich wurden sie im Rahmen einer Paneldiskussion vorgestellt. Dabei wurde deutlich, dass die Meinungen zum befreienden IFRS-Einzelabschluss nach wie vor sehr unterschiedlich ausfallen. Während er von vielen Unternehmen, Banken und Versicherungen, die heute bereits IFRS-Konzernabschlüsse erstellen, befürwortet wird und Nutzergruppen wie Analysten und Abschlussprüfer großer Konzerne Vorteile in ihm sehen, ist auf Seiten der HGB-Bilanzierer die Zurückhaltung gegenüber einer Öffnung des Einzelabschlusses für internationale Regeln nach wie vor groß. Als Gegenargument wird klassischerweise die mangelnde Eignung der IFRS für Zwecke der Steuer- und Ausschüttungsbemessung ins Feld geführt.
Ist dieses Argument stichhaltig? Es ist sicher richtig, dass ein IFRS-Einzelabschluss nicht ohne weiteres für die Steuer- und Ausschüttungsbemessung verwendet werden kann, da zuvor gewisse Anpassungen vorgenommen werden müssten. Dies ist allerdings beim HGB-Abschluss ebenfalls der Fall – auch er dient nicht eins zu eins als steuerliche Bemessungsgrundlage. Nur zur Erinnerung: Infolge der letzten großen Reform des HGB 2008 im Rahmen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes wurde die umgekehrte Maßgeblichkeit abgeschafft. Die steuerliche Gewinnermittlung hat sich seitdem isoliert vom Handelsrecht fortentwickelt. Dementsprechend müssen auch auf einem HGB-Abschluss Überleitungsrechnungen auf die Steuerbilanz durchgeführt werden.
Als Ausgangspunkt für die Anpassung an steuerliche Sondervorschriften kann daher auch ein IFRS-Abschluss herangezogen werden. Ähnliches gilt für die Ausschüttungsbemessungsfunktion. Schon heute sind im HGB-Abschluss Sachverhalte abgebildet, die mit Ausschüttungssperren belegt sind. Das Instrument der Ausschüttungsbeschränkungen wäre auch auf einen IFRS-Abschluss übertragbar. Ein Blick in andere Länder zeigt, dass teilweise auch alternative Besteuerungs- und Kapitalerhaltungskonzepte Anwendung finden.
Sorge vor faktischem Nutzungszwang
Die Zurückhaltung vieler HGB-Bilanzierer gegenüber einem Wahlrecht hat jedoch noch weitere Gründe. Unbehagen bereitet vor allem die Befürchtung, dass die Erlaubnis zur Erstellung von IFRS-Abschlüssen zu einem faktischen Nutzungszwang führen könnte. Insbesondere kleine und mittelgroße Banken und Versicherungen vermuten darüber hinaus eine Ausstrahlungswirkung auf die Vorgaben der Banken- bzw. Versicherungsaufsicht. Um diese Bedenken auszuräumen, könnte über ein bedingtes Wahlrecht nachgedacht werden. Bei einer solchen Ausgestaltung würde die Option zum IFRS-Einzelabschluss ausschließlich Unternehmen offenstehen, die in einen IFRS-Konzernabschluss eingebunden sind.
Rasche Fortschritte wünschenswert
Wie geht es weiter? In der zweiten Stufe der DRSC-Evaluation haben nun die Ersteller von Jahres- und Konzernabschlüssen die Möglichkeit, einen strukturierten Fragebogen auszufüllen. Damit sollen sowohl die Vorteile als auch die Bedenken gegenüber einem IFRS-Einzelabschluss näher beleuchtet werden, so dass passgenaue Lösungen gefunden werden können.
Rasche Fortschritte bei diesem Thema wären wünschenswert, denn Deutschland verliert im Standortwettbewerb zunehmend an Boden. Ein befreiender IFRS-Einzelabschluss wäre zwar nur ein kleiner Baustein, könnte aber dazu beitragen, die Ansiedelung ausländischer Unternehmen in Deutschland einfacher und attraktiver zu machen.