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Deutschland muss jetzt in der Finanzbildung durchstarten!

Christian Jung
Christian Jung
Kind macht Hausaufgaben Zuhause

Deutschland hinkt in Sachen finanzieller Bildung anderen Ländern weiter hinterher. Das Ende der Ampel-Koalition bedeutete auch ein jähes Ende für die Gesetzesinitiative von Bundesfinanz- und Bundesbildungsministerium, mit der eine nationale Finanzbildungs­strategie umgesetzt und damit eine umfassende Antwort auf die vorhandenen Defizite in der Finanzbildung gegeben werden sollte. Während in den meisten OECD-Staaten bereits nationale Finanzbildungsstrategien implementiert wurden, hat Deutschland auf diesem Feld damit immer noch nichts Vergleichbares vorzuweisen. Dabei darf es nicht bleiben! Die neue Bundesregierung muss alles daran setzen, den Faden wieder aufzunehmen und der Finanzbildung den Stellenwert einzuräumen, den sie verdient.

Warum ist Finanzbildung so wichtig?

Wer aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen möchte, braucht ein solides Fundament an ökonomischer und finanzieller Bildung. Grundlegende Kenntnisse dieser Art befähigen zu eigenständigen, selbstbestimmten Finanzentscheidungen. Sie helfen dabei, Risiken richtig einzuschätzen und folgenschwere Fehlentscheidungen zu vermeiden. Sie sind auch der beste Schutz vor Überschuldung, helfen beim Sparen und bei Anlageentscheidungen, nicht zuletzt bei jenen, die für eine langfristige und sinnvolle Altersvorsorge notwendig sind. Daher gehören Finanz- und Wirtschaftskenntnisse als Teil der Allgemeinbildung in die Breite der Bevölkerung, wozu die Grundlagen schon früh in der Schule gelegt werden sollten. So kann bei jungen Menschen Orientierungswissen entstehen, das es ihnen in späteren Lebenslagen ermöglicht, sich das dann jeweils notwendige Spezialwissen anzueignen, um für alle wichtigen Finanzfragen gerüstet zu sein.

Defizite in der Finanzbildung bestehen fort

Aus den regelmäßigen Jugendstudien des Bankenverbands wie auch aus zahlreichen Umfragen anderer Institute wissen wir, dass es um das Wissen zu Finanzthemen in Deutschland nicht gut bestellt ist. Das gilt besonders für junge Leute, aber auch für die Bevölkerung insgesamt. Lediglich vier von zehn Deutschen beschäftigen sich regelmäßig mit ihren Finanzen. Nur die Hälfte weiß, was nachhaltige Geldanlagen sind, und unter den 14- bis 24-Jährigen kennen nur die wenigsten auch nur die ungefähre Höhe der jeweils aktuellen Inflationsrate. Dabei ist völlig klar, dass Unkenntnis über Höhe und Wirkung der Geldentwertung fatale Auswirkungen auf fast alle Spar- und Anlageentscheidungen, einschließlich der Altersvorsorge, haben kann.

Schulfach Wirtschaft und Finanzbildung

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist die Finanzbildung in Deutschland auch historisch gesehen weniger ausgeprägt. Die schulische Ausbildung in diesem Bereich ist noch immer oft fragmentiert und nicht systematisch auf die Bedürfnisse und Lebensphasen der Schüler abgestimmt. Auch werden Wirtschaftsthemen häufig – wenn überhaupt – lediglich als Anhängsel anderer Fächer behandelt, etwa im Gemeinschaftskunde- oder Politikunterricht. Das ist zwar besser als nichts, doch solange die Vermittlung wirtschaftlichen Wissens nur sporadisch erfolgt, lassen sich keine allzu großen Lernerfolge, und schon gar nicht in der Breite, erzielen. Da überrascht es wenig, dass in der jüngsten Jugendstudie des Bankenverbands im vergangenen Jahr 80 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen angaben, dass sie in der Schule „nicht so viel“ bis „so gut wie nichts" über Wirtschaft und Finanzen lernen beziehungsweise gelernt haben. Gleichzeitig gibt es jedoch den Wunsch nach mehr Finanz- und Wirtschaftswissen unter Schülerinnen und Schülern. 89 Prozent von ihnen wünschen sich, dass die Schulen mehr Wirtschafts- und Finanzwissen vermitteln.

Ein eigenständiges Fach Wirtschafts- und Finanzbildung kann am ehesten garantieren, dass sich angehende Lehrerinnen und Lehrer schon während ihrer Ausbildungszeit das Wissen und die Fähigkeiten aneignen, die für einen fundierten Unterricht notwendig sind. Denn gut ausgebildete Pädagogen sind die Grundvoraussetzung für eine solide Wissens­vermittlung. Und Finanz- und Wirtschaftsbildung lässt sich nicht einfach so nebenbei erlernen.

Bankenverband mit eigenem Finanzbildungsangebot

Gerade junge Menschen für Finanzthemen zu begeistern und ihre Finanzkompetenz zu verbessern, sind auch wichtige Ziele unseres eigenen Engagements. Mit dem aktuellen Relaunch unseres Materialienpakets „Geld im Unterricht“ haben wir die Lerninhalte noch stärker an die Erfordernisse moderner Pädagogik angepasst. In den vier Kapiteln „Umgang mit Geld“, „Geld im Wirtschaftskreislauf“, „Zahlungsverkehr“ und „Finanzen gestalten“ können die junge Menschen grundlegendes Finanzwissen erlernen und breit gefächerte Alltagskompetenzen entwickeln, die sie auf ihr weiteres Leben als selbstbestimmte Verbraucherinnen und Verbraucher vorbereiten.

Überarbeitet und neu gestaltet wurde auch unser Finanzbildungs-Newsletter für pädagogische Fachkräfte. Mit jeder Ausgabe des Newsletters, der acht Mal im Jahr erscheint, bekommen die Lehrkräfte Hintergrundinformationen zu aktuellen Themen sowie eine ausgearbeitete Unterrichtsstunde zu einem spezifischen Finanz- oder Wirtschaftsthema an die Hand.

In unserem Bankenplanspiel SCHULBANKER führen Jugendliche spielerisch eine Bank und lernen dabei die Hintergründe von unternehmerischen Finanzentschei­dungen ebenso wie die grundlegenden Funktionen unserer Wirtschaft kennen. Der Bankenverband erreicht damit jährlich rund 3.000 Schülerinnen und Schüler – seit Bestehen des Wettbewerbs über 99.000 junge Menschen aus Deutschland und deutschsprachigen Schulen in Europa. Mehr als 8.500 Lehrkräfte haben mit ihren Teams bereits an diesem einzigartigen Wettbewerb teilgenommen.

Mit Spaß und Teamgeist zu mehr Finanzwissen – das ist das Motto des European Money Quiz (EMQ), ein Wettbewerb, der von der Europäischen Bankenvereinigung (EBF) 2017 ins Leben gerufen wurde und dessen nationale Runde in Deutschland vom Bankenverband ausgerichtet wird. Das Quiz wird in der ersten Phase online über eine Spiele-App via Smartphone ausgetragen, den jeweils besten nationalen Teams winkt eine Reise nach Brüssel zum europäischen Finale.

Selbstverständlich ist der Bankenverband mit seinen Angeboten auch auf Social Media präsent. Neben einem SCHULBANKER-Account, der das Planspiel begleitet, bietet auf Instagram der Account „Bankenverstand“ alle relevanten Infos rund um das Thema Finanzbildung. Zudem gibt es die „Finanzfritzen“, die insbesondere für junge Erwachsene ab 25 Jahren zielgruppengerecht alle Fragen rund um Grundlagenwissen, Geldanlage, Familie, Kredite und Sparen aufbereitet.

Gesellschaftlicher Nutzen von Finanzbildung

Das Ziel all dieser Aktivitäten ist es, junge Menschen für die Welt der Wirtschaft zu interessieren und ihnen ökonomische und monetäre Zusammenhänge verständlich zu machen. Dabei liegt ein möglichst hohes Niveau an Finanzbildung in der Bevölkerung auch im Interesse der Banken und der Gesellschaft insgesamt. Nicht zuletzt das Wissen darum, was die Aufgabe von Banken ist, welche Produkte sie anbieten, auf welchen Märkten sie sich bewegen, was sie finanzieren, ist unumgänglich, um zu einer tragfähigen Beziehung zwischen Finanzwirtschaft auf der einen und kritischer Öffentlichkeit auf der anderen Seite zu gelangen. Nur wenn die Menschen die Vorteile und Risken von Geldgeschäften jeder Art kennen und in der Lage sind, die für sie interessanten Finanzprodukte sicher zu managen, kann auch das Grundvertrauen in unsere Finanz- und Wirtschaftsverfassung gestärkt werden.

Dabei versteht es sich von selbst, dass Finanzbildung stets nur neutral und ohne werblichen Zweck erfolgen darf. Für das Bildungsangebot des Bankenverbandes haben wir uns selbst hohe Standards auferlegt. Unsere Unterrichtsmaterialien, die wir Lehrerinnen und Lehrern an die Hand geben, und unsere Projekte werden mit Sorgfalt konzipiert und umgesetzt. Der Absender „Bankenverband" ist stets klar erkennbar, Werbung für Bankprodukte gibt es nicht. Denn dort, wo Finanzbildung vermittelt wird, hat Produktmarketing nichts verloren.

Und die Politik bewegt sich doch …

Auch wenn das Projekt „Finanzbildungsstrategie“ auf Bundesebne derzeit auf Eis liegt, gibt es jüngst positive Signale aus den Bundesländern, dass diese die Bedeutung einer grundlegenden Finanzbildung in der Bevölkerung erkannt haben. So soll etwa in Sachsen-Anhalt ab dem Schuljahr 2026/27 an Gymnasien in den Klassenstufen 7 und 8 ein Pflichtfach "Wirtschaft" im Umfang von einer Unterrichtsstunde pro Woche eingeführt werden. Auch die hessische Landesregierung hat jüngst das Ziel formuliert, an allen hessischen Schulen ein ähnliches Fach einzuführen, das grundlegende wirtschaftliche und finanzielle Kenntnisse vermitteln soll. Und Hamburg hat sich ebenfalls intensiv mit der Förderung von Finanzbildung auseinandergesetzt und diesbezüglich konkrete Projekte auf die Schiene gesetzt. Nicht zuletzt stimmt aber der auf Initiative Hessens und Hamburgs jüngst erfolgte Beschluss aller Länderfinanzminister hoffnungsvoll, mit dem sich alle Länderfinanzminister für eine nationale Finanzbildungsstrategie ausgesprochen und ihre Kooperationsbereitschaft signalisiert haben, mit dem Bund dabei zusammenzuarbeiten.  

Es bleibt sehr zu wünschen, dass die neue Bundesregierung auf dieses Angebot eingeht und die Finanzbildungsstrategie erneut auf ihre Agenda setzen wird. Ein Blick nach Österreich zeigt, wie es gehen kann: Dort hat die neue Dreier-Koalition aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen im Regierungsprogramm die Finanzbildung gleich in vier unterschiedlichen Bereichen verankert: beim Verbraucherschutz, in der Jugend- und Familienpolitik, im Rahmen der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und im Rahmen der Förderung der ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen. Ein starkes Signal! Deutschland sollte sich daran ein Beispiel nehmen.

Christian Jung

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