Wie wichtig ökonomische Bildung – und als Teil von ihr Finanzbildung – für eine mündige, also selbstbestimmte und sozial verantwortliche ökonomische und politische Teilhabe an der Gesellschaft ist, wird in Deutschland gerade intensiv diskutiert. Immer stärker setzt sich dabei durch, dass ökonomische Bildung verpflichtender Bestandteil des Schulunterrichts und der Lehrkräftebildung sein sollte. Doch wie stark ist ökonomische Bildung tatsächlich in Schule und (Wirtschafts-)Lehrkräftebildung institutionell verankert? Dazu liefern die von der Flossbach von Storch-Stiftung geförderten und vom Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) realisierten OeBiX-Studien (www.oebix.de) einen umfassenden empirischen Überblick. Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse des OeBiX und einer Studie zu Lehrkräftefortbildungen dargestellt.
OeBiX: Ein Maß der ökonomischen Bildung in Schule und Lehrkräftebildung
Der OeBiX bildet in Form eines aus quantitativen Daten verdichteten Indexes ab, inwieweit für die ökonomische Bildung in Schule – oder vergleichbar bei der Lehrkräftebildung an Hochschulen – die Mindestanforderungen erfüllt werden, die in der Regel für ein normales Nebenfach gelten. Sind diese Anforderungen gegeben (1), entspräche das einem Indexwert von 100 Prozent.
Zentrales Ergebnis ist, dass diese Anforderungen in keinem Bundesland auch nur ansatzweise erfüllt werden (siehe Abbildung 1). Selbst das bestplatzierte Bundesland (Niedersachsen) erfüllt die Anforderungen nicht mal zu 75 Prozent, zehn der 16 Bundesländer erreichen nicht mal einen Wert von 50 Prozent.
Vergleicht man die Verankerung der ökonomischen Bildung in der Schule mit anderen realen Nebenfächern, zeigt sich noch deutlicher, wie schlecht es um die ökonomische Bildung steht (siehe exemplarisch für das Gymnasium Abbildung 2). Nicht nur für naturwissenschaftliche Fächer, sondern auch für mit der ökonomischen Bildung besser vergleichbare gesellschaftswissenschaftliche Fächer wie Geografie oder Geschichte steht in der Regel das Mehrfache an Unterrichtszeit zur Verfügung.
Ökonomische Bildung in der Lehrkräftefortbildung
In der Bildungsforschung ist es mittlerweile Konsens, dass die Ausbildung von Lehrkräften nicht mit dem Studium und dem Vorbereitungsdienst (Referendariat) abgeschlossen ist. Sie muss vielmehr während der gesamten Berufstätigkeit im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen fortgeführt werden. Vor diesem Hintergrund wurde untersucht, inwieweit wirtschaftswissenschaftliche und wirtschaftsdidaktische Inhalte in den Fortbildungsangeboten für die Lehrkräfte der Ankerfächer der ökonomischen Bildung vertreten sind. Hierzu wurden alle 1744 von den Bundesländern innerhalb eines Jahres (August 2022 bis August 2023) über deren Onlineportale angebotenen Fortbildungsmaßnahmen im Rahmen eines Monitorings erfasst und inhaltsanalytisch untersucht.
Die meisten Fortbildungen haben keinen Bezug zu ökonomischer Bildung
60 Prozent der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die Lehrkräften für die Ankerfächer der ökonomischen Bildung auf den offiziellen Fortbildungsportalen der Bundesländer angeboten werden, haben überhaupt keinen inhaltlichen Bezug zur ökonomischen Bildung. In nur 22,6 Prozent der Fortbildungsangebote enthalten die Beschreibungen explizit ökonomische Inhalte. Zu welchen Anteilen, bleibt jedoch offen. Nur 15,6 Prozent der Fortbildungsmaßnahmen für Wirtschaftslehrkräfte beziehen sich ausschließlich auf ökonomische Inhalte. In absoluten Zahlen sind das 272 Maßnahmen deutschlandweit.
One-Shot-Maßnahmen mit geringem Wirkungspotenzial
Die Dauer von Lehrkräftefortbildungen ist mitentscheidend für ihre Wirksamkeit, wobei insbesondere den sogenannten One-Shot-Maßnahmen, die nur wenige Stunden dauern, ein geringes Wirkungspotenzial zugeschrieben wird. Bei den untersuchten Maßnahmen dominieren jedoch Kurzzeitveranstaltungen mit einer Dauer von weniger als vier Stunden stark. Vor dem Hintergrund des in der ökonomischen Bildung hohen Anteils fachfremd unterrichtender Lehrkräfte ist die geringe Zahl längerer Maßnahmen besonders problematisch. Fortbildungen, die sich über einen größeren Zeitraum erstrecken und auch längere Präsenztermine beinhalten, bilden in den untersuchten Angeboten die Ausnahme. Die starke Fokussierung auf sehr kurze Maßnahmen hat auch zur Folge, dass wichtige Qualitätskriterien für Lehrkräftefortbildungen häufig nicht erfüllt werden können. So bieten die untersuchten Fortbildungsmaßnahmen nur selten die Möglichkeit, Unterrichtsmaterialien oder -konzepte zu entwickeln, im Unterricht zu erproben und anschließend gemeinsam zu reflektieren.
Finanzbildung spielt eine untergeordnete Rolle
Finanzbildung ist ein wichtiger Bereich der ökonomischen Bildung, der gemäß dem in der Studie zugrunde gelegten Verständnis auf Verbraucherinnen und Verbraucher bezogene Finanzthemen (z. B. Umgang mit Verschuldung/ Überschuldung, Versicherungen und Geldanlage), aber auch Themen, wie beispielsweise Geldpolitik, Finanzmärkte und -krisen umfasst, die eher auf der Makroebene angesiedelt sind.
Insgesamt entfallen allerdings nur 3,5 Prozent aller angebotenen Fortbildungen auf Finanzbildung in diesem Sinne. Betrachtet man darunter nur die Fortbildungen, die (neben der Makroperspektive) die Verbraucherperspektive in den Fokus stellen, ist der Anteil mit 1,5 Prozent noch geringer. In vier Bundesländern gibt es hierzu keine, in fünf weiteren Bundesländern nur eine einzige Fortbildung.
Alle Ergebnisse sowie eine detaillierte Beschreibung der Methodik und der Limitationen der OeBiX-Studien finden Sie online unter www.oebix.de.
Dr. Stephan Friebel-Piechotta (friebel-piechotta@ioeb.de) ist Bereichsleiter für Schulpraxis und Unterrichtsforschung am Institut für Ökonomische Bildung (IÖB) an der Universität Oldenburg
[1] In der Sekundarstufe I wird im Pflichtbereich das (Anker-)Fach mit mindestens sechs Kontingentstunden unterrichtet und im Wahlpflichtbereich mit zwei Kontingentstunden angeboten; in der Sekundarstufe II bestehen eine Belegungs- und Einbringungsverpflichtung sowie die Möglichkeit, das Fach als Prüfungsfach auf erhöhtem Niveau (Leistungskurs) zu wählen.
In der Lehrkräftebildung sind 100 Prozent dann erreicht, wenn die ECTS-Punkte für das Studienfach denen eines normalen anderen Fachs in der Lehrerbildung entsprechen und jeder Hochschulstandort, an dem Wirtschaftslehrkräfte ausgebildet werden, über eine eigene wirtschaftsdidaktische Professur verfügt.