Hintergrund
Die EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen ist von zentraler Bedeutung für die Transformation der Wirtschaft und die Mobilisierung von Kapital für nachhaltige Aktivitäten: Die 2020 in Kraft getretene Verordnung definiert im Sinne des Pariser Klimaabkommens, was als ökologische nachhaltige wirtschaftliche Aktivität gelten kann. Sie ist dabei Kerninstrument des EU-Aktionsplans „Financing Sustainable Growth“. Für Kreditinstitute entstehen durch die EU-Taxonomie zahlreiche Herausforderungen bei der Umsetzung.
Mit diesem Leitfaden unterstützt der Bankenverband Institute und Mitarbeiter, die sich bislang wenig mit der EU-Taxonomie befasst haben. Das Dokument bietet einen Einstieg in die Thematik und Orientierung für erste Anwendungsschritte, gibt praxisnahe Hinweise, die aus Prozessen und Projekten von Mitgliedern entstanden sind, und verweist auf Dokumente zur Vertiefung. Zu Beginn sollen dem Leser einige Einschätzungen mitgegeben werden:
- Die Taxonomie ist noch relativ neu. Sowohl in der Real- als auch in der Finanzwirtschaft existiert erst wenig Umsetzungserfahrung mit der Taxonomie. Der Leitfaden verweist daher auf hilfreiche Umsetzungsbeispiele.
- Die Taxonomie ist komplex. Neben der Taxonomie-Verordnung, die im Juli 2020 in Kraft trat, wurden im EU-Amtsblatt verschiedene delegierte Rechtsakte zu den technischen Bewertungskriterien und Berichtspflichten veröffentlicht. Hinzu kommen FAQ-Dokumente zur Anwendung und eine Empfehlung zu Transition Finance.
- Die Taxonomie ist dynamisch. Ihre Kriterien unterliegen einem Review-Prozess. Die Taxonmie verweist auf EU-Umweltregulatorik, die selbst ebenfalls weiterentwickelt wird und zu einer Verschärfung der Kriterien führen kann.
- Die Taxonomie wird erweitert. Es entstehen weitere delegierte Rechtsakte. Die Schnittstellen zu anderen Legislativinitiativen werden konkreter definiert. So entsteht ein äußerst vielschichtiger Gesamtrahmen.
- Die Taxonomie wirkt langfristig. Nachhaltigkeit ist ein Thema, welches immer mehr an Bedeutung gewinnt. Kreditinstitute sollten sich daher auch eingehend mit der EU-Taxonomie befassen.
Der Leitfaden bietet einen praxisnahmen Einblick in die Funktionsweise und Anforderungen der EU-Taxonomie. Er geht darauf ein, was die EU-Taxonomie ist, wie sie funktioniert und wo sie Anwendung findet. Zudem bietet er erste Schritte zur Umsetzung der Taxonomie-Anforderungen.
1. Was ist die Taxonomie?
Die EU hat sich mit Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens und dem Green Deal ambitionierte Klima- und Umweltziele gegeben. Aber wie kann der Beitrag von Aktivitäten der Wirtschaft dazu gemessen werden? Die EU-Taxonomie stellt ein Klassifikationssystem mit einheitlichen Begrifflichkeiten zur Definition ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten zur Verfügung.
Mehrwert der Taxonomie
- Die Taxonomie bietet eine Auflistung ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten für sechs EU-Klima- und Umweltziele:
(1) Klimaschutz,
(2) Anpassung an den Klimawandel,
(3) nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen,
(4) Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft,
(5) Vermeidung von Verschmutzung und
(6) Schutz von Ökosystemen und Biodiversität.
- Als Klassifikationsrahmen ermöglicht sie eine gemeinsame Sprache für die Definition ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten.
- Sie fördert die Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Finanzmarktsystem.
- Sie hilft Investoren und Unternehmen, informierte Investitionsentscheidungen zu treffen.
- Die Berichterstattung zur Taxonomie ermöglicht am Markt leichter zugängliche und vergleichbare Nachhaltigkeitsinformationen.
Was ist die Taxonomie nicht
- Die Taxonomie ist keine Bewertung von „guten“ oder „schlechten“ Unternehmen bzw. Beurteilung der finanziellen Performance/Vorteilhaftigkeit einer Investition.
- Sie ist keine verpflichtende Investitionsliste.
- Sie bildet aktuell nur „dunkelgrüne“ Wirtschaftsaktivitäten ab.
Komplexer Gesamtrahmen
Der Gesamtrahmen der Taxonomie besteht aus:
(1) der Taxonomie-Verordnung,
(2) dem delegierten Rechtsakt mit Bewertungskriterien für die ersten zwei Klimaziele,
(3) dem ergänzenden delegierte Rechtsakt zur Aufnahme von Gas und Atomkraft und
(4) einem delegierten Rechtsakt zu den Offenlegungspflichten (Art. 8).
Weitere Initiativen, die bald abgeschlossen sind bzw. noch ausstehen:
(5) Die EU-Kommission hat in ihrem „Juni-Paket zu nachhaltigen Finanzen“ am 13. Juni 2023 einen delegierten Rechtsakt für die vier weiteren Umweltziele (Taxo 4) sowie Anpassungen der Rechtsakte für die beiden Klimaziele und die Berichtspflichten verabschiedet. Sollten keine Einwände vom Europäischen Parlament und Rat erhoben werden, werden diese im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und gelten ab dem 1. Januar 2024.
(6) In Zukunft sollen die delegierten Rechtsakte zu den Klima- und Umweltzielen um Aktivitäten wie z. B. Landwirtschaft erweitert werden.
(7) Darüber hinaus gibt es Überlegungen Transitionsbemühungen besser abzubilden (Vorschläge der Platform on Sustainable Finance und Empfehlungen der EU-Kommission zu Transition Finance). Zudem gilt es, längerfristig neben der Umwelt- eine Sozialtaxonomie einzuführen.
(8) Die EU-Kommission hat zudem zahlreiche FAQs zur Anwendung der Taxonomie und den Berichtspflichten auf einer zentralen Webseite gebündelt.