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Ratingagenturen: Frankreichs Staatsfinanzen unter Beobachtung

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Dr. Henrik Meyer

Die ökonomische und finanzielle Situation in unserem Nachbarland Frankreich gibt gegenwärtig zu zahlreichen Diskussionen Anlass. Was ist der Hintergrund? Nach der überraschenden Parlamentsauflösung durch Staatspräsident Macron hatten die Neuwahlen im Sommer des vergangenen Jahres zu keinen stabilen Mehrheiten in der Nationalversammlung geführt – im Gegenteil. Seither sind verschiedene Premierminister daran gescheitert, eine konsistente Wirtschaftspolitik zu verfolgen und ihren Haushaltsentwurf durch das Parlament zu bringen. Immerhin: Dem jetzigen Premierminister Sébastien Lecornu, der schon einmal seinen Rücktritt eingereicht hatte, ist es kürzlich durch weitreichende Zugeständnisse gelungen, eine Mehrheit für seinen Staatshaushalt zu bekommen.

Kreditwürdigkeit herabgestuft

Dennoch hat die insgesamt unübersichtliche Situation in Frankreich Folgen auch an den internationalen Finanzmärkten. Hier werden jene Staatsanleihen gehandelt, mit denen der französische Staat seine Haushaltsdefizite finanziert – und je nach Kreditwürdigkeit fallen die Zinsen höher oder niedriger aus. Eben diese Kreditwürdigkeit hat die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) im Oktober herabgestuft. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass die „Unsicherheit hinsichtlich der Staatsfinanzen“ trotz der Vorlage des Haushaltsentwurfs „hoch“ bleibe. Anstoß nimmt die Ratingagentur vor allem daran, dass die Regierung die „wegweisende“ Rentenreform ausgesetzt hat, mit der das gesetzliche Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre steigen sollte.

Auf seiner von AAA (höchste Bonität) bis D (drohende Zahlungsunfähigkeit) reichenden Skala bewertet S&P Frankreich nunmehr mit A+ statt wie zuvor mit AA-. Kreditgebern wird damit nicht länger eine „sehr hohe Fähigkeit zur Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen“ signalisiert, sondern nur noch eine „hohe Fähigkeit“, die zumindest in geringem Maße durch die wirtschaftlichen Umstände beeinflusst wird.

Die Rolle der Ratingagenturen

Aber was bedeutet diese Abstufung? Und welche Relevanz hat es, wenn Ratingagenturen eine Einschätzung vornehmen? Indem sie die Kreditwürdigkeit von Staaten, Unternehmen und Finanzprodukten bewerten, stellen Ratingagenturen wie S&P, Moody’s und Fitch Anlegern eine Einschätzung darüber zur Verfügung, wie sicher oder riskant eine Investition ist. Die Ratings dienen dabei als Orientierung, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Staat oder Unternehmen seine Schulden zuverlässig zurückzahlen kann. Ein höheres Rating bedeutet dabei ein geringeres Risiko für Investoren. Niedrigere Ratings wirken sich negativ auf die Kapitalbeschaffungskosten aus, da Investoren dann häufig höhere Zinsen fordern, um das erhöhte Risiko auszugleichen.

Frankreich verzeichnet derzeit eine Rekordverschuldung in Höhe von 3,4 Billionen Euro. Sowohl die Verschuldung in Höhe von 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als auch das Defizit in Höhe von 5,8 Prozent im vergangenen Jahr nähern sich jeweils dem Doppelten der EU-Grenzwerte. Die Ratingagenturen haben Zweifel, dass diese Verschuldung in den nächsten Jahren nennenswert zurückgeführt werden kann: Vor S&P, der größten Ratingagentur, hatte auch Fitch Frankreich herabgestuft. Die dritte große Ratingagentur Moody’s hat Ende Oktober die Bewertung der Kreditwürdigkeit zwar unverändert beim Rating Aa3 belassen, den Ausblick für das Land aber von „stabil“ auf „negativ“ verändert.

Frankreichs Kreditbedarf

Die Herabstufungen bzw. Änderung des Ausblicks sind insofern delikat, als der französische Staat 2026 neue Kredite im Rekordwert von etwa 310 Milliarden Euro aufnehmen will. Dabei verlangen die Märkte schon heute höhere Zinsen als von den einstigen Eurokrisenstaaten Spanien, Portugal und Griechenland. Zwischen französischen und italienischen Staatsanleihen herrscht Quasi-Parität. Der Zinsabstand zwischen französischen und deutschen Anleihen notiert nach wie vor deutlich über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre.

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