Investitionen als Indikator für die aktuelle Wirtschaftslage
8. September 2023: Trotz eines robusten Arbeitsmarktes lassen die Konjunkturaussichten für das zweite Halbjahr 2023 noch keine Trendwende erkennen. Dies zeigt sich insbesondere hinsichtlich der Investitionstätigkeit und Kreditnachfrage. Mit Blick auf die anhaltende Wachstumsschwäche sollten die Investitionsbedingungen stärker in den Fokus gerückt werden. Dies unterstreichen auch die Zahlen aus dem aktuellen Bericht des Bankenverbandes zur Lage der Unternehmensfinanzierung.
Ausnahmesituation auf dem Arbeitsmarkt
Im Jahresdurchschnitt 2023 ist für Deutschland ein BIP-Rückgang von knapp 0,5 Prozent zu erwarten. Dass dieser Rückgang – angesichts des großen und besonders stark belasteten Industriesektors in Deutschland – vergleichsweise mild ausfällt, liegt vor allem an der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Erwerbstätigen befindet sich auf einem Allzeithoch. Gleichzeitig herrscht eine Ausnahmesituation: Der Fachkräftemangel erreicht Rekordausmaße; eine große Zahl von Ausbildungsplätzen bleibt unbesetzt und der demographische Wandel schränkt das Arbeitskräfteangebot zusätzlich ein. In den kommenden Monaten dürfte die Arbeitslosigkeit in Deutschland kaum steigen. Die Arbeitslosenzahlen geben aufgrund dieser Sondersituation ein verzerrtes Bild der konjunkturellen Lage wieder.
Investitionsschwäche als Indiz für eintrübendes wirtschaftliches Umfeld
Ein Blick auf die Investitionstätigkeit und Kreditnachfrage trübt das Konjunkturbild. Vor dem Hintergrund der anhaltenden wirtschaftlichen Unsicherheiten, hohen Energiekosten und Inflation halten sich die Unternehmen mit Investitionen weiterhin zurück. Angesichts der nur schwachen Investitionstätigkeit beobachten wir einen Rückgang der Nachfrage nach Investitionskrediten der Unternehmen und wirtschaftlich Selbständigen in Deutschland – wie schon im ersten Quartal des Jahres. Dies ist auch auf eine von der EZB angestrebten Normalisierung der Zinsen zurückzuführen.
Problematisch ist die Investitionsschwäche insbesondere, da Deutschland und Europa vor großen Herausforderungen in den Bereichen der digitalen und ökologischen Transformation, der Rohstoffsicherung und Diversifizierung von Beschaffungsmärkten und Lieferketten stehen. Die notwendige Beschleunigung der Energiewende und Sicherung der globalen Wettbewerbsfähigkeit wird nur mit massiven Investitionen in neue Technologien möglich. Erforderlich ist ein stärkerer Fokus auf das derzeitige Investitionsumfeld. Das „Jahrzehnt der Investitionen“ in die grüne, digitale und resiliente Transformation muss jetzt beginnen.
Die Finanzierung der Transformation kann nur aus einer intelligenten Kombination von Bankkrediten, dem Kapitalmarkt und öffentlichen Mitteln geleistet werden. Banken stehen ihrerseits bereit, kreditwürdige Unternehmen und Investitionen zu finanzieren und wollen ihre Kunden bei der Transformation weiter begleiten. Dafür bedarf es der Stärkung der Kapitalmärkte, um mehr Kapital für die Transformation schöpfen zu können. Um für kleine und mittelständische Unternehmen Investitionsimpulse zu setzen, ist das Wachstumschancengesetz ein erster guter Ansatz. In der derzeit ausgeprägten Wachstumsschwäche sind jedoch stärkere Impulse zur Verbesserung der Standortbedingungen erforderlich.